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Veröffentlicht am 01.03.2022

Hier prickelt leider nichts

Der Winzerhof – Das Prickeln einer neuen Zeit
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Nicht nur Wiesbaden liegt 1945 in Trümmern, auch Hennis Leben ist ein einziger Trümmerhaufen. Es scheint als habe sich alles gegen sie verschworen, um ihr den Neuanfang so schwer wie möglich zu machen. ...

Nicht nur Wiesbaden liegt 1945 in Trümmern, auch Hennis Leben ist ein einziger Trümmerhaufen. Es scheint als habe sich alles gegen sie verschworen, um ihr den Neuanfang so schwer wie möglich zu machen. Ihr geliebter Ehemann wird in Russland vermisst, über den Verbleib von ihrer jüngsten Schwester Bille weiß niemand etwas und die heimische Sektkellerei ist auch nicht unbeschadet aus den Bombardements hervorgegangen. Aber Henni lässt sich nicht so leicht unterkriegen und krempelt die Ärmel hoch, denn schließlich gilt es das Familienerbe zu retten und in eine neue Zukunft zu führen...

Mit dem ersten Band der Winzerhof-Saga entführt Linda Winterberg ihre Leser:innen an den Rhein und lässt die vorherrschende desolate wirtschaftliche als auch persönliche Situation kurz nach Kriegsende für sie aus den Seiten steigen. Der Schreibstil ist wie gewohnt flüssig und sehr plastisch, ermöglicht einen Besuch der Sehenswürdigkeiten entlang des Rheins (Neroberg, Rüdesheim mit Niederwalddenkmal) und zeigt die Probleme des Wiederaufbaus, mit denen sich Henni herumschlagen muss.

Zwar ist Henni an und für sich eine starke Persönlichkeit, aber sie erscheint trotz allem unnahbar und fremd. Auch wenn sie etliche Schicksalsschläge verkraften muss, macht sie das nicht zugänglicher, sondern sie schirmt sich immer mehr von den Leser;innen ab und verwehrt ihnen so den Zugang zu ihrer Gefühls- & Gedankenwelt.

Lisbeth ist ein ganz schön durchtriebenes Früchtchen, eifersüchtig hoch zehn und überlegt die ganze Zeit, wie sie zum vernichtenden Schlag gegen ihre große Schwester ausholen kann. Sie lässt keine Gelegenheit aus, um Henni nicht nur Steine, sondern echte Felsbrocken vor die Füße zu werfen, um ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Mit Heimkehrerin Bille zieht ein wenig die Sanftmut in die Handlung ein, aber auch hier macht das Schicksal nicht halt und schlägt unbarmherzig zu. Alle Achtung, wie sie den Umgang mit dem Verlust meistert und immer wieder all ihre Kräfte mobilisiert, um nach vorn zu blicken.

Linda Winterberg packt bereits in den Auftakt ihrer Familien-Saga so unglaublich viele Themen, Drama und Leid, sodass den Leser:innen der Kopf schwirrt und man sich unweigerlich fragt, was denn da in den folgenden zwei Bänden noch passieren soll, da eigentlich schon alles erzählt ist.

Der Markt wird momentan geradezu überschwemmt von Familiengeschichten, deren Handlung in der Nachkriegszeit angesiedelt ist und bei denen es immer darum geht, dass eine junge Frau für das Fortbestehen des Familienunternehmens verantwortlich ist. Leider gleichen sich die Bücher in Aufbau und Handlung doch sehr, sodass es auch hier nicht wirklich viel Neues zu lesen gibt.

Das Buch hebt sich leider nicht aus der breiten Masse ab und daher kann ich nur 3 Sternchen vergeben. Auf die Fortführung der Reihe werde ich verzichten.


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Veröffentlicht am 28.02.2022

Generationenroman

Via Torino
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3 Frauen, deren familiäre Geschichte untrennbar mit Italien verbunden ist und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Großmutter, Mutter und Tochter begeben sich auf die Reise nach Sizilien, um ...

