Eindringlicher und bewegender Roman über Heimat, Wurzeln & Familie
Auf der Straße heißen wir andersDieser Roman hat mich sehr positiv überrascht. Ein sehr gut geschriebener und durch seinen Stil sehr eindringlicher Roman über eine armenische Familie in Deutschland, die sich mit Fragen zu Identität, ...
Dieser Roman hat mich sehr positiv überrascht. Ein sehr gut geschriebener und durch seinen Stil sehr eindringlicher Roman über eine armenische Familie in Deutschland, die sich mit Fragen zu Identität, Wurzeln und Heimat auseinandersetzt. Gleichzeitig tragisch und hoffnungsvoll, leise und doch prägnant. Der Roman besticht für mich vor allem durch seine Auslassungen, durch die Dinge, die nicht direkt, sondern indirekt erzählt werden. Dadurch entfaltete das Buch für mich mehr Kraft, als wenn Genozid, Ausgrenzung und Heimatverlust direkt angeprangert werden. Ich hatte vorher von Fatma Aydemir "Dschinns" gelesen, was ich als eine einzige Anklage gegen Rassismus, fehlende Integration und fehlende Anerkennung in der deutschen Gesellschaft empfunden habe. Laura Cwiertnia geht literarisch einen komplett anderen Weg. Sie erzählt leise und ruhig von den Menschen und auch vom Genozid. Oft indirekt und sehr subtil und manches wird auch nur angedeutet, die Auswirkungen auf das Leben der Menschen werden dadurch aber umso deutlicher. Ein sehr gelungenes und literarisch sehr geschickt geschriebener Roman, der multiperspektivisch geschrieben weit in die Vergangenheit zurückgeht und die Lebenswege von Vater, Großeltern, und Urgroßeltern erzählt.
Zentrale Figur ist Klara, Tochter einer Deutschen und eines Armeniers, der in Istanbul aufgewachsen ist. Klara ist der tristen Siedlung in Bremen Nord entkommen, in der sie wiederum aufgewachsen ist. Durch Bildung. Zur Beerdigung ihrer Großmutter kehrt sie zurück und ist mehr als überrascht, dass es ein typisch armenisches Beerdigungsritual gibt. Und ein dezidiert aufgeschlüsseltes Vermächtnis. Dazu gehört ein goldener Armreif mit dem Namen einer Frau in Armenien. Klara überredet ihren Vater zu einer Reise nach Armenien. Und bei dieser Reise kommt Klara ihrem Vater viel näher als bisher. Und sie erfährt sehr viel über ihre Herkunftsfamilie, die zwar aus der Türkei als Gastarbeiter kamen, jedoch keine richtigen Türken, sondern Armenier waren. Und so merkt Klara auch, dass sie mit ihrer Entscheidung, sich Klara und nicht mehr Karlotta zu nennen unbewusst eine Familientradition fortgesetzt hat. Denn "Auf der Straße heißen wir anders". Der Roman erklärt. warum es so war.