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Veröffentlicht am 16.03.2022

Patrick McGuinness - Den Wölfen zum Fraß

Den Wölfen zum Fraß
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Als man eine Frauenleiche findet, scheint der Täter offenkundig: der etwas exzentrische Einzelgänger Michael Wolphram, der das Opfer auch kannte und gar nicht verhehlt, gelegentlich mit der attraktiven ...

Als man eine Frauenleiche findet, scheint der Täter offenkundig: der etwas exzentrische Einzelgänger Michael Wolphram, der das Opfer auch kannte und gar nicht verhehlt, gelegentlich mit der attraktiven jungen Frau gesprochen zu haben. Vor seiner Pensionierung war er Lehrer am Chapleton College, das auch Alexander, einer der beiden Polizisten, die den Fall untersuchen, besuchte. Er hat gänzlich andere Erinnerungen an den Mann als das Bild, das die Presse schnell von ihm zeichnet. Sein Kollege Gary will eigentlich nur noch die notwendigen Beweise sichern und den Fall abschließen. Was zunächst offenkundig scheint, wirft jedoch schnell einige Fragen auf.

Patrick McGuiness erzählt zwar oberflächlich in "Den Wölfen zum Fraß" einen klassischen Krimi, darunter liegt jedoch eine scharfsinnige Analyse der Gesellschaft, die auf unterschiedenen Ebenen von Vorurteilen und klaren Grenzen zwischen den Schichten und Bevölkerungsgruppen geprägt ist. Die Frage nach dem Mörder rückt immer wieder hinter diese zurück und eröffnet so Raum für weitaus größere und interessante Aspekte.

Die beiden Polizisten sind perfekt austarierte Partner, die trotz ihrer Verschiedenheit, oder vielleicht auch gerade wegen dieser, hervorragend zusammenarbeiten und sich ergänzen. Alexander der gebildete, studierte, der mit klarem Kopf sachorientiert vorgeht; Gary repräsentiert mit seinem Dialekt eher die Arbeiterklasse, zu der er naturgemäß bei Befragungen auch besser einen Draht aufbauen kann.

Durch die Rückblicke in eine längst vergangene Schulzeit eröffnet Alexander nicht nur ein differenzierteres Bild des Verdächtigen, sondern zeigt auch wie eng die realen und geistigen Mauern des britischen Internatslebens sein können und wie schwierig es für Außenseiter ist, dort Fuß zu fassen. Mehr noch allerdings exponiert er die Presse, die blutsaugend hinter dem Fall her ist. Die Geschichte basiert auf jener von Christopher Jeffries, der 2010 wegen des vermeintlichen Mordes an Joanna Yeates durch die Boulevardblätter bereits verurteilt wurde, bevor überhaupt die Polizeiarbeit abgeschlossen war.

Kein Roman, der mich von der ersten Seite gepackt hätte, sondern einer, der zunehmend sein Potenzial zeigt, dessen pointierte Sprache ihre Bedeutung erst langsam enthüllt und dann erst erkennen lässt, um was für einen großartigen, bis ins Detail ausgefeilten Roman es sich handelt.

Veröffentlicht am 12.03.2022

Anna Yeliz Schentke – Kangal

Kangal
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Kangal - wie der starke bissige Hirtenhund, das ist das Pseudonym, unter dem Dilek online zu finden ist. Unter diesem schreibt sie, was man in der Türkei seit 2016 nicht mehr öffentlich sagen kann, weil ...

Kangal - wie der starke bissige Hirtenhund, das ist das Pseudonym, unter dem Dilek online zu finden ist. Unter diesem schreibt sie, was man in der Türkei seit 2016 nicht mehr öffentlich sagen kann, weil sonst Gefängnis oder Schlimmeres droht. Doch nach Befragungen und Verhaftungen in ihrem Bekanntenkreis wird die Luft dünner, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis man sie identifiziert. Dilek beschließt zu fliehen, weiht nicht einmal ihren Freund ein. In Deutschland hofft sie in Sicherheit zu sein, nur zu ihrer Cousine Ayla traut sie sich Kontakt aufzunehmen, denn bevor ihre Mütter sich im Streit entzweiten, waren sie unzertrennbare Verbündete, fast wie Schwestern, obwohl sie in zwei verschiedenen Ländern aufwuchsen.