3 Frauen, deren familiäre Geschichte untrennbar mit Italien verbunden ist und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Großmutter, Mutter und Tochter begeben sich auf die Reise nach Sizilien, um den letzten Wunsch von Eleonoras Mann zu erfüllen. Aber diese Reise ist nicht nur ein Abschiednehmen, sondern die Zwangsgemeinschaft auf Zeit muss sich der eigenen Vergangenheit stellen, um alte Wunden heilen zu lassen und sich endlich mit all den ungesagten Worten auseinanderzusetzen, die immer wieder für Unstimmigkeiten gesorgt haben....


"Via Torino" erzählt über 3 Generationen hinweg die Geschichte starker Frauen, deren Lebenswege einen gemeinsamen Nenner haben - Italien. Von den Arbeiteraufständen im Fiat-Werk über Schubladendenken und Vorurteile bis hin zum ausländerfeindlichen Mobbing in der Schule werden hier alle Themen behandelt, die den Frauen einen Stempel aufdrücken und sie "anders" sein lassen.

Gerade zu Beginn des Buches fällt es den Leser:innen schwer, sich in die Geschichte einzufinden, denn die Sprünge zwischen den Ereignissen in den betreffenden Jahrzehnten und die Orientierung, wer wo gerade steht, ist doch recht mühsam.

Die Familiengeschichte lebt von den drei unterschiedlichen Charakteren, die zwar Stärke und einen gewissen Eigensinn vermitteln, jedoch lassen eben jene Eigenschaften die Figuren auch an manchen Stellen unnahbar erscheinen, sodass ich viele Szenen nur beobachte, anstatt mich in sie hineinziehen zu lassen.

Der historische Hintergrund ist sauber recherchiert, bringt aber mitunter einige Längen in den Roman ein, sodass hier die Rahmenhandlung mehr Raum einnimmt und das Handeln und die Gefühle der Protagonistinnen beschneidet. Zwar kann man die Entwicklung der Frauen über die Jahrzehnte begleiten, aber ihre Gefühle und Gedanken sind mir einfach zu wenig zugänglich, sodass hier der Umgang mit den Brüskierungen, Anforderungen als alleinerziehende Mutter und die Suche nach den eigenen Wurzeln eher eine nebensächliche Rolle einnimmt. Dabei bietet gerade diese Konstellation so unglaublich viel Potenzial, um hier zu zeigen, wie es gelingt, mit offener Provokation, unterdrückten Gefühlen und den generationsübergreifenden Problemen umzugehen. Die Frauen verbindet mehr, als sie ahnen und genau dieser Aspekt hätte in meinen Augen mehr ausgearbeitet werden müssen.

Was wiederum sehr gut gelungen ist, ist die Umsetzung des italienischen Flairs. Die Begeisterung der Autorin für das Mediterrane spüren die Leser:innen sehr deutlich und lassen die Kulisse sehr authentisch wirken.

Alles in allem ein solider Generationenroman, der zum Schluss alte Wunden heilen lässt, mit der Vergangenheit versöhnt und den Blick nach vorn richtet.

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Veröffentlicht am 26.02.2022

Natur redet eine wunderbare Sprache (Karl Foerster)

Flower Girls
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"Flower Girls" zeigt einen Querschnitt von Gartenbloggerinnen, die nicht nur einen grünen Daumen haben, sondern auch mit Leidenschaft und ganz viel Liebe ihren Gärten in blühenden Schatzkästchen verwandeln.

Üppige ...

"Flower Girls" zeigt einen Querschnitt von Gartenbloggerinnen, die nicht nur einen grünen Daumen haben, sondern auch mit Leidenschaft und ganz viel Liebe ihren Gärten in blühenden Schatzkästchen verwandeln.

Üppige Blütenpracht, leckeres Obst und Gemüse aus eigenem Anbau und ein Händchen für dekorative Gestaltung sind Garanten für hohes Interesse an ihren Blogs. Die geführten Interviews zeigen die Bloggerinnen von ihrer ganz persönlichen Seite, die mal chaotisch, mal perfekt durchstrukturiert ist. Sie erzählen von den Anfängen ihrer Garten"kunst", ersten Gehversuchen, von Rückschlägen und Schneckenplagen und dem unbändigen Stolz ihrer überbordenden Freude, wenn alles grünt und blüht.

