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Veröffentlicht am 23.11.2023

Hauptsächlich anstrengend

Die sieben Monde des Maali Almeida
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Anfangs war ich davon überzeugt, ein neues Lieblingsbuch erwischt zu haben. Der Erzählstil ist grandios, frech, witzig, zynisch und dabei doch irgendwie originell poetisch. Dazu ist das Thema unschlagbar ...

Anfangs war ich davon überzeugt, ein neues Lieblingsbuch erwischt zu haben. Der Erzählstil ist grandios, frech, witzig, zynisch und dabei doch irgendwie originell poetisch. Dazu ist das Thema unschlagbar genial.
Maali Almeida, ein Kriegsfotograf aus Colombo, Spieler, Lebenskünstler und Liebhaber eines Ministersöhnchens, ist plötzlich tot und im Dazwischen gelandet. Er hat sieben Monde Zeit, seine Angelegenheiten zu regeln und die Aufnahmeformalitäten zu erledigen, dann wird entschieden, wie es mit ihm weitergeht. Darf er ins Licht gehen? Will er das überhaupt? Erst einmal will er wissen, warum er gestorben ist und dann sind da noch brisante Fotos, die die Welt sehen muss.
Das Geschehen hat Witz und morbiden Charme. Wie es im Dazwischen zugeht, wollten wir doch schon immer mal wissen. Das „Leben“ dort unterliegt Regeln, von denen noch niemand gehört hat und es ist bevölkert von Geistern und Dämonen jeder Art. Maali trifft hilfreiche Geister und auch andere. Im Dazwischen tummeln sich Tote, die eine Rolle in seinem Leben spielten oder auch historische Größen und erzählen aus Maalis Leben, gleichzeitig aber auch von der Geschichte Sri Lankas, einem Land mit Problemen, die gerade in einem brutalen Bürgerkrieg gipfeln.
Die Situation ist kompliziert.
"… such gar nicht erst nach den Guten, denn die gibt´s nicht. Jeder ist stolz und gierig, und keiner kann irgendwas lösen, bevor Geld geflossen ist oder Fäuste erhoben wurden"
Das hilft ein bisschen, macht aber nichts besser. In Sri Lanka leben Tamilen und Singalesen und bekriegen sich in den 80er Jahren aufs Blutigste, warum, scheinen sie selbst nicht genau zu wissen. Als Leser muss man damit leben, dass man oft nur mit höchster Konzentration versteht, wer gerade agiert, wie der ins Bild passt und welchem Lager er angehört. Auch da scheinen die Grenzen fließend zu sein. Jeder ist korrupt, jeder ist verlogen, niemandem geht es um die Sache, weil keiner weiß, was Sache ist.
So etwas zu lesen ist anstrengend. Trotz aller Bewunderung für die Idee und den Erzählstil hat mich das Buch bald mehr geärgert als begeistert. Dieses Buch muss man sich abringen.
Es mag sein, dass so ein Buch in vielerlei Hinsicht preisverdächtig ist, ein Lesevergnügen ist es jedenfalls nicht. Ich bin froh, es hinter mir zu haben.

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Veröffentlicht am 03.07.2022

Anrührende Geschichte, unpassender Hörbuchsprecher

IOSUA
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Das sind die Schattenseiten Berlins. Ein Clan von Kriminellen mit osteuropäischen Wurzeln kontrolliert die Stadt, organisiert einen Ring von Schlägern und Dieben, die nicht zimperlich sind.

Iosua ist ...

Das sind die Schattenseiten Berlins. Ein Clan von Kriminellen mit osteuropäischen Wurzeln kontrolliert die Stadt, organisiert einen Ring von Schlägern und Dieben, die nicht zimperlich sind.

Iosua ist der Kronprinz, der Sohn des Bosses, nur ist das eigentlich nicht sein Berufswunsch. Als er die Studentin Isabelle kennenlernt, möchte er endgültig aus diesen Kreisen ausbrechen, allerdings ist das nicht so einfach. Einmal in den Fängen dieser Mafia hat man nach deren Regeln zu spielen, ob man will oder nicht.

Das ist eine spannende, anrührende Liebesgeschichte, eine Tragödie, die zu Herzen gehen könnte, ein interessanter Ausflug in ein ungewöhnliches Milieu, alles was ein gutes Buch braucht. Mit dem Hörbuch hatte ich allerdings Schwierigkeiten.