Anna Yeliz Schentke greift in ihrem Debütroman ein aktuelles Thema auf. Dass sich die Lage nach dem Putschversuch für alle, die nicht auf Linie des Präsidenten sind, dramatisch verschlechtert hat, ist weitgehend bekannt. „Kangal“ schildert eindrücklich die Angst, die vor allem junge, nach Freiheit strebende Menschen begleitet, und die Schwierigkeit, ihren Landsleuten hier in Deutschland die Situation begreiflich zu machen, während diese im zweiwöchigen Sommerurlaub an den Stränden das Dasein genießen und nichts von den alltäglichen Repressalien des Mannes erfahren, dem sie aus der Ferne zujubeln.

Dileks Angst wird in der Geschichte zunehmend greifbarer. Quasi minütlich könnte sie entlarvt und ihr Pass gesperrt werden. Was genau sie online gepostet hat, bleibt dabei im Dunkeln, spielt aber auch keine Rolle in einem Staat, wo es Rechte und Rechtsstaatlichkeit nur noch auf dem Papier zu geben scheint. Auch in der Ferne kann sie sich nicht von der Angst befreien und fürchtet bei jedem Türken, dass dieser zum Verräter werden und sie auffliegen lassen könnte.

Ihre Cousine kennt die Türkei nur als Urlaubsland, hat natürlich die Nachrichten verfolgt, kann sich aber kaum vorstellen, dass Dilek sich ernsthaft in Gefahr befindet. An ihrer Figur wird das zweite große Thema des Romans angerissen: wie konservativ ist die türkische Gemeinschaft hierzulande, können sich gerade junge Frauen überhaupt frei entfalten und wie kommt es, dass viele der sogenannten Gastarbeiter sich trotz anderer Pläne ihr Leben letztlich in Deutschland eingerichtet und die Rückkehrpläne aufgegeben haben. Vor allem für Frauen scheinen sich die großen Versprechungen und Erwartungen nicht erfüllt zu haben – Grund genug, diese auch den Töchtern vorzuenthalten?

Ein kurzer Einblick in das türkische Leben dort wie hier, in dem sich vieles im Schatten oder Verborgenen abspielt, sei es wegen der gesellschaftlichen oder familiären Normen oder wegen staatlicher Drohung, die auch aus der Ferne wirkt. Interessant fand ich dabei, dass Dilek weitaus moderner und aufgeklärter wirkte als Ayla, die sich letztlich doch dem familiären Korsett fügt und nur sehr begrenzt ihre eigenen Vorstellungen von einem Leben verfolgt.

Das Ungesagte, Verschwiegene nimmt einen wichtigen Platz mit ganz unterschiedlichen Funktionen ein. In der Türkei bietet dies Schutz vor der staatlichen Gewalt, in der Familie von Dilek und Ayla steht es zwischen ihnen, die Mädchen wissen nicht, was zwischen den Müttern gesagt und vorgefallen war und trauen sich nach Jahren auch kaum die Frage danach zu stellen, sondern beginnen selbst zu schweigen. So wird das Schweigen von einer auf die nächste Generation übertragen, ohne dass diese wüsste, warum.

Ein interessanter Roman, der viel zu schnell endet, denn die Geschichte der beiden jungen Frauen ist für mich noch nicht zu Ende erzählt, zu viel Potenzial steckt noch in Anna Yeliz Schentkes Figuren.

Veröffentlicht am 10.03.2022

Lucy Fricke - Die Diplomatin

Die Diplomatin
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Friederike - Fred - Andermann hat sich im diplomatischen Dienst hochgearbeitet und wird als Konsulin nach Montevideo geschickt. Als sie gerade mit den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten des 3. Oktobers ...

