Das menschliche Projekt
Die Terranauten„Aber wir waren schon zu lange miteinander eingesperrt und kannten einander zu gut, jede Eigenart und Geste, jede Phrase, jede Sprechgewohnheit, jede hundertmal gehörte Geschichte zerrte an unseren Nerven, ...
„Aber wir waren schon zu lange miteinander eingesperrt und kannten einander zu gut, jede Eigenart und Geste, jede Phrase, jede Sprechgewohnheit, jede hundertmal gehörte Geschichte zerrte an unseren Nerven, bis das Prinzip der Kameradschaft nur noch ein Witz war.“
Inhalt
Es ist ein Pilotprojekt mitten in der Wüste von Arizona, dort wo die Sonne brennt, wurde unter dem Namen „Ecosphere“ eine riesige Glaskuppel errichtet, in der 8 Menschen für jeweils 2 Jahre hermetisch abgeschlossen sind und für wissenschaftliche Zwecke ein Leben außerhalb der Erdatmosphäre proben. Unter der Schirmherrschaft von Mission Control, einem kommerziellen Unternehmen, wird das Leben im inneren der Kuppel streng überwacht und für Marketingzwecke ausgenutzt. So gibt es Videoübertragungen, Ansprachen der Bewohner an die Menschen draußen und natürlich die Möglichkeit für Interessierte, direkt in den künstlich geschaffenen Lebensraum zu schauen. Für die „Terranauten“ im Inneren gestaltet sich das Leben alles andere als einfach, denn sie leiden alsbald unter Hunger, fühlen sich schlapp und ausgelaugt und fiebern dem Ende der Mission entgegen. Als die ersten Liebesspiele in der Kuppel stattfinden und sich Paare bilden, ergibt sich ein voyeuristischer Effekt, den der Boss, zu nutzen weiß. Doch als eine „Terranautin“ schwanger wird, geraten alle an ihre Grenzen und es fragt sich, ob sie ihre Mission beenden können …
Meinung
Die war mein erster Roman des Autors T.C. Boyle, auf den ich durch die zahlreichen begeisterten Leserstimmen aufmerksam wurde und den ich unbedingt selbst kennenlernen wollte. Doch leider konnte mich weder der Inhalt des Buches, noch die schriftstellerische Umsetzung überzeugen, so dass die über 600 Seiten für mich leider alles andere als ein Lesevergnügen wurden.
Die drei gewählten Erzählperspektiven aus Sicht eines männlichen und eines weiblichen Bewohners der Glaskuppel, sowie einer Frau, die es leider nicht in das „Heiligtum“ geschafft hat, sind gut gewählt, denn dadurch entsteht für den Leser ein gewisser Rundum-Blick. Man erfährt im Folgenden sehr wenig über den wissenschaftlichen Aspekt, dafür aber umso mehr über die zwischenmenschlichen Beziehungen der Projektteilnehmer. Da ist Dawn, die sich ehrgeizig in ihre Aufgabe stürzt und durch einen Verhütungsfehler zur Mutter wird und Ramsey, der Playboy, dem es in erster Linie um seine Bedürfnisbefriedigung geht und der fast alle Frauen liebt, bis er gezwungenermaßen zum Vater abgestempelt wird. Und dann gibt es Linda, die immerfort in der zweiten Reihe steht und zwischen naiven Racheakten, gezielten Eifersüchteleien und bösartigen Kommentaren schwankt. Und sie alle zeigen nur eines: Man kann in „E2“ durchaus überleben, doch man wünscht sich sehnlichst ein Ende des Projektes, um die geschundenen Seelen reparieren zu können.
Meine schlechte Bewertung beruht im Wesentlichen auf einem Mangel an wirklicher Handlung. Boyle bildet das tägliche Leben ab, beschreibt Alleingänge der Bewohner und teils handfeste Auseinandersetzungen, immer vor dem gleichen Hintergrund: arbeiten, essen, schlafen. Nur wenige Highlights, wie ein lebensbedrohlicher Stromausfall erhöhen die Lesefrequenz. Die vorherrschende Stimmung ist: Langeweile. Und daraus resultierende Ränkespiele, sexuelles Begehren und persönliche Fehltritte. Dieser Roman nimmt nicht nur unsympathische Protagonisten für sich in Anspruch, sondern sorgt dafür, dass ich mich immer wieder gefragt habe: „Warum tun sich Menschen freiwillig etwas Derartiges an, nur um sich dann fortwährend zu beklagen?“. Inhaltlich hätte sich das Buch mit der Hälfte der Seitenzahl begnügen können.
Fazit
Ich vergebe bescheidene 2 Lesesterne für einen im Grundsatz interessanten Roman, der sich in Kleinlichkeiten, Detailverliebtheit und Langeweile verliert. Wer gerne in die Abgründe der menschlichen Seele blicken möchte, wer es mag, wenn Protagonisten so geradlinig gestrickt sind, wie man es von Anfang an erwartet, wer Sex statt Wissenschaft sucht, dem könnte dieses Buch durchaus gefallen. Für mich lässt sich nur ein negatives Fazit ziehen. Schade!