Leider passt der Sprecher überhaupt nicht dazu. Er hat eine sympathische Märchenerzählerstimme, die ich mir schön für Kinderbücher vorstellen könnte. Hier ist sie deplatziert, wenn nicht gar störend. In dieser beschaulich österreichischen Sprachmelodie wirken gefühlvolle Passagen behäbig und Spannendes nahezu lächerlich. Dieses Buch hätte jemanden gebraucht, der es jünger und frischer präsentiert.

Es ist wirklich schwer, die Handlung vom Sprecher zu trennen, deshalb konnte es mich nur mäßig begeistern. Ich glaube, es hätte mir besser gefallen, wenn ich es gelesen hätte.

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Veröffentlicht am 17.03.2022

Ausflug in die Filmwelt der 30er Jahre

Ich bin ja heut so glücklich
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Ich habe fast alle Bücher von Charlotte Roth gelesen und mag sie sehr, weil sie Geschichtliches so wunderbar einfühlsam und lebendig schildert. Hier ist das leider nicht gar so gut gelungen.

Natürlich ...

Ich habe fast alle Bücher von Charlotte Roth gelesen und mag sie sehr, weil sie Geschichtliches so wunderbar einfühlsam und lebendig schildert. Hier ist das leider nicht gar so gut gelungen.

Natürlich ist es hoch interessant, wenn eine Schauspielerin wie Renate Müller ein begehrter Filmstar wird, obwohl sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Leider erleben wir hier genau diesen Prozess nicht mit. Renate wird Ende der 20er Jahr ein Theatersternchen, in den 30ern ist sie eine angesagte Filmschauspielerin. Als die Nazis ihr Image als Sonnenschein für ihre Zwecke ausnutzen wollen, zieht sie sich zurück.

Das Thema ist spannend, nur bin ich diesmal nicht so recht mit den Figuren warm geworden. Da schafft es keiner, ein bisschen sein Rollenklischee zu verlassen. Die zwiespältigste Figur ist Renates Jugendfreund Werner, der nach erfolglosen Berufsversuchen Göbbels Chauffeur wird und sie mit hündischer Verehrung verfolgt. Nur ist es weder Werners Aufgabe noch sein Talent, dieses Buch zu tragen. Das hätte Renate tun sollen, die süß und brav vom Theater träumt und sich von ihrer Freundin Sybille das Trinken beibringen lässt, wie man das eben macht in Theaterkreisen. Natürlich kann man von einer Frau, die berühmt wird, weil sie so reizend ist, keine Ecken und Kanten erwarten. Nur ist ein Sonnenscheinchen auch nicht automatisch interessant.

Zudem wird man auch den Eindruck nicht los, dass die meisten Dialoge nur dazu dienen, das politische Geschehen zu referieren. Da bleibt eben die Persönlichkeit auf der Strecke.

Immerhin hat mir dieses Buch eine Schauspielerin vorgestellt, von der ich noch nie gehört hatte. Ich hätte sie gerne näher kennengelernt und nehme es gerne zum Anlass für weitere Recherche.

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Höchst detailreicher Krimi

Vertrauen
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Dies ist das vierte Buch, in dem Inspektor Avi Avraham ermittelt. Von Dror Mishani hatte ich bislang nur „Drei“ gelesen und wusste nicht, dass es sich um eine Krimireihe handelt. Das ist ein klein wenig ...

Dies ist das vierte Buch, in dem Inspektor Avi Avraham ermittelt. Von Dror Mishani hatte ich bislang nur „Drei“ gelesen und wusste nicht, dass es sich um eine Krimireihe handelt. Das ist ein klein wenig desillusionierend, aber nicht der Fehler dieses Buches per se. Dieses Buch ist ein waschechter Krimi, das sollte man wissen.

Avi Avraham bekommt an einem Tag direkt zwei neue Fälle auf den Tisch. Ein Baby wird vor einem Krankenhaus in einer Tasche gefunden und ist mehr tot als lebendig. Und ein Hotel vermisst einen Hotelgast. Geht es mit rechten Dingen zu, wenn jemand morgens sein Hotel verlässt und nachmittags „Verwandte“ seine Rechnung begleichen und das Gepäck abholen?