Friederike - Fred - Andermann hat sich im diplomatischen Dienst hochgearbeitet und wird als Konsulin nach Montevideo geschickt. Als sie gerade mit den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten des 3. Oktobers beschäftigt ist, platzt die Meldung über eine verschwundene Bloggerin herein. Seit 24 Stunden kein Post - für die Mutter ist klar, dass dem Kind etwas zugestoßen sein muss. Fred ordnet den Fall nicht ganz so dramatisch ein, kümmert sich dennoch, nicht ahnend, dass dies ihr größtes Scheitern werden wird. Zwei Jahre später findet sie sich in Istanbul wieder, die diplomatische Stimmung ist aufgeheizt und sie selbst gerät durch eine Affäre zwischen die Fronten.

Lucy Fricke konnte mich mit ihrem Roman „Töchter“ bereits vollends begeistern, die Lebendigkeit der Figuren, die ihren Vorgänger ausgezeichnete, findet sich auch in „Die Diplomatin“ wieder. Dem Roman gelingt die Balance zwischen der Schilderung des hochförmlichen diplomatischen Dienstes und der bisweilen fast zynischen Reaktion der Protagonistin auf diesen, was zu einem lockeren Ton mit zahlreichen Seitenhieben verschmilzt.

Auch wenn ich zunächst etwas unglücklich über die relativ kurze vorgeschaltete Episode in Uruguay war, da die Haupthandlung sich in der Türkei abspielt, ist diese doch ganz wesentlich für die Entscheidungen und das Handeln Freds. Folgt sie in Uruguay noch dem Protokoll, versteckt sich hinter dem Amt, das sie bekleidet, und überlässt die wichtigen Entscheidungen der Zentrale, so ist sie in Istanbul an einem ganz anderen Punkt angelangt. Sie hat erlebt, dass auch ihre Vorgesetzten nicht alles verhindern können und falsche Entscheidungen treffen. Das Protokoll mag Sicherheit geben, aber Intuition und Menschenverstand sind womöglich manchmal überlegen.

Die Vorgänge in der türkischen Großstadt greifen das auf, was einem aus Zeitungsmeldungen der vergangenen Jahre nur allzu bekannt ist. Verhaftungen ohne Anklage, fast absurde Anschuldigungen, Menschen, die einfach verschwinden, durchsuchte Wohnungen - die ganze Palette eines Staates im Ausnahmezustand und größter Erregung baut Fricke geschickt ein. Die Opfer der Repressalien - eine Künstlerin, ihr unbescholtener Sohn, ein Journalist - sind alledem machtlos ausgeliefert und auch Fred kann trotz ihrer Position wenig bis gar nichts ausrichten.

Die Grenzen der Diplomatie und was die Erfahrungen mit den oft handlungsunfähigen Menschen machen, fängt der Roman überzeugend ein. Von geradezu banalen repräsentativen Terminen bis zu jenen, die Contenance erfordern, die fast nicht aufbringbar ist und gegen die sich alles sträubt - man fragt sich, wie lange man so etwas aushalten kann. In der Figur Freds wird diese Zerrissenheit sehr deutlich und überzeugend dargestellt.

Ein kurzer und vor allem kurzweiliger Roman, der so gar nichts vom schönen Schein des Diplomatenlebens zeigt, dem Leser aber unterhaltsame bis nachdenkliche Einblicke erlaubt.

Veröffentlicht am 09.03.2022

Frank Heer - Alice

Alice
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Obwohl die Trennung von seiner Jugendfreundin Alice schon einige Zeit zurückliegt, ist Max Rossmann noch nicht ganz über sie hinweg. Als er jedoch in einem Club eine noch unbekannte Sängerin sieht, ist ...

