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Veröffentlicht am 16.03.2022

Vom Verlieren und Wiederfinden

Das Fundbüro der verlorenen Träume
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Dorothy Watson, genannt Dot, arbeitet in London in einem Fundbüro der Verkehrsbetriebe. Ihr gesamter Arbeitsalltag dreht sich um das Verlieren und Wiederfinden. Dot mag ihre Arbeit und hat trotz drängender ...

Dorothy Watson, genannt Dot, arbeitet in London in einem Fundbüro der Verkehrsbetriebe. Ihr gesamter Arbeitsalltag dreht sich um das Verlieren und Wiederfinden. Dot mag ihre Arbeit und hat trotz drängender Fragen ihrer Schwester Philippa kein Bedürfnis, sich in Sachen Job oder Wohnort zu verändert. Zwölf Jahre zuvor war das noch ganz anders. Damals hatte sie ein Leben in Paris und große Träume. Doch ein Anruf hat alles verändert, der Verlust eines der wichtigsten Menschen in ihrem Leben wirkt bis heute nach. Als ein älterer Herr auf der Suche nach einer verlorenen Reisetasche mit dem Lieblingsportemonnaie seiner verstorbenen Frau ins Fundbüro kommt, ist Dot fest entschlossen, ihm zu helfen.

Zu Beginn des Buches lernte ich Dots Alltