Vielversprechender Beginn einer Fantasy-Reihe
Das Erbe der Seher Der Atem des Meisters hing faulig in der Luft. Er lachte, ein scheußlicher Laut voller Verachtung. "Du kannst nicht entkommen. Du kannst mir nicht entkommen."
Zum ersten Mal seit Jahren lächelte Tal. ...
Der Atem des Meisters hing faulig in der Luft. Er lachte, ein scheußlicher Laut voller Verachtung. "Du kannst nicht entkommen. Du kannst mir nicht entkommen."
Zum ersten Mal seit Jahren lächelte Tal. "Du irrst dich. Diesmal gehe ich an einen Ort, an den Aarkein Devaed mir nicht folgen kann."
Er trat einen Schritt zurück, über den Rand der Klippe. Und fiel.
Der Schatten glitt vor, sah zu, wie Tal durch das Tor stürzte, unerreichbar für ihn. Der wirbelnde Ring aus blauem Feuer flackerte kurz weiß auf, dann war er verschwunden und nichts deutete mehr darauf hin, dass es ihn überhaupt gegeben hatte.
Das Wesen starrte auf die Stelle hinab. Die Wellen wogten sichtlich schwächer, als hätte etwas sie beruhigt.
Da begriff der Schatten.
"Das Wasser der Erneuerung", zischte er.
Sein Geschrei erfüllte die Welt.
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INHALT:
Der junge Davian ist Schüler einer Schule für Begabte, einer der letzten im Land. Er und seinesgleichen werden gefürchtet wie gehasst und unterstehen seit einem Umbruch vor Jahrzehnten den sogenannten Grundsätzen, die es ihnen verbieten, ihre Macht zu missbrauchen. Davor müsste Davian eigentlich sowieso keine Angst haben - egal, wie viel er übt, er kann seine Kräfte nicht einsetzen. Doch dann erfährt er den Grund dafür: Er ist ein Augur, ein Seher, mit besonderen Fähigkeiten, was ihn in große Gefahr bringt. Also flieht er gemeinsam mit seinem besten Freund Werr, um die Wahrheit über sich herauszufinden. Neue Gefährten stehen ihnen dabei zur Seite, aber gejagt von Feinden wissen sie nicht, wem sie eigentlich trauen können...
MEINE MEINUNG
James Islington beschloss, Autor zu werden, nachdem er Bücher von Patrick Rothfuss und Brandon Sanderson gelesen hatte - und "Das Erbe der Seher" ist das Ergebnis, Band 1 seiner eigenen Fantasy-Trilogie. Die Einflüsse kann man an einigen Stellen erahnen und die Welt braucht ihre Zeit, um eine eigene Dynamik zu entwickeln, aber nichtsdestotrotz ist dies der Beginn einer sehr vielversprechenden Reihe. Der Schreibstil ist größtenteils sehr flüssig und versehen mit wunderbar bildlichen Beschreibungen, ohne zu ermüden, und insbesondere die Dialoge können in ihrem Realismus überzeugen.
Mit Davian gibt es den etwas stereotypen unsicheren Protagonisten, wie so oft ein Waisenkind und mit ihm nicht bekannten Fähigkeiten gesegnet, die über das Schicksal der Welt entscheiden könnten. Er ist allerdings, zum Glück, nicht der mächtigste aller Charaktere und erhält dadurch auch die Chance, Fehler zu machen. Sein gewitzter und fähiger bester Freund Werr und die süße Asha, die immer an ihn glaubt und eine unglaubliche Willenskraft an den Tag legt, sind da dennoch schon etwas weniger klischeehaft. Besonders überzeugen können jedoch die Nebenfiguren, die sich oft schwer in die Karten schauen lassen und sehr unterschiedliche Persönlichkeiten an den Tag legen. Selten lässt sich sicher festmachen, wer nun auf der Seite der Protagonisten steht und wer im Geheimen gegen sie arbeitet. Allerdings tauchen im Laufe der fast 800 Seiten auch ziemlich viele Namen auf und nicht immer konnte ich diese wirklich gut auseinander halten. Eventuell hätte hier etwas gespart werden können.
Wie von High Fantasy gewohnt, gibt es gleichzeitig verschiedene Handlungsstränge, die lange parallel verlaufen und sich schließlich kreuzen. Ungewohnt ist hier jedoch, dass die Charaktere zwischendurch auch wieder getrennt werden - und sich einer von ihnen teilweise sogar auf einer anderen Zeitebene aufhält, was dem Ganzen eine ordentliche Portion Frische verleiht. Mit der Zeit offenbaren sich auch immer mehr originelle Details, die James Islingtons Welt zu einer ganz eigenen machen und eine besondere, zumeist düstere, Atmosphäre schaffen. Insbesondere die Fähigkeiten der Auguren und Begabten sind faszinierend und dementsprechend wissen auch die Kampfszenen zu überzeugen. Auf den letzten 200 Seiten wird dann auch alles aufgefahren, was gute Fantasy ausmacht: Viel Action, viele Tote und so einige Überraschungen. Bis zum Schluss kommt man daher kaum zu Atem und wo Fragen geklärt werden, werden auch direkt neue aufgeworfen. Damit steht einem sehr spannenden 2. Band nichts im Wege.
FAZIT:
Nicht alles ist gänzlich neu in James Islingtons Erstling "Das Erbe der Seher", doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr Originalität hält auch Einzug. Großartige Kämpfe, glaubwürdige Dialoge und viele gut ausgearbeitete Figuren entführen einen in eine Geschichte, die in Band 2 ihr gesamtes Potenzial entfalten könnte. 4 Punkte.