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Veröffentlicht am 07.04.2022

Düstere Endzeit mit einem Schreibstil der mit Poesie und Härte spielt

Der letzte Traum
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Der Letzte Traum ist kein typischer post-apokalyptischer Roman. Wer ein lautes, knallendes Ende der menschlichen Welt sucht ist fehl am Platz, hier ist begegnet dem Leser ein langsames, stilles Vergehen. ...

Der Letzte Traum ist kein typischer post-apokalyptischer Roman. Wer ein lautes, knallendes Ende der menschlichen Welt sucht ist fehl am Platz, hier ist begegnet dem Leser ein langsames, stilles Vergehen. Ein Fahrrad-Roadtrip der Ich-Erzählerin führt uns durch die USA, vorbei an den verfallenden Resten der Zivilisation. Die auftretenden Charaktere sind einzigartig und auf eine derart bildhafte Weise geschildert, dass sie geradezu lebendig werden, was sich wundervoll mit der post-apokalyptischen Leblosigkeit kontrastiert.
Und Kontrast ist auch ein perfektes Wort, um den Schreibstil zu definieren: Es handelt sich dabei um ein Spiel von Ambivalenzen, von Ungenauigkeit und Überdeutlichkeit, von poetischer Tiefsinnigkeit und Derb-Obszönen. Habe ich so noch nie gelesen. Und es funktioniert hervorragend; Stil, Thematik und Handlung passen so gut zueinander, dass, als ich etwa bei der Hälfte des Buches angelangt, die Sorge bekam, kein Ende könnte dieser Geschichte angemessen werden, kein Abschluss könnte sich richtig, rund, befriedigend anfühlen. Und weil die Seiten nur so dahinflogen, erreichte ich das Ende schneller als gedacht. Und was für ein Ende es ist! Würde einen Extra-Stern vergeben, wenn es möglich wäre.
Fazit: Spannender Roman mit einem genuin einmaligen Schreibstil. Empfehlung für alle, deren Nerven der Triggerliste standhalten.

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Veröffentlicht am 31.03.2022

Historische Phantastik in der Tradition nordischer Sagas

Schildmaid
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Bei Schildmaid von Judith & Christian Vogt handelt es sich, anders als der Text auf der Rückseite impliziert, um keine moderne Neuinterpretation nordischer Sagen im Sinne eines re-telling, wie es in jüngster ...

Bei Schildmaid von Judith & Christian Vogt handelt es sich, anders als der Text auf der Rückseite impliziert, um keine moderne Neuinterpretation nordischer Sagen im Sinne eines re-telling, wie es in jüngster Zeit bei vielen Märchen bekannt ist. Vielmehr werden hier Elemente des Repertoires klassischer Sagas aufgegriffen nahtlos mit originellen Inhalten zu einem atmosphärischen, spannenden Abenteuer zusammengefügt.
Da der Erzählstil der Tradition altnordischer Sagas steht, unterscheidet er reizvoll von dem heute üblicheren Stil, allerdings ohne sperrig oder schwerfällig zu sein.
Was die Charaktere angeht kann ich nur die Vielfältigkeit hervorheben: auf dieser Reise begegnen uns (vorallem) Frauen verschiedener sozialer Schichten und persönlicher Hintergründe, allesamt vereint durch ein Anecken mit den ihnen vorgeschriebenen gesellschaftlichen Rollen. Sie kämpfen miteinander, gegeneinander und sind als Figuren rund, komplex und lebendig. An dieser Stelle möchte ich auch besonders die Glaubwürdigkeit der Kindercharaktere loben.
Das historisch ausgezeichnet recherchierte und durchdachte Setting wird angereichert mit diversen Themen, die zurecht als progressiv bezeichnet werden, so werden u.a. Queerness, Selbstfindung und der Umgang mit verschiedenen Gewalterlebnissen mit dem Vokabular und Möglichkeiten der Zeit erörtert. Hierdurch wirken die Dialoge der Figuren nicht „modernisiert“ sondern authentisch und natürlich.
Ich weiß nicht, was ich noch schreiben könnte ohne zu viel vorweg zu nehmen. Darum hier abschließend: Unbedingte Leseempfehlung meinerseits, obwohl ich die letzte Seite vor Tagen gelesen habe, klingt die Geschichte unverändert stark in mir nach.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Historischer Roman mit See, Sonne, Atmosphäre und Asthma

Die Frauen vom Inselsalon
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Inhalt
Der erste Band der auf Norderney spielenden Familiensaga folgt den Freundinnen Frieda und Grete, die aus grundverschiedenen sozialen Verhältnissen kommen: Während die Insulanerin Frieda von Kindheit ...

