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Veröffentlicht am 15.05.2022

Das Wichtigste kurz und knapp, perfekt zum direkt loslegen

Grünes Gartenwissen. Gemüse anbauen
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Gemüse anbauen wollte ich schon öfters, bisher mit mäßigem Erfolg. Ich hatte einfach nach Gutdünken angefangen und mich nicht ernsthaft mit der Materie auseinander gesetzt. Auch jetzt habe ich wenig Lust, ...

Gemüse anbauen wollte ich schon öfters, bisher mit mäßigem Erfolg. Ich hatte einfach nach Gutdünken angefangen und mich nicht ernsthaft mit der Materie auseinander gesetzt. Auch jetzt habe ich wenig Lust, tief in die Literatur des Gartenbaus einzutauchen, sondern möchte so schnell wie möglich erste Erfolge im eigenen Garten sehen. Deshalb ist der vorliegende Ratgeber perfekt für mich.

Mit kurzen Texten und reich bebildert führt der Ratgeber durch die Grundlagen des Gemüseanbaus. Themen sind zum Beispiel Gartenplanung, Bodenvorbereitung, Hochbeete vs. Bodenbeete, Anzucht von Jungpflanzen, Düngen und Kompostieren. Zu jedem Thema gibt es einschlägige Tipps. So habe ich beispielsweise erfahren, wo im Garten Kälte droht und was die No-Dig-Methode ist.

Im Anschluss an die Grundlagen folgen Kapitel zu den einzelnen Gemüsegruppen. Vertreten sind Salate und Kräuter, Erbsen und Bohnen, Lauchgewächse, Sommergemüse wie Tomaten, Zucchini, Paprika und Gurken, sowie Wurzeln, Knollen und Blattgemüse. Behandelt wird jeweils Art und Zeitraum der Aussaat, die Pflege der Pflanzen und die Ernte. Auch hier gibt es wieder jede Menge Tipps. Hervorzuheben sind die Notfallhinweise, die in Abschnitten zur Ersten Hilfe zusammengefasst sind. Die verletzten Pflanzen oder Früchte werden als Schadbilder gezeigt und beschrieben, die Ursachen werden erklärt und wie man Abhilfe schaffen kann.

Der Ratgeber ist leicht zu verstehen, überfordert mit seinen Informationen auch Einsteiger nicht. Ich bin gerade richtig motiviert, es dieses Mal richtig zu machen.

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Melancholisch witzige Geschichte um Liebe und Familie

Schallplattensommer
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Maserati ist sechzehn, kellnert im Ausflugslokal ihrer Oma. Obwohl sie nicht regelmäßig genug zur Schule geht, scheint sie mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Doch dann zieht nebenan in die alte, verfallene ...

Maserati ist sechzehn, kellnert im Ausflugslokal ihrer Oma. Obwohl sie nicht regelmäßig genug zur Schule geht, scheint sie mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Doch dann zieht nebenan in die alte, verfallene Villa eine reiche Familie mit zwei Jungen in Maseratis Alter ein. Nicht nur wegen der lärmenden Renovierungsarbeiten ist es jetzt mit der ländlichen Ruhe vorbei.

In dem Wunsch Maserati kennen zu lernen, stochern Caspar und Theo in ihrem Leben ohne Smartphone und Fernsehen herum. Als sie Maseratis Konterfei auf einer alten Schallplatte entdecken, manövrieren sie mit ihrer ewigen Fragerei Maseratis Leben ins Chaos. Sämtliche Konstanten kommen ins Wanken, das Zusammenarbeiten mit der Oma im Lokal, ihre Freundschaft zu Georg, einem ihrer Mitschüler.

Alina Bronsky führt uns in ein Feuerwerk aus widersprüchlichen Gefühlen, ergründet mit Maserati die Frage nach der Liebe und die Bedeutung von Familie. Gleichzeitig entwickelt sich ein Abenteuer für die jungen Leute zur Findung des eigenen Selbst. Immer wieder werden Maserati, Caspar und Theo fehlgeleitet durch Missverständnisse, die durch unüberlegte, cool sein wollende Kommentare entstehen.

Sprachlich bleibt sich die Autorin treu. Ich liebe ihren bittersüßen Tonfall, auch wenn er hier aus Richtung der Oma nicht ganz so spitz wie sonst rüberkam. So liest sich der Roman zügig, lässt einen hin und wieder schmunzeln. Ich mag Bronskys Art, schwierigeren Themen die negative Energie zu nehmen und gleichzeitig eine gewisse Ernsthaftigkeit mitschwingen zu lassen.

