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Veröffentlicht am 22.11.2017

Lost Places warten darauf, entdeckt zu werden

Die Burg am Mondsee
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Für Tessa Donkert zeichnet sich eine glückliche Zukunft ab, als sie den Star-Architekten Burghardt Faerber heiratet, nachdem er ihren geschichtsträchtigen Familienstammsitz Burg Weidenau zu einem erstklassigen ...

Für Tessa Donkert zeichnet sich eine glückliche Zukunft ab, als sie den Star-Architekten Burghardt Faerber heiratet, nachdem er ihren geschichtsträchtigen Familienstammsitz Burg Weidenau zu einem erstklassigen Tagungshotel umgebaut hat. Doch das Glück soll nicht lange anhalten, bald wird Tessas neues Leben von einem schweren Schicksalsschlag überschattet...
Mehr als hundert Jahre früher lebte eine andere junge Frau auf Weidenau, Raquel Vossberg. Sie ist die Gesellschafterin von Jakob Martin Donkerts frisch angetrauter Ehefrau Anna Margarethe und blickt auf eine ungewöhnliche Lebensgeschichte zurück...

Die Burg am Mondsee ist Carolin Raths zweiter Familiengeheimnis-Roman, baut aber nicht auf dem vorangegangenen Das Erbe der Wintersteins auf, sondern ist ein völlig eigenständiges Buch.

Die beiden Zeitschienen der Gegenwart und der Vergangenheit wechseln sich ab, nach jedem Tessa-Kapitel folgt ein Raquel-Kapitel. Dieser Aufbau gefiel mir sehr gut, weil er das Lesen sehr abwechslungsreich macht, obendrein viel Spannung aufbaut, und auch weil so die Parallelen zwischen den beiden Handlungssträngen deutlich zu Tage treten.
Beim letzten Buch gefiel mir die Geschichte aus der Vergangenheit besser als die aus der Gegenwart, diesmal könnte ich mich nicht entscheiden, denn beide Teile sind gut gelungen und fügen sich vor allem sehr harmonisch zusammen, so dass die Handlung wie aus einem Guss wirkt.

Ich würde Carolin Raths Romane zwar nicht in eine Reihe mit den Büchern von beispielsweise Kate Morton (meine persönliche Genre-Königin) stellen, weil Mortons Geschichten doch um einiges vielschichtiger sind, mehr Perspektiven bieten und dadurch auch verzwickter und komplizierter sind, aber mit beispielsweise einer Rebecca Martin kann Frau Rath meiner Meinung nach locker mithalten. Das liegt vor allem an ihrem gefälligen Stil, der mir das Lesen wirklich leicht macht und mich problemlos ins Geschehen eintauchen lässt.

In kritischen Rezensionen habe ich gelesen, dass das Buch als zu seicht, beziehungsweise fast groschenromanartig empfunden wurde - der Meinung kann ich mich nicht anschließen. Natürlich ist es keine "große Literatur", aber der Leser bekommt eigentlich ganz genau, was das Cover verspricht: ein "Mädchenbuch", eine Familiensaga, ein Familiengeheimnis, und ja - auch eine unkomplizierte Geschichte, in die man an einem verregneten Wochenende oder an einem faulen Tag am Strand eintauchen kann, weil sie sich gemütlich wegschmökern lässt. Zumindest ich habe öfter mal Lust auf genau so ein Buch, denn manchmal möchte ich mich beim Lesen einfach nur entspannen und ein wenig abschalten ;)

Wer also gerade auf der Suche nach etwas anspruchsvollem und fordernden ist, sollte vielleicht lieber zu einem anderen Buch greifen, wer aber Lust hat, die Vergangenheit und Gegenwart einer malerischen Burg und ihrer Bewohner zu erkunden, ist hier richtig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Dramaturgie
  • Lesespaß
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.09.2017

Todesliste aus der Zeitkapsel

SOG
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Nach ihrem letzten gemeinsamen Fall sind Ermittler Huldar und Psychologin Freyja auf der Karriereleiter ein paar Stufen abwärts gestolpert. Huldar bekommt nur noch irgendwelche Lappalien zugeteilt und ...

