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Veröffentlicht am 26.02.2022

"Kurzgeschichte" mit viel Tiefe

Der Zopf
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Drei Geschichten. Von Smita aus Indien, Giulia aus Sizilien und Sarah aus Kanada. Drei ganz unterschiedliche Leben, aber in ihrem Schicksal miteinander verflochten zu einem großen Ganzen.

Dieses Buch ...

Drei Geschichten. Von Smita aus Indien, Giulia aus Sizilien und Sarah aus Kanada. Drei ganz unterschiedliche Leben, aber in ihrem Schicksal miteinander verflochten zu einem großen Ganzen.

Dieses Buch führt vor Augen, warum man von SchreibKUNST spricht. Laetitia Colombani versteht ihr Handwerk, versorgt uns Leser zum Ende jedes Kapitels mit einem Cliffhanger, sodass man ihr fast böse ist, dass immer zwischen den drei Charakteren gewechselt wird, obwohl jede Figur ihren Reiz hat. Die Charaktere erzählen über sich, über ihr Leben, ihre Ängste und Nöte. Ihr Schmerz ist nachvollziehbar und nachzuempfinden. Colombani arbeitet mit ausdrucksstarken Sätzen und koloriert ihre Erzählung mit Metaphern und Umschreibungen.

„Sie haben sie bereits in die Grube hinuntergelassen, werfen schaufelweise Lächeln und kräftig unaufrichtiges Mitleid hinterher. In beruflicher Hinsicht ist sie tot. Sie weiß es. […] In ihren Augen ist sie keine kranke Rechtsanwältin, sondern eine Kranke, die Rechtsanwältin ist.“

„Die Nonna hat sich bereits Sorgen gemacht, zur Beruhigung behauptet Giulia, sie habe einen Platten gehabt. Doch das ist nicht die Wahrheit: Ihr Fahrrad ist völlig intakt, es ist ihr Herz, das ins Schlingern geraten ist.“

Für die drei Frauen hat die Autorin vorher einige Mühe in Recherchearbeit gesteckt, insbesondere zur indischen Kultur. Das zahlt sich aus. Sie erzählt eine glaubhafte Sichtweise Smitas, welche dem realen Leben sehr nahkommen mag. Das Buch zu lesen ist Genuss.

Soviel zu den positiven Seiten, aber die negativen sollen auch nicht verschwiegen werden. Die Geschichte ist mit 282 Seiten schnell erzählt und dadurch sehr kurzweilig. Eigentlich ist sie noch kürzer, denn direkte Rede wird hier nicht mit Anführungszeichen versehen, sondern durch eigene Absätze gekennzeichnet, welche den Text in die Länge ziehen.
Das Ende ist abrupt gekommen. Die Strähnen laufen noch weiter, aber sind doch schon zusammengefasst zu einem Ganzen.
Wie bei einer Gute-Nacht-Geschichte, in der Mutter oder Vater kurz innehalten, kurz das Gelesene kommentieren und mit ihrem Kind Vermutungen anstellen, was noch folgen mag, wird hier mehrmals unterbrochen und auf die Metaebene gewechselt. Auf je etwa einer Doppelseite beschreibt die Autorin ihre Inneneinsichten. Sie ist diejenige, die jene drei Fäden knüpft, der Raum für ihre Ergötzung sei ihr gegönnt, jedoch hätte es dieser Worte meiner Ansicht nach nicht bedurft. Ihre Zuneigung und Fürsorge, die sie für ihre drei starken Frauen empfindet, wird über die Zeilen an sich schon ausreichend geteilt.

Eine Empfehlung kann ich insgesamt definitiv aussprechen. Ich selber habe das Buch trotz Leseprobe, die ich bei Erscheinen auf der Frankfurter Buchmesse erhielt, und die mir auch gefiel, erst später gegen Spende für einen guten Zweck erhalten. Ich bin sehr froh, dass ich den Roman in seiner unbestreitbaren Qualität doch noch kennenlernen durfte.

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Exzellente Fortsetzung, noch spannender als der erste Teil

Nebeljagd
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Etwa ein Jahr nach Hofelichs erstem erfolgreichen Krimi um die Strafverteidigerin Linn Geller („Totwasser“) geht die Geschichte weiter mit einem neuen Fall, der von Anfang an entschieden wirkt: Ihr neuer ...