Ich habe diese turbulente Feriengeschichte genossen und empfehle sie gern weiter.

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Veröffentlicht am 23.03.2022

Die Problematik des Schweigens

Dschinns
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Als Gastarbeiter kam Hüseyin vor 30 Jahren nach Deutschland. Er hat jeden Job gemacht im Stahlwerk, später in der Papierfabrik, jede Überstunde durchgezogen, um seine Familie nachzuholen und sich jetzt ...

Als Gastarbeiter kam Hüseyin vor 30 Jahren nach Deutschland. Er hat jeden Job gemacht im Stahlwerk, später in der Papierfabrik, jede Überstunde durchgezogen, um seine Familie nachzuholen und sich jetzt zum Ruhestand den Traum einer eigenen Wohnung in Istanbul zu erfüllen. Doch leider hat er bis auf ein paar erste Eindrücke zur wuseligen Atmosphäre nichts mehr davon. Er stirbt an einem Herzinfarkt.

Hüseyins Ehefrau und Kinder begeben sich nun kurzfristiger als ursprünglich geplant ebenfalls nach Istanbul, um ihn zu beerdigen. Hüseyins Traum, die Wohnung rückt völlig in den Hintergrund, schien mir zwischendurch wie ein Fluch. Während der Anreise und des Aufenthaltes in der Wohnung lernen wir die Kinder schrittweise kennen, zum Ende hin auch Emine, Hüseyins Ehefrau. Jeder Person ist dafür ein eigenes Kapitel gewidmet. Durch das Lesen in den Gedanken der Protagonist:innen kennen wir die Familie am Ende besser als sie sich selbst. Denn Schweigen ist ihr Hauptproblem. Schicksalsschläge werden nicht thematisiert, Wünsche nicht adressiert. Alle sind gewissermaßen gefangen in dem Zwang, die Erwartungen der Vorgängergeneration zu erfüllen. So macht jedes Familienmitglied seine Probleme mit sich selbst aus.

Fatma Aydemir zeichnet sehr eindrücklich das Umfeld, mit dem sich die Familie früher in der Türkei und später in Deutschland auseinandersetzen musste. Die beengte Mietskaserne mit Blick auf die und Abgaswolken von der Fabrik ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, aber auch die Unterstützungsleistung, die Sevda, eine der Töchter, eine Zeit lang für ihre Großeltern in der Türkei erbringen musste. Trotz der Last, die auf jedem Charakter liegt, hatte der Roman für mich keinen deprimierenden Touch. Er ist mehr ein Augenöffner für viele Probleme, die in weiten Teilen nichts mit Migration zu tun haben. Besonders gefallen hat mir die an den jeweiligen Charakter angepasste Sprache. Die Studentin hat einen anderen Sprachgebrauch als der Autoliebhaber, die Eltern sind sprachlich klar von den Kindern abgegrenzt. Irgendwie erfrischend, weil damit der Lesefluss angetrieben wird, aber auch stark überzeichnet, finde ich die schiere Anzahl der Probleme. Das kratzt ein bisschen an der Glaubwürdigkeit des Romans, hat mich hier allerdings gar nicht gestört.

Insgesamt war Dschinns für mich ein Lesevergnügen, das ich sehr gern weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Die Suche wird zur Jagd

Violas Versteck (Tom-Babylon-Serie 4)
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Tom Babylon hat mir schon in den letzten Jahren immer mal wieder spannende Stunden geschenkt, der LKA-Ermittler, der seit vielen Jahren auf der Suche nach seiner Schwester Viola ist, der niemals aufgibt ...

Tom Babylon hat mir schon in den letzten Jahren immer mal wieder spannende Stunden geschenkt, der LKA-Ermittler, der seit vielen Jahren auf der Suche nach seiner Schwester Viola ist, der niemals aufgibt und auch nicht tot zu kriegen ist. Ich hab ihn lieb gewonnen und war deshalb sehr erfreut, als endlich sein neuer Fall „Violas Versteck“ angekündigt wurde.

Der Titel ist Programm, beschreibt genau, um was es im neuen Thriller gehen wird und verrät doch gar nichts. Alles beginnt mit einem Foto von Viola als erwachsene Frau, das Tom bei seinem Vater im Keller entdeckt. Es befeuert seine Suche. Er scheint kurz vor seinem Ziel zu sein. So tauchen wir mit ihm ein in die schon in den Vorgängerbänden angerissene Geschichte. Wir gehen tiefer und tiefer und landen in einem Moloch.