Nach ihrem letzten gemeinsamen Fall sind Ermittler Huldar und Psychologin Freyja auf der Karriereleiter ein paar Stufen abwärts gestolpert. Huldar bekommt nur noch irgendwelche Lappalien zugeteilt und wird bei allen größeren Fällen außenvorgelassen, Freyja ergeht es ähnlich. Da liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei Huldars neuestem Fall wieder um reine Zeitverschwendung handelt: in einer Zeitkapsel, die vor zehn Jahren mit den Zukunftsvisionen einiger Neuntklässler bestückt und vergraben wurde, wurde eine Todesliste entdeckt, die die Initialen sechs potentieller Mordopfer enthält. Handelt es sich um einen makaberen Scherz, oder um Frustabbau eines verwirrten Teenagers, oder droht echte Gefahr? Gerade als Huldar Freyja hinzuziehen will, werden nach einem anonymen Tipp zwei abgetrennte Hände in einem Hot Tub gefunden. Zufall?

SOG ist der zweite Band in der Reihe um Huldar und Freya, der Vorgängerband trägt den Titel DNA und hat mir richtig gut gefallen - dass ich die Reihe weiterverfolgen werde, war sofort klar.
Und Yrsa Sigurdadottir konnte mich mit der Fortsetzung von neuem überzeugen:
Ein extrem spannender und verwickelter Fall mit einer schlüssigen Auflösung, bei dem ich aber bis zum Ende im Dunkeln tappte, was den Täter angeht.

Im Vorgängerband gab es jeweils eingeschobene Kapitel aus der Sicht der Opfer, in denen der Leser ihre letzten Minuten miterlebte, bevor sie dem Serienmörder in die Hände fielen. Dadurch wurde zum einen sehr viel Spannung aufgebaut, und zum anderen große Empathie geweckt. In diesem Buch weicht die Autorin von diesem Erzählstil ab, was ich zuerst etwas schade fand, aber am Ende dann doch nachvollziehen konnte.

Die beiden Protagonisten stecken in einer etwas schwierigen Phase, zum einen beruflich, und zum anderen zwischenmenschlich, was ihrer Zusammenarbeit nicht unbedingt zuträglich ist. Huldar hat immer noch einen untrüglichen Riecher für jedes Fettnäpfchen, das im Weg steht, aber im Großen und Ganzen wirkt er eigentlich souveräner als im Vorgängerband. Freyja setzt ihre Degradierung schwerer zu als Huldar, sie gibt ihm die Schuld daran und wirkt zu Beginn ziemlich übellaunig und phlegmatisch, was sich aber im Lauf der Handlung wieder etwas normalisiert.

Ich mag an dieser Reihe, dass der Handlungsschwerpunkt auf dem jeweiligen Fall und den Ermittlungen liegt, und die Privatproblemchen der Figuren nur sehr sparsam dosiert thematisiert werden, wenn es auch erforderlich ist. Gerade wenn solche Reihen länger laufen, habe ich oft das Gefühl, dass es andersherum ist, und man sich lange Kapitel mit dem Seelenleben des gebrochenen Ermittlers auseinandersetzen muss, bevor man wieder ein Häppchen Täterjagd serviert bekommt.

Insgesamt ist SOG eine richtig gut gelungene Fortsetzung der Reihe, die man allerdings auch für sich alleine lesen kann, weil es sich um eine neue Ermittlung handelt und keine Vorkenntnisse notwendig sind. Ein paar Stellen nehmen zwar Bezug auf DNA, um zu erklären, warum aus der Leiterin des Kinderhauses und dem Leiter der Mordkommission wieder einfache Mitarbeiter geworden sind, aber theoretisch wäre es sogar möglich, die beiden Bücher in der umgekehrten Reihenfolge zu lesen.

Veröffentlicht am 16.08.2017

Musik spendet Trost in einer dunklen Zeit

Der Frauenchor von Chilbury
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Kent, im Frühjahr 1940: Der Zweite Weltkrieg hat gerade erst begonnen, doch im kleinen Dorf Chilbury wurden bereits alle Männer des Gemeindechors einberufen oder zum Dienst an der Heimatfront versetzt. ...

Kent, im Frühjahr 1940: Der Zweite Weltkrieg hat gerade erst begonnen, doch im kleinen Dorf Chilbury wurden bereits alle Männer des Gemeindechors einberufen oder zum Dienst an der Heimatfront versetzt. Das veranlasst den Vikar dazu, den Chor kurzerhand aufzulösen, womit sich die Chordamen - wenn auch zähneknirschend - abfinden müssen. Zumindest bis die resolute Prim auf der Bildfläche erscheint. Sie ist Musikprofessorin, und der festen Überzeugung, dass gerade in schweren Zeiten gar nicht genug gesungen werden kann. Dank dieser energischen Dame findet sich also bald der neugegründete "Frauenchor von Chilbury" zu seiner ersten Probe zusammen.