Etwa ein Jahr nach Hofelichs erstem erfolgreichen Krimi um die Strafverteidigerin Linn Geller („Totwasser“) geht die Geschichte weiter mit einem neuen Fall, der von Anfang an entschieden wirkt: Ihr neuer Mandant Jo Haug steht in zwei Fällen unter Mordverdacht. Hinzu kommt eine erdrückende Beweislast und ein Dorf, das Haug schon vor Prozessbeginn aburteilt und Linns Ermittlungen erschwert, die sich selber in Bezug auf ihren Mandanten nicht allzu sicher ist.

Leser des ersten Bandes werden sich gefragt haben, ob die Ereignisse aus diesem Linn verändert haben mögen. Wahrscheinlich schlugen sie aber nur in eine ohnehin schon bestandene Kerbe, sie ist also ganz die alte, mit ihrem versehrten Bein und ihrer steten Paranoia, die sie seit ihrem Unfall begleitet. Weiterhin ist sie ungemein sympathisch im Umgang mit ihrem Kanzleipartner Götz. Gerade in diesen Teil kommt ungeahnte Bewegung, authentisch und menschlich inszeniert.

Dieses Mal geht es Linn mehr an den Kragen. Alles setzt ihr mehr zu und die Spannung ist teilweise ein wildes Auf und Ab, das besser gelungen ist als im Vorgängerband. Auch Grusel und Ekel werden dieses Mal transportiert, alles ist deutlich düsterer und stellenweise muss man einfach weiterlesen, um den unheimlichen Moment hinter sich zu lassen. Eine wilde Geschichte wird gewoben, von der sicherlich niemand den Ausgang hätte kommen sehen.

Auf der gesamten Strecke rätselt man mit, ob Jo Haug ein armes unschuldiges Opfer ist, seit Jahren missverstanden oder ob er keine Verteidigung verdient, weil er wirklich getan hat, was ihm vorgeworfen wird. Es ist auf jeden Fall schwer, sich für „in dubio pro reo“ von all den Mutmaßungen freizumachen.

Linns Gedankengänge verschmelzen mit den eigenen. Der Schreibstil, auch wenn die ganze Zeit allein die Sicht von Linn eingenommen wird, ist genau richtig, um jede Spur mit ihr mitzuverfolgen, immer mit ihr auf gleichem Stand zu sein und ihre Eindrücke genau mitzuerleben. Stetig nimmt die Geschichte ihren Verlauf, wenig Beschreibungen, mehr Taten. Die Charaktere haben alle ihre besonderen Eigenheiten und bleiben damit gut im Gedächtnis, sodass es nicht zu Verwechslungen kommt.

Nur allzu gerne dürfte es mit einer dritten Geschichte weitergehen, doch die Autorin kündigte an, dass sie auch andere Genre ausprobieren möchte und Linn zumindest vorläufig den Rücken kehrt. Schade, aber warten wir ab, was Hofelich stattdessen für uns bereit hält und vielleicht können wir zu einem späteren Zeitpunkt Neues von Linn Geller lesen.

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Veröffentlicht am 27.11.2019

Mitten unter Göttern, Titanen, ihren Kreaturen und den Menschen

Ich bin Circe
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Circe, Tochter von Sonnengott Helios und Nymphe Perse sucht nach ihrem Platz in der Götterwelt, die sie aufgrund von menschlichen Eigenschaften nicht sonderlich Willkommen heißt. Schließlich wird sie verbannt, ...

Circe, Tochter von Sonnengott Helios und Nymphe Perse sucht nach ihrem Platz in der Götterwelt, die sie aufgrund von menschlichen Eigenschaften nicht sonderlich Willkommen heißt. Schließlich wird sie verbannt, was sie erst zu ihrer wahren Größe als begabte Hexe führt und letztlich zu der Frage, ob sie sich mehr den Menschen oder den Göttern verbunden fühlt.