Obwohl die Trennung von seiner Jugendfreundin Alice schon einige Zeit zurückliegt, ist Max Rossmann noch nicht ganz über sie hinweg. Als er jedoch in einem Club eine noch unbekannte Sängerin sieht, ist er sofort fasziniert von ihr. Sie heißt ebenfalls Alice und er nutzt seinen Job als Lokaljournalist beim Der Anzeiger, um über sie zu berichten und sich ein Interview mit ihr zu sichern. Sie nähern sich an, dank seines Berichts kommt Alice auch zu ungeahnter Popularität, doch dann verschwindet sie plötzlich. Dafür taucht die andere Alice wieder auf und Max wird bei seinem Zeitungsjob gefordert: nicht nur scheint ihn ein mysteriöser Anrufer zu stalken, auch die Erkenntnis, dass er nicht einfach alles berichten kann, wie er möchte, setzt ihm zu.

Frank Heer teilt einige Charakteristika mit seinem jungen Protagonisten: der Journalist schreibt ebenfalls über Musik und Film und lebt in Zürich. „Alice“ schildert nicht nur die Kompliziertheit von jugendlicher Liebe, sondern auch das Erwachsenwerden und Ankommen in einer Welt, in die man nicht hineinpasst, in der andere Werte gelten als die, von denen man überzeugt ist, und die vor allem aus Kämpfen zwischen den Generationen zu bestehen scheint. Der Autor fängt dabei nicht nur das Gefühl der Jugend ein, sondern auch das der 70er Jahre, das zwischen politischen Aktivismus und drogeninduziertem Eskapismus vor den Gräuel der Realität oszilliert.

Auch wenn die beiden Frauen Namensgeberinnen des Romans sind, ist doch Max die zentrale Figur, an der Heer die Konflikte des Heranwachsens authentisch abarbeitet. Die Erwartungen seiner Eltern, den biederen Anwaltsweg zu gehen, kann und will er nicht erfüllen. Zeiten von Sinnsuche, die hohe Identifikation mit Musik, die es schafft, die Emotionen zum Ausdruck zu bringen, für die ihm die Worte fehlen. Bei seiner Arbeit für die Zeitung lernt er nicht nur das Schreiben, sondern auch Zwänge kennen, von denen er nichts ahnte. Ungerechtigkeiten, die er empfindet, gehen gegen die Interessen des Besitzers und können nicht veröffentlicht werden. Der der Jugend eigenen Kampf für die großen Werte wird für ihn zur Zerreißprobe und er muss sich entscheiden, auf welcher Seite er stehen will.

Die beiden Alice könnten kaum verschiedener sein und doch oder vielleicht auch gerade deshalb haben sie ihren Reiz. Unterschiedliche Lebensentwürfe, in denen Max sich spiegelt und die er als Reflexionsfläche benutzt. Die Handlung ist auf eine kurze Spanne beschränkt, die Max auf eine emotionale Achterbahn schicken und Entscheidungen fordern. Die ganze Bandbreite des Lebens bricht über ihn herein, überfordert bisweilen, lässt ihn jedoch auch wachsen und seinen Platz finden.

Ein dichter, aber restlos überzeugender Roman, dem es gelingt, mit passender Atmosphäre die Zeit der Unsicherheit und des Schwankens einzufangen.

Veröffentlicht am 23.02.2022

Sasha Filipenko - Die Jagd

Die Jagd
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Anton Quint ist Journalist in Moskau, kein einfacher Beruf, vor allem nicht dann, wenn man gegen Korruption und für das Aufdecken illegaler Machenschaften kämpft. Er weiß, dass sein Job gefährlich ist, ...

Anton Quint ist Journalist in Moskau, kein einfacher Beruf, vor allem nicht dann, wenn man gegen Korruption und für das Aufdecken illegaler Machenschaften kämpft. Er weiß, dass sein Job gefährlich ist, schon vier seiner Kollegen sind ums Leben gekommen, auch die Geburt seiner Tochter und das eindringliche Bitten seiner Frau können ihn nicht aufhalten, denn er ist gerade einer großen Geschichte auf der Spur. Diese führt zu dem Oligarchen Slawin, der vorgeblich sein Vaterland liebt, was ihn aber nicht daran hindert, zig Immobilien im Ausland zu besitzen. Der Journalist ist ihm ein Dorn im Auge und so beauftragt er seinen Neffen Kalo und dessen Freund Lew, dafür zu sorgen, dass Quint das Land verlässt. Wie ist egal, ebenso die Kosten. Ein perfider Plan wird ausgeheckt und umgesetzt und Anton muss machtlos zusehen, wie sein Leben zerstört wird.