Chilbury ist nur scheinbar ein verschlafenes Dörfchen in der Provinz, denn hinter den Kulissen tun sich wahre Abgründe auf. Aus der Sicht von fünf weiblichen Hauptfiguren, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, erkundet der Leser die dichten Verflechtungen innerhalb der Dorfgemeinschaft.

Den Anfang macht die Gemeindeschwester Mrs. Tilling, bereits seit vielen Jahren verwitwet, deren einziger Sohn sich freiwillig gemeldet hat. Ihr Gegenpol, die etwas einfach gestrickte Hebamme Edwina Paltry, hat hochfliegende Pläne, scheitert aber meistens an deren Umsetzung. Die Schwestern Venetia und Kitty Winthrop, die sich nicht sonderlich gut leiden können, lernt man im Anschluss kennen. Die 18-jährige Venetia ist eine kleine Lolita, die allen Dorfjünglingen den Kopf verdreht, die 13-jährige (fast vierzehn!) kindlich-naive Kitty möchte später einmal Sängerin werden und sieht im Chor die richtige Basis für dieses Vorhaben. Zu guter Letzt gibt es noch das stille tschechische Flüchtlingsmädchen Silvie, das wenig spricht, aber viel hört.
Mrs. Tilling, Kitty und Silvie führen ein Tagebuch, Venetia und Edwina stehen in regem Briefkontakt - Venetia mit ihrer Freundin Angela, Edwina mit ihrer Schwester.
Die einzelnen Abschnitte in Form von Tagebucheinträgen und Briefen wechseln sich chronologisch in schnellem Rhythmus ab, so dass der Leser oftmals dasselbe Ereignis aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann. Dies machte für mich zum Großteil den Reiz des Buches aus: durch die abweichende Motivlage, Bildung und Herkunft der Protagonistinnen findet man hier immer wieder einen Anlass zum Schmunzeln, denn Jennifer Ryan erzählt ihre Geschichte stets mit einem kleinen Augenzwinkern.

Trotz der häufigen Perspektivwechsel kam nie Verwirrung auf, wer denn nun gerade im Fokus steht, denn stilistisch unterscheiden sich die einzelnen Passagen erheblich voneinander. Man merkt sofort, ob gerade die abgeklärte Mrs. Tilling, die jugendliche Kitty oder die etwas linkische Edwina am Zug ist. Trotzdem fand ich es schön, dass der Verlag zur Verdeutlichung unterschiedliche Schriftarten verwendet hat, wodurch der Charme dieser ungewöhnlichen Erzählweise noch unterstrichen wird.

"Der Frauenchor von Chilbury" wäre für mich fast ein perfekt gelungenes Buch gewesen, doch leider habe ich auch noch zwei Details, über die ich gestolpert bin. Es gibt eine Szene im Buch, in der viele Verletzte zu versorgen sind. In einem Nebensatz wird erwähnt, dass Mrs. Tilling sogar eine abgetrennte Hand wieder annähen musste. Mir ist klar, dass in Kriegszeiten medizinische Standards ihre Gültigkeit verlieren, aber dennoch wird eine solche Operation die Fähigkeiten einer Krankenschwester wohl weit übersteigen, und selbst für einen Chirurgen dürfte das im Jahr 1940 und unter idealen Umständen noch Zukunftsmusik gewesen sein.
Was ebenfalls völlig aus der Zeit gefallen schien, war die Beschreibung der Damenmode. Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet, aber ein Fan alter Filme, und in den späten 30ern und den Kriegsjahren war die Mode insgesamt wohl eher schlicht und geradlinig. Daher fand ich es irritierend, dass Venetia Petticoats unter weit schwingenden Kleidern und Röcken trägt- ein Stil, der erst in den 50er-Jahren populär wurde, als man mit Stoff auch wieder so verschwenderisch umgehen konnte.

Darum gibt es von mir zwar nur vier statt fünf Sterne, aber trotzdem eine Empfehlung für dieses wunderbare Buch. Der raffinierte Aufbau und Jennifer Ryans einzigartiger Stil sorgen für genüssliche Lesestunden und eröffnen eine ungewöhnliche Sicht auf das erste Kriegsjahr, indem der Fokus auf die Menschen in der Heimat, und nicht auf die Soldaten an der Front gelegt wird.