Bekannte Namen sind darunter wie Fräulein Grün, Hauptstadtgarten, Berlingarten , aber auch mir bisher noch nicht so geläufige Namen (Osmers, Krauskopf), deren Blogs es noch zu entdecken gilt.

Das Buch wird garniert mit hilfreichen Tipps - hier muss ich die Homöopathie im Garten ganz besonders hervorheben - Rezepten, Bastel- & Dekorationsanleitungen und wunderschönen Fotos, die zwar hübsch anzusehen sind, aber den Eindruck vermitteln, sehr gestellt und durchgestylt zu sein.

So wirkt das Buch auf mich sehr steril und sauber, sodass mitunter nicht das Gefühl übertragen wird, dass die gartelnden Bloggerinnen tatsächlich in der Erde buddeln, schwarze Ränder unter den Fingernägeln haben und mit dreckigen Hosen durch ihre Gartenparadiese streifen. Vielmehr hat es den Anschein, als würde dieses Buch ein geschickter Werbefeldzug sein, um auf den eigenen Blog aufmerksam zu machen, da hier die Verweise auf die Internetseiten, Insta-Accounts und bereits veröffentlichten Gartenbücher zu finden sind.

Hervorzuheben ist noch die besondere Gestaltung des Vorsatzpapieres, denn seine Ausstanzung als Passepartout gefällt mir sehr gut und unterstricht das Gartenthema perfekt.

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Veröffentlicht am 24.02.2022

Schön in jedem Alter

In voller Blüte
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Im Zeitalter von Instagram und Photoshop älter werden, ohne sich in die gängigen Schubladen pressen zu lassen - genau das hat sich Denise Boomkens zum Lebensmotto gemacht und steht zu ihren sichtbaren ...

Im Zeitalter von Instagram und Photoshop älter werden, ohne sich in die gängigen Schubladen pressen zu lassen - genau das hat sich Denise Boomkens zum Lebensmotto gemacht und steht zu ihren sichtbaren Zeichen des Älterwerdens. Mit Stolz, Lebensfreude und der immer noch vorhandenen Neugier auf das Leben selbst dürfen bei der Fotografin 100 Frauen von ihren Geschichten erzählen, wie sie nur das Leben schreiben kann und deren sichtbare Spuren sie tragen- teils mit Stolz, teils mit Wehmut.

Es sind ihre Erfahrungen, die Mut machen, sich selbst und das eigene Alter anzunehmen, zu akzeptieren und zu lieben, denn die Schönheit des Alters hat eines der Jugend voraus- Erfahrungen und ganz viel Selbstliebe.

Die Porträts zeigen Frauen im Alter zwischen 40 und 100 Jahren, die absolut authentisch sind und keine Angst davor haben, sie selbst zu sein. Sie erzählen mal nachdenklich, mal tiefgründig, mal verträumt oder vorwitzig von ihren unterschiedlichen Sichtweisen, die allesamt neugierig auf die Person hinter der Geschichte machen.

In den Fotografien dürfen sie mit Stolz ihr gealtertes Ich zeigen - jede Falte, jedes graue Haar und vor allen Dingen das offene, ehrliche Lachen steht für die gelebte Schönheit des Alters.

Allerdings vermisse ich hier wirklich die Vielfalt an Fotografien und Geschichten von Frauen, die die 60 bereits deutlich überschritten haben. Ihre Fotos könnten so viele interessante Eindrücke vermitteln, denn es sind die sichtbaren Merkmale eines gelebten Lebens, die sich hier prägend eingegraben haben und mit jeder Runzel, jeder Falte über Schicksale und Gefühle berichten. Wo sind die Fotos der Frauen, die in den 1920ern bis 1950ern geboren wurden, denn auch sie sind schön in jedem Alter, haben die Kunst des Älterwerdens und einen Jahrhundertwechsel erlebt...und genau diese Blickwinkel, Geschichten und Fotos hätten mich brennend interessiert.