Bei gesellschaftskritischen oder politischen Romanen, drängt sich immer ein wenig die Frage auf, wie viel Meinung des Autors in dem Text steckt. Sasha Filipenko ist jenseits des Schreibens weißrussischer Aktivist – mit allen Gefahren, die dazugehören. Es mutet fast verwunderlich an, dass sein Roman „Die Jagd“ für die beiden größten russischen Literaturpreise nominiert war, wenn man sich die Brisanz des Inhalts anschaut. Es ist eine gnadenlose Abrechnung mit dem politischen System und der durch dieses gesteuerten Presse. Aber auch mit der Bevölkerung, die dies hinnimmt und sich eingerichtet hat.

„Ich bin unlogisch, und das gibt mir recht. Russland ist ein Land, in dem die Mehrheit nur Lügen glauben will.“

Lew hat als Kind in den 90ern den Abstieg seiner Familie miterlebt, von teuren Klamotten und Chauffeur und Privatschule ist nichts mehr geblieben. Er hat verstanden, dass er sich anpassen muss, wenn er in Russland überleben will. Das Angebot seines Schulfreunds für Onkel Wolodja, den Oligarchen, zu arbeiten, ist verlockend und bald schon füttert er das Internet mit Lügen und Erfindungen und hat sogar Spaß daran. Bis die große Aufgabe kommt, den unbequemen Journalisten zu vertreiben, die weitaus mehr erfordert.

Kalo und Lew wählen eine Strategie der Zermürbung. Seine Wohnung wird zum Kampfplatz, die „neuen Nachbarn“ tyrannisieren Anton und seine Familie. Daneben wird eine mediale Schmutzkampagne gestartet, die den vormals angesehenen Reporter schnell ins Abseits befördert, Freunde und Familie wenden sich von ihm ab, glauben das, was über ihn geschrieben wird, oder haben selbst so viel Angst vor Repressalien, dass sie sich schnell von ihm distanzieren.

„Vielleicht irre ich mich, aber mein erster Eindruck ist: Russland ist ein Land der Klischees. Die Leute sprechen mehrheitlich in den Parolen, die sie tags zuvor im Fernsehen aufgeschnappt haben. Es ist nicht üblich, Informationen zu verdauen.“

Filipenko schildert detailliert, wie einfach es ist, Anton zu diskreditieren und letztlich gesellschaftlich und beruflich zu töten. Noch dazu viel ungefährlicher, als ihn einfach zu töten, denn schnell springen andere mit auf den Zug auf und führen das fort, was Kalo und Lew initiiert haben. Besonders ironisch dabei eine Kurzgeschichte des Reporters, in der der fiktive TV Sender Execution-HD die Öffentlichkeit über vermeintliche Straftäter urteilen lässt. Hier: ein Blog-Beitrag ohne Inhalt. Die Empörung ist groß, man hat verstanden, was der Urheber damit sagen will und dafür gehört der Vaterlandsverräter hart bestraft. Was zu Beginn des Romans noch absurd amüsant anmutet, ist jedoch nur der Hinweis darauf, was Anton erwartet.

Man hat beim Lesen keine Zweifel, dass sich all dies genau so, wie es Filipenko schildert, zutragen könnte. Wer Geld hat und mit den richtigen Menschen befreundet ist, kann sich offenbar alles kaufen und alles erlauben. Kollateralschäden, wie Slawins eigener Sohn Alexander oder Antons Familie, werden billigend in Kauf genommen.

Man soll Literatur nicht zwingend als Abbild der Realität sehen, aber es fällt schwer, dies hier nach den Ereignissen in Russland und Belarus in den vergangenen Jahren zu trennen. Am erschreckendsten dabei, wie einfach der Plan ist, der reibungslos aufgeht. Ein Roman, der nachwirkt und kein gutes Gefühl zurücklässt.