Circe war schon immer eine meiner Lieblingsfiguren aus der griechischen Mythologie. Als fester Bestandteil der Fahrten des Odysseus war sie mir wohl bekannt und ob ihres wunderschönen Namens (auf Deutsch „Zirze“ ausgesprochen) oder ob ihrer Magie… vielleicht auch wegen beidem…hat sie mich schon immer fasziniert. So musste ich unbedingt ihre Geschichte neuinterpretiert von Madeline Miller kennenlernen.

Fünfeinhalb Jahre liegen zwischen Millers erstem, erfolgreichem Bestseller „Das Lied des Achill“ und diesem hier. Als langjährige Dozentin für Latein und Griechisch bringt Miller beste Voraussetzungen mit, um sich in der mythologischen Welt frei zu bewegen. Nicht zuletzt deswegen wirkt die Geschichte ausgereift bis ins letzte Detail.

Götter, die Menschen nur als Spielbälle betrachten und nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten leben. Menschen, die dem ewigen Ruhm hinterherjagen, der einzigen Unsterblichkeit, die sie kennen. Circe mittendrin und wir mit ihr. Alle Triumphe und Niederlagen, die sie erringt oder erleidet und die Wunder und Schrecken, denen sie ansichtig wird. Wir begleiten sie dabei und erleben hautnah, wie Circe aus ihrer anfänglichen Einfältigkeit lernt, aus ihren Erfahrungen klüger und stärker hervorgeht. Die Frage, ob sie letztlich selbständig und unabhängig ist, muss jeder für sich selbst beantworten. Fest steht, dass Circe einen Weg bewandert, den keine andere je gegangen ist und die Einblicke und Gefühle, die wir von ihr als Halbgöttin, Hexe und Mutter bekommen, sind einmalig.

Die ganzen Namen, die zumindest anklingen und Geschichten, die durch Erwähnung wieder in Erinnerung geraten, sind ein wahrer Schatz. Circe ist in alle wunderbar eingebunden. Unzählige Sagengestalten werden um sie herum zum Leben erweckt und wirken in ihren Charakterzügen sehr frisch und glaubhaft. Es macht Spaß, die alten Figuren ganz neu mit ihren Sehnsüchten und Betrübnissen zu erleben.

Die Sprechstimmte von Ann Vielhaben, die mir bis dato unbekannt war, klingt weich und angenehm im Ohr. Ein wenig Gewöhnung benötigte mein Gehör schon, da die Leserin die Satzenden manchmal verschluckt und schon bei den ersten Sätzen musste ich noch einmal zurückgehen, weil ich nicht verstand, ob etwas gelungen oder nicht gelungen war. Im weiteren Verlauf fiel mir das aber nicht mehr negativ auf und es war alles zu verstehen. Ann Vielhabens Stimme ist sehr vielseitig und verändert sich je nach Sprechrolle. Ich liebe es, wenn sie etwas mehr Härte hineinlegt und dazu noch Spuren von Jähzorn und Wahnsinn. Zum immer wieder anhören!

Veröffentlicht am 11.01.2019

Schön leichter Liebesroman

Wer weiß schon, wie man Liebe schreibt
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Kristina Günak ist mit „Wer weiß schon, wie man Liebe schreibt“ ein schön leichter Liebesroman gelungen, mit dem man ein paar wundervolle Stunden verbringen kann. Den Hergang kann man sich im Groben zwar ...

Kristina Günak ist mit „Wer weiß schon, wie man Liebe schreibt“ ein schön leichter Liebesroman gelungen, mit dem man ein paar wundervolle Stunden verbringen kann. Den Hergang kann man sich im Groben zwar schnell zusammenreimen, aber in diesem Fall ist der Weg das Ziel:

Bea hat immer alles im Griff. Darum erhält Bea den Auftrag, den Star-Autor ihres Verlages, der gerne mal aus der Reihe tanzt, unter ihre Fittiche zu nehmen. Was folgt, ist eine sanfte Entwicklung von zwei unfreiwillig zusammengepferchten Menschen hin zu einem Paar, das sich im Tiefsten miteinander verbunden fühlt.

Hervorzuheben ist dabei das immer intensivere Abtauchen in die Hintergründe und Beweggründe der beiden. Vielleicht ist der Titel gleichsam eine Anspielung darauf, wie viel Liebe die Autorin auch in ihr Schreiben steckt, denn die Figuren mit ihren Ecken und Kanten sind wunderbar erdacht und überzeugen mit ihrer Realitätsnähe. In der Charakterentwicklung ist sogar eine moralische Botschaft enthalten.