Veröffentlicht am 07.08.2017

Die ersten beiden Bände der Kultreihe im Doppelpack

Agatha Raisin & Der tote Richter / Der tote Tierarzt
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Vor kurzem wurde auf ZDFneo die erste Staffel der Serie Agatha Raisin ausgestrahlt. Für Cosy-Crime-Serien bin ich immer zu haben, und der Pilotfilm um die Todesquiche hat mich auch gleich vollends überzeugt. ...

Vor kurzem wurde auf ZDFneo die erste Staffel der Serie Agatha Raisin ausgestrahlt. Für Cosy-Crime-Serien bin ich immer zu haben, und der Pilotfilm um die Todesquiche hat mich auch gleich vollends überzeugt. Ich habe schon öfter von der Buchreihe gehört, aber erst die Serie hat mir den Anstoß gegeben, sie nun auch wirklich endlich anzufangen.

Worum geht es also? Agatha Raisin führt ihre eigene PR-Agentur in London. Sie hat damit großen Erfolg, ihre Kunden vergöttern sie, und sie konnte in den vergangenen Jahren einigen Wohlstand anhäufen. Mit Mitte 50 ist es nun an der Zeit endlich ihren wahren Lebenstraum zu verwirklichen: die Agentur verkaufen, ein hübsches Cottage in den Cotswolds erwerben und sich zur Ruhe setzen. Im vermeintlich verschlafenen Dorf Carsely findet sie den idealen Altersruhesitz. Agatha will unbedingt von der Dorfgemeinschaft aufgenommen werden, also entschließt sie sich, an einem Backwettbewerb teilzunehmen. Da sie eine miserable Köchin ist, und ihre Fähigkeiten auf die Bedienung einer Mikrowelle begrenzt sind, ist sie praktisch dazu gezwungen, die Wettbewerbsregeln zu umgehen - doch leider endet das mit einem toten Preisrichter und Aggie wird zur vermeintlichen Giftmörderin abgestempelt.

Ich muss leider sagen, dass das erste Buch, das die Vorlage zum genialen Pilotfilm lieferte, für mich etwas enttäuschend war. Man findet kaum etwas vom Humor der Serie darin wieder, die Serien-Agatha wurde um ganze zehn Jahre verjüngt, liebgewonnene Figuren aus der Serie gibt es im Buch entweder gar nicht (Gemma) oder in einer etwas anderen Variante und mit weit weniger Bedeutung für die Handlung (Roy Silver).

Im Mittelpunkt stehen weniger der Mordfall und Agathas Ermittlungen, sondern ihr Hadern mit dem Ruhestand und dem Landleben. Die meiste Zeit beschäftigt sich die Protagonistin also eher mit der Frage, ob sie zurück nach London gehen und ihre Karriere wiederaufnehmen sollte - der Mordfall wird dann mehr oder weniger im Vorbeigehen gelöst.

Dazu kommt noch, dass die Romanvorlage schon ein wenig älter ist, das erste Buch erschien in England bereits 1992. Manches wirkt ziemlich angestaubt, also hat man für die Verfilmung die Geschichte einfach in die heutige Zeit übertragen. Ich lese öfter ältere Bücher, mich persönlich hat es also nicht gestört, dass man zum Telefonieren einen Festnetzanschluss und für die Recherche eine Bücherei braucht, und nicht alles übers Smartphone erledigt wird. Aber gerade auf jüngere Leser dürfte das ziemlich irritierend wirken, vor allem wenn sie nach der Serie die Bücher in Angriff nehmen.

Am Ende des ersten Buches hatte ich mich also schon damit abgefunden, dass ich hier auf einen der seltenen Fälle gestoßen bin, in denen die Verfilmung die Vorlage um Längen übertrifft. Allerdings hat mich dann die zweite Hälfte des Doppelbandes positiv überrascht: Kaum hat Agatha sich endgültig für Carsely und gegen London entschieden, wird im nächsten Fall um den toten Tierarzt richtig ermittelt und die Hobby-Detektivin läuft zur gewohnten Hochform auf. Endlich taucht die Agatha auf, die man in der Serie so liebenswert fand: schrullig, witzig und mit einem Händchen für die Lösung schräger Mordfälle.