So bleibt der Bildband ein Abbild der Generation Golf und kann leider nicht mit der Vielschichtigkeit aufwarten, die ich mir erhofft habe. Zwar stehen diese Frauen wirklich noch in voller Blüte, aber mir sind die Aufnahmen noch zu glatt und schnörkellos.

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Veröffentlicht am 14.02.2022

Dieses Debüt polarisiert

Nordstadt
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Nene hat bisher wenig Glück aus dem Füllhorn des Lebens abbekommen, aber sie macht das Beste daraus. Ihr Job als Bademeisterin im Schwimmbad gibt Kontinuität, Ruhe und Stabilität, bis Boris seine Bahnen ...

Nene hat bisher wenig Glück aus dem Füllhorn des Lebens abbekommen, aber sie macht das Beste daraus. Ihr Job als Bademeisterin im Schwimmbad gibt Kontinuität, Ruhe und Stabilität, bis Boris seine Bahnen im Wasser zieht. Boris ist anders als alle, die Nene kennengelernt hat – auch ihn plagen die Geister der Vergangenheit. Aber Boris kann sich Nene nicht entziehen, denn so hartnäckig sie sich auch in seinem Leben breit macht, so liebenswert ist sie auch…

Mit ihrem Debütroman „Nordstadt“ spaltet Annika Büsing die Leserschaft, denn ihr Roman packt heiße Eisen an – Gewalt in körperlicher, seelischer und sexualisierter Form wird hier geradezu großzügig in der Handlung verteilt und ruft Bilder hervor, die verstörend sind. Für Betroffene, die diesen Roman lesen, befindet sich glücklicherweise eine Triggerwarnung gleich zu Beginn des Romans, sodass es jedem/jeder selbst überlassen ist, um zu diesem Buch zu greifen.

Nene ist, wie eigentlich alle Figuren im Buch, eine Anti-Heldin, die aus ihrem Leben erzählt. Jedoch vergisst sie ab und zu, Luft zu holen, Pausen einzulegen und das soeben Gehörte auch einmal sacken zu lassen. Vom Alkohol abhängigen Vater verprügelt, als Teenie vergewaltigt, muss sie sich erst wieder selbst finden, um Fuß zu fassen. Dabei legt sie einen ziemliche derben und vulgären Sprachjargon an den Tag, der die Leser;innen mehr auf Abstand hält, anstatt sie mit ins Vertrauen zu ziehen. Vielmehr vermittelt sie das Gefühl, allein gegen ihre Windmühlen ankämpfen zu müssen, da ihr sowieso niemand zuhört oder sie gar liebt.

Mit Boris erscheint ein junger Mann auf der Bildfläche, der ebenfalls Häme ertragen muss – seine Beeinträchtigung durch die Kinderlähmung stempelt ihn zum Außenseiter und mit der Wahrheit nimmt er es auch nicht so genau.

Beide gehen eine Art Beziehung ein, die mal gute, mal weniger gute Tage kennt und die davon lebt, dass sich beide selbst nicht ganz so ernst nehmen. Es blitzt immer wieder mal Humor durch, der ganz viele Facetten zeigen darf- ironisch, sarkastisch, tiefgründig und oder einfach nur lax. Aber vor allen Dingen merken die Leser:innen, dass die Beziehung den beiden gut tut und sie regelrecht aufblühen. Es gibt Momente, in denen Nene und Boris richtig sympathisch sind und sie mich von sich überzeugen können. Dann dreht sich aber der Wind und beide stoßen mich wieder von sich ab.

Ein Auf und Ab der Gefühle, ein ständiges Kommen und Gehen von Sympathie und Antipathie, aber trotzdem ist die Botschaft klar formuliert- Urteile nicht über Menschen, die du nicht kennst, denn du weißt nie, welches Schicksal dahintersteckt.

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