Inhalt
Der erste Band der auf Norderney spielenden Familiensaga folgt den Freundinnen Frieda und Grete, die aus grundverschiedenen sozialen Verhältnissen kommen: Während die Insulanerin Frieda von Kindheit an Arbeit gewöhnt ist und vom Ruf ihres ehemaligen Alkoholiker-Vaters verfolgt wird, stammt die unter Hautausschlag und Atemproblemen leidende Grete aus der Berliner Oberschicht und soll möglichst gewinnbringend heiraten. Die Handlung setzt mit der ersten Begegnung der beiden auf Norderney im Alter von 14 Jahren ein und schließt rund 10 Jahre später mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und dem Abschied von ihren Männern.
Meinung
Der Roman ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend, wobei nicht nur die Handlung fesselt, sondern auch die überaus gelungene Atmosphäre, welche durch ein geschicktes verweben historischer Begebenheiten und dem Umgang der fiktiven Personen mit diesen geradezu greifbar wird. Über die Recherche der Autorin kann man sich nur positiv äußern, ich persönlich war angenehm überrascht, die oft ungenannte Harden-Eulenburg Affäre hier erstmals in einem historischen Roman anzutreffen. Neben Reformbemühungen und medizinischem Fortschritt werden konsequent auch die Missstände der Zeit angesprochen. Ich war ehrlich überrascht, wie detailliert-unterhaltsam der Alltag eines Friseursalons zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermittelt wurde.
Das Herzstück des Romans sind allerdings die individuellen, glaubwürdigen Charaktere. Jedem einzelnen wird neben Marotten eine eigene Stimme verliehen, ohne dass dies überzogen wird. Besonders bei Frieda und Grete kann man so beim Lesen anhand ihrer Sprechweisen ein Älterwerden und Veränderung wahrnehmen.
Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und findet ein (für mich) perfektes Maß zwischen Beschreibungen und Handlungen, das es einem wunderbar ermöglichen im Roman zu versinken.
Auszusetzen habe ich nur, dass ich nun mehrere Monate auf die Fortsetzung warten muss.
Fazit
Unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 25.02.2022

Großartiger Seefahrerroman & spannender Reihenauftakt

Loreley
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Das Offensichtliche als Erstes: Das Cover ist ein echter Blickfang!
Dem wird der Inhalt des Buches absolut gerecht. In diesem Seefahrerroman mit Fantasyelementen agieren eine Vielzahl an gut ausgeformten ...

Das Offensichtliche als Erstes: Das Cover ist ein echter Blickfang!
Dem wird der Inhalt des Buches absolut gerecht. In diesem Seefahrerroman mit Fantasyelementen agieren eine Vielzahl an gut ausgeformten Charakteren, die alle über eigene Motivation, Ziele, Geheimnisse sowie Ansichten über die Mythologie(n) der Welt verfügen. Aus den drei Perspektiven von Kapitänstochter Jermaine, Prinzessin Belén und selbstdeklarierter Ozeanologin Atlas wird eine spannende Geschichte erzählt, deren einzelne Handlungsstränge nahtlos ineinander übergehen.
Neben starken Charakteren mit unterhaltsamen Dialogen punktet der Roman auch durch eine interessante Welt, die mittels eines schönen Schreibstils vermittelt wird. Hierbei wird dem Leser genau die richtige Menge an Details gegeben, um sich in die Welt zu versetzen. Viele Szenen sind so bildhaft geschildert, dass man sie als geradezu cineastisch bezeichnen kann.
Die Handlung beginnt schnell und die Spannung bleibt bis zum Ende hoch, das Ende ist offen und weist den Weg zum nächsten Buch der Reihe.
Fazit: Unbedingte Empfehlung an alle, die Fantasy mit Meer suchen.

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Spannende Reise durch eine einzigartige Landschaft

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Das Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland ist eine gelungene Genremischung aus historischer Fantasy und Reiseroman. Das im Titel erwähnte Ödland ist beschreibt eine veränderte Landschaft ...

Das Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland ist eine gelungene Genremischung aus historischer Fantasy und Reiseroman. Das im Titel erwähnte Ödland ist beschreibt eine veränderte Landschaft die zwischen China und Russland verortet wird und gegen hohe Summen mittels des Transsibirien-Expresses durchquert werden kann. Was bei dieser Wahl der Reiseroute an Zeit gegenüber den Alternativen eingespart wird, wiegt sich allerdings durch die Gefährlichkeit auf. Trotz hermetischer Abriegelung des Zuges kommt es unter Passagieren und Personal nicht selten zu einer mysteriösen Ödlandskrankheit, bei der man seinem eigenen Verstand nicht mehr trauen kann. Aus der Perspektive dreier Personen, eines zum Zug gehörenden Mädchens, einer Frau mit neuem Namen und eines diskreditierten Naturwissenschaftlers, die allesamt eigene Ziele verfolgen, wird von der folgenreichen Reise des Jahres 1899 erzählt.
Optisch und haptisch überzeugt das Buch auf den ersten Blick bzw. das erste Anfassen. Thematisch geht neben Technik vs. Natur auch um den Einklang von Technik und Natur, sowie Glaube und Wissenschaft, mit Spuren von Gesellschaftskritik. Die Charaktere sind distinktiv, die Stimmung atmosphärisch. Die Lebewesen des Ödlandes werden detailreich, bildlich beschrieben und verfügen bisweilen über völlig neue Konzepte. Besonders zu Ende hin tauchen meisterhafte Beschreibungen auf, die mich darüber hinwegtrösteten, dass das Ende handlungsmäßig nicht mein Fall war. Ungewöhnliche, veränderte und verändernde Landschaften finde ich unglaublich spannend und kommt meiner Meinung nach viel zu selten vor. Tatsächlich kenne ich es ansonsten nur aus Annihilation von Jeff VanderMeer. Sehr fesselnd empfinde ich in diesem Zusammenhang ambivalent gehaltene Textpassagen, bei denen die Grenze zwischen Wirklichkeit, Einbildung und Ödlandkrankheit verschwimmen.
Die meisten Wendungen der Handlung sind nicht überraschend, aber das schadet nicht, da der Roman auf keinen Überraschungseffekt baut. Es ist kein actiongeladenes Buch, sondern vielmehr eine entschleunigende Reise und das beste Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe.
Alles in allem eine historisch-fantastisches Lesehighlight und unbedingt zu empfehlen.

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