Auch dieser Liebesroman kommt ohne Klischees des Genres nicht aus. Es ist aber durch das verhältnismäßig geringe Ausmaß noch zu verschmerzen. Insgesamt ist das Buch sicher mit viel Humor gespickt, allerdings erzeugt dieser keine großen Lacher und hat geradezu Sitcom-Charakter mit einer spürbaren Aufforderung zum Lachen an bestimmten Stellen.

Mir persönlich kam der draufgängerische Star-Autor deutlich zu brav vor. So fehlte mir eine stärkere Eskalation. Die ganze Geschichte hätte auch gut ohne das tatsächliche Erscheinen von Beas Familie auskommen können. Vielleicht hätte es dann mehr Seiten für das Weiterspinnen der Geschichte gegeben, denn…

Durch den flüssigen Schreibstil geht es ungebremst in schnellem Tempo durch die Kapitel. Schon ist die letzte Seite da. Schade, hier hätte es gerne noch weitergehen dürfen.

Veröffentlicht am 11.01.2019

Eine Reise voller Abenteuer startet!

Die Phileasson-Saga - Nordwärts
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Anfänge sind doch immer etwas ganz besonderes. Erst recht, wenn es der Beginn einer Seefahrt ist, die in insgesamt 12 Bänden erzählt werden soll. In ihnen wird nicht weniger als die komplette Welt Aventurien ...

Anfänge sind doch immer etwas ganz besonderes. Erst recht, wenn es der Beginn einer Seefahrt ist, die in insgesamt 12 Bänden erzählt werden soll. In ihnen wird nicht weniger als die komplette Welt Aventurien (aus dem Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ – keine Vorkenntnisse nötig!) umrundet, mit ihren verschiedenen Vegetationen, Kreaturen, Völkern und Bräuchen, Formen der Magie, Mysterien und Herausforderungen.

Die Hauptrollen spielen dabei zwei berühmt, teils berüchtigte Seefahrer und Kontrahenten, Asleif Phileasson und Beorn, der Blender, die im Wettstreit um den Titel „König der Meere“ diese wahnsinnige Unternehmung wagen. Wer auf eine solch großartige Expedition geht (übrigens nicht in 80 Tagen um die Welt, sondern in diesem Fall in 80 Wochen), der sucht seine Gefolgsleute mit Bedacht aus. Vor allem da es nebenbei noch 12 Aufgaben zu lösen gilt.

Tatsächlich nimmt die Vorstellung der künftigen Besatzungsmitglieder in diesem ersten Band mehr Raum ein als die Ausführungen zu den beiden Titelanwärtern, was sicher nicht verkehrt ist: Wie viel muss man Helden noch lobpreisen, wenn doch schon Lieder über sie gesungen werden? Die Geschehnisse um Phileasson werden insgesamt aktiver begleitet als die seines Nebenbuhlers, des Blenders. Im Wettlauf gegeneinander darf daher, je nachdem für welchen Wettstreiter das Herz schlägt, kräftig für seinen Auserwählten mitgefiebert werden, ob er die Nase vorn hat.

Der Auftakt des Buches irritiert, aber es ist beim Lesen spürbar, wie gut die Geschichte durchdacht ist und wie klar die Charaktere vorskizziert wurden. Hier hält man hohe Handwerkskunst in Händen. Obwohl es zwei Autoren sind, ist nicht zu erkennen, aus wessen Feder welche Textpassage stammt. Niemand hat behauptet, dass eine Reise ins ewige Eis nicht beschwerlich wäre. Entsprechend lesen sich ein bis zwei Stellen etwas anstrengend langatmig, was jedoch Atmosphäre schafft.

„Nordwärts“ gibt den Kurs bereits bekannt. Doch welche Tücken die See bereit hält, wie ein frisch zusammengewürfelter Haufen zu einer Mannschaft wächst und ob im Norden Wunder oder bittere Kälte auf die Reisenden wartet, das musst du schon selber lesen. Denn sonst würde dir einiges entgehen.