Unterstützt wird Toms Suche weiterhin durch seine Kollegin aus der Psychologie, Sita Johanns. Sita erweist sich als ähnlich leidensfähig, wächst in diesem Band einmal mehr über sich hinaus. Dabei wird ihr Vertrauen in Tom sowie ihre Bereitschaft, ihm weiter zur Seite zu stehen, auf eine harte Probe gestellt. Wo mich Sita mehr als begeistern konnte, haben mich die anderen Mitglieder des LKA charakterlich enttäuscht.

Wir begegnen auch einer ganzen Reihe alter Bekannter wieder. Dabei sind sowohl Opfer als auch Täter. Toms Vater stirbt bei einem mysteriösen Überfall in der Berliner U-Bahn. Hier hätte ich mir ein paar mehr Informationen zu Ermittlungen gewünscht. Sein Abgang kam mir etwas zu kurz, hatte ich ihn doch als sehr wichtige Figur der Serie gesehen. Auch von Bene hätte ich gern noch etwas mehr gelesen, weil latent die Gefahr besteht, dass es der letzte Band war. Dafür wird es wieder mega-gefährlich, Tom und Sita kämpfen um ihr Leben.

Etwas verwirrend fand ich die Zeitschiene, in der erzählt wird. Gerade in der ersten Hälfte wusste ich manchmal nicht genau, in welcher Reihenfolge die Dinge passiert sind. Mit Rückblättern zu den letzten Zeitangaben ging es dann wieder. Trotzdem hat die zeitliche Unsicherheit den Lesefluss etwas ausgebremst. Eine konkrete Zeitangabe wie in den Vorgängern hätte mir persönlich besser gefallen.

Insgesamt ist „Violas Versteck“ wieder ein sehr spannender Thriller aus der Feder von Marc Raabe. Er rundet die Serie um Tom Babylon gut ab. Aus meiner Sicht ist es günstig, wenn man die vorangegangenen Bücher auch kennt, sonst geht manche bedeutsame Szene einfach an einem vorbei. Deshalb lautet meine Leseempfehlung: Lest die ganze Serie! Es lohnt sich.

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Alte Geschichte im neuen Gewand

Tell
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Kann interessante Literatur entstehen, wenn jemand die alte Geschichte um Wilhelm Tell nochmal neu aufbereitet? Ist es lohnenswert, eine Geschichte, die man glaubt zu kennen? Diese Fragen trieben mich ...

Kann interessante Literatur entstehen, wenn jemand die alte Geschichte um Wilhelm Tell nochmal neu aufbereitet? Ist es lohnenswert, eine Geschichte, die man glaubt zu kennen? Diese Fragen trieben mich um, als mir der Klappentext von Schmidts Tell begegnet ist. Da mir sein Roman „Kalmann“ gut gefallen hatte, lies ich mich auch auf dieses Leseabenteuer ein.

Nach wenigen Seiten versetzt uns Joachim B. Schmidt um Jahrhunderte in der Zeit zurück und verfrachtet uns in das beschwerliche Leben der Schweizer Bergbauern, wo kleine Kinder schon den Stall ausmisten und kräftig mit anpacken müssen. Familienväter wildern für ein bisschen Fleisch. Mit den alten Weibern sitzen wir auf der Bank vor der Hütte und genießen das bisschen Sonne, das die Berge freigeben. Die geformte Atmosphäre aus bedrohlicher Natur und Gottesfürchtigkeit hat mir sehr gefallen. Hervorragend war meinem Empfinden nach auch der sprachliche Support für die Zeitschiene. Die Artikulation und die Verhaltensweisen sowohl der Bergbauern als auch der Habsburger kamen wirklich glaubwürdig rüber.

Tell selbst schien mir lange Zeit unnahbar. Er wirkte auf mich, als wäre er überfordert vom Leben, als wäre Tell nie richtig erwachsen geworden. Ich schob es auf das harte Leben in den Bergen und wurde eines besseren belehrt. Geschickt ist dem Autor hier ein Querverweis ins aktuelle Zeitgeschehen gelungen ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Die Geschichte selbst wird rasant erzählt. Prägnante Sätze lassen kurze Kapitel entstehen, die einzelnen Charakteren zugeschrieben sind. So wechselt ständig der Blickwinkel auf das Geschehen, das dadurch stark an Plastizität gewinnt. So sind die vom Autor gezeichneten Bilder stets deutlich, die Gefühlswelt der Protagonist:innen regt zum Mitfiebern an. Letztlich trägt diese alte Geschichte ein ganz neues thrillernes Gewand.

Mir hat das gefallen. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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