Die Qualität dieses Krimis liegt in der Personenzeichnung. Hier ermittelt jemand mit Herz und einem Gewissen, der sogar eine glückliche Ehe führt. Auch sein Team ist engagiert und bemüht, die Menschen zu sehen, mit denen sie zu tun haben, nicht nur den Fall.

Es fängt harmlos an und steigert sich nach und nach zu einem verzwickten Knäuel von Beziehungen und Zusammenhängen. Man folgt mehreren falschen Fährten, erlebt Überraschungen und bekommt auch eine ordentliche Prise israelisches Lebensgefühl mit auf den Weg.

Allerdings macht dieses Buch auch alles, weswegen ich Krimis nicht leiden kann: Es wird ermittelt, verhört, befragt, Erkenntnisse resümiert und verglichen und das ausführlich und detailverliebt. Ein Wust an Namen und Befindlichkeiten ist zu verarbeiten, zahlreiche Schlenker zu verdauen. Es ist alles sehr spitzfindig, aber auch sehr anstrengend.

Bestimmt ist dieses Buch ein besonderer Leckerbissen für Krimifans, die es knifflig mögen. Für mich war es ein zäher Ausflug nach Israel, dem eine Prise Humor gut gestanden hätte.

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Tolles Thema, mäßiges Buch

Das Mädchen mit dem Drachen
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Usha Vishwakarma ist in Indien eine berühmte Frau. Sie hat die „Rote Brigade“ gegründet, eine Frauenkampftruppe, um indischen Mädchen zu zeigen, wie sie sich gegen Männer wehren können. Allein die Tatsache, ...

Usha Vishwakarma ist in Indien eine berühmte Frau. Sie hat die „Rote Brigade“ gegründet, eine Frauenkampftruppe, um indischen Mädchen zu zeigen, wie sie sich gegen Männer wehren können. Allein die Tatsache, dass so eine Truppe bitter nötig ist, ist eigentlich schon ein Buch wert.

Hier bekommt man einen kleinen Einblick in dieses Thema. Léna, eine Lehrerin aus Frankreich, macht eine Reise nach Indien und wird mit einigen Ungerechtigkeiten konfrontiert. Je mehr sie vom Leben indischer Mädchen mitbekommt, desto mehr möchte sie helfen. Sie lernt Preeti kennen, die ganz nach Ushas Vorbild eine Mädchenkampftruppe anführt. Zusammen versuchen sie, eine Schule für die Kinder der untersten Kasten ins Leben zu rufen.

So weit ist das genau ein Buch nach meinem Geschmack. Leider wird hier dieses hoch spannende Thema mit viel Pathos und dramatischen Schlenkern zur Schmonzette aufgeplustert. Schon der Grund, warum Léna nach Indien reist, ist eine absolut unnötige Tragödie, die ein paar bemühte Geheimnisse liefert, aber ansonsten nur vom Thema ablenkt. Das stellt sogar Léna selbst in ein fragwürdiges Licht. Ist sie nur so aufopferungsvoll hilfsbereit, weil sie Ablenkung von ihren eigenen Problemen braucht?

Generell lässt die Personenzeichnung zu wünschen übrig. Wir haben hier einiges an spannendem Personal, das kein rechtes Gesicht bekommt. Die Figuren sind leblos, die Dialoge hölzern, der Erzählstil meist referierend mit gelegentlichen blumigen Schlenkern.

Die Qualität dieses Buches ist, dass es die Situation sehr plausibel schildert. Man bekommt Beispiele, die zeigen, mit was ein indisches Mädchen alles zu kämpfen hat und man bekommt sogar Gründe dafür aufgezeigt. Es hätte ein anrührendes Buch sein können, wäre Léna nicht so eine Superheldin, die sich selbstlos jeder Gefahr stellt, damit andere ein besseres Leben haben können.

Das Hörbuch dauert nur 4 Stunden, 46 Minuten, obwohl es ungekürzt ist. Es wird von Cathlen Gawlich gelesen, die einen guten Job macht, es aber auch nicht schafft, der dürftigen Vorlage Leben einzuhauchen.
Fazit: Tolles Thema, mäßiges Buch.

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