Hätte ich die Bände einzeln gelesen, hätte ich Agatha Raisin und der tote Richter bestenfalls mit 3 Sternen bewertet (kann man schon mal lesen, muss aber auch nicht unbedingt sein), Agatha Raisin und der tote Tierarzt aber auf jeden Fall mit 4 Sternen. So habe ich mich nun insgesamt für 4 Sterne entschieden und werde auch auf jeden Fall weitere Bände der Reihe lesen.

Veröffentlicht am 22.05.2017

Das Schicksal geht verschlungene Wege

Das Seehaus
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Cornwall, 1933: Auf dem Anwesen der Familie Edevane wird wie jedes Jahr eine große Mittsommerparty mit hunderten Gästen gefeiert. Erst als am nächsten Morgen die Champagnerlaune verflogen ist, wird das ...

Cornwall, 1933: Auf dem Anwesen der Familie Edevane wird wie jedes Jahr eine große Mittsommerparty mit hunderten Gästen gefeiert. Erst als am nächsten Morgen die Champagnerlaune verflogen ist, wird das Fehlen des kleinen Theo bemerkt. Er ist der elf Monate alte Sohn der Edevanes, und von ihm fehlt jede Spur. Was ist geschehen - ist er im Partytrubel unbemerkt fortgelaufen und hat sich verirrt? Wurde er entführt?
Cornwall, 2003: Polizistin Sadie befindet sich im Zwangsurlaub bei ihrem Großvater Bertie. Die ungewohnte Freizeit geht ihr schon nach wenigen Tagen auf die Nerven. Beim Joggen stößt sie auf ein altes Landhaus, das augenscheinlich schon seit Jahrzehnten verlassen ist, und damit auf die Geschichte von Theo Edevane, dessen Verschwinden nie aufgeklärt wurde. Der alte Fall fasziniert Sadie vom ersten Moment an, und sie will nach sieben Jahrzehnten endlich herausfinden, was dem Kind damals zugestoßen ist.

Kate Mortons Steckenpferd sind Romane, die sich um ein düsteres Familiengeheimnis entfalten. Nach "Der verborgene Garten" war "Das Seehaus" für mich der zweite Morton-Roman, und ich war wieder begeistert - für mich ist sie wirklich ein Meisterin dieses Genres.
Wo sich die meisten anderen Autoren auf zwei schlichte Zeitstränge in der Vergangenheit und der Gegenwart mit je einer Protagonistin beschränken, wechseln bei Kate Morton ständig die Perspektiven und mit jedem Kapitel bekommt der Leser neue Blickwinkel präsentiert. Auch wenn man sich vielleicht in den ersten Kapiteln von den vielen Figuren etwas überfordert fühlt, lohnt es sich definitiv durchzuhalten.

Der Schreibstil der Autorin ist einerseits sehr bildreich, die wunderschöne kornische Landschaft und das schlafende Anwesen standen mir beim Lesen detailliert vor Augen. Andererseits gelingt es ihr auch mühelos, Spannung aufzubauen und beinahe jedes Kapitel mit einem Cliffhanger zu beenden, der zum sofortigen Weiterlesen animiert - trotz des doch beträchtlichen Umfanges hatte ich das Buch in nur zwei Tagen "durchgesuchtet".

Auch die Figurenzeichnung hat mich überzeugt: Weder gibt es eine übertriebene Schwarz-Weiß-Zeichnung, noch wirken die Figuren farblos oder gar austauschbar. Einige Male hatte ich von einer Person schon eine ziemlich klare Vorstellung, die aber dann durch ein oder mehrere Kapitel aus der Sicht dieser Figur nochmal völlig über den Haufen geworfen wurde. Kate Morton spielt gerne mit den Erzählperspektiven, und die Wahrnehmung von innen und nach außen kann unter Umständen sehr stark auseinandergehen. Dadurch wirkt ihr Personal sehr real, und eine eher distanzierte Figur kann ganz unerwartet zum Sympathieträger mutieren.

Wer gerne Familiengeschichten liest, ist mit diesem Buch sicher gut beraten - die ideale Lektüre zum Abtauchen und Miträtseln oder um einfach ein verregnetes Wochenende zu genießen.
Für die Höchstwertung reicht es nicht ganz, weil ich etwa in der Mitte des Buches eine Idee zur Auflösung hatte, die sich am Ende als richtig herausgestellt hat - da es aber trotzdem bis zur letzten Seite sehr spannend blieb, vergebe ich 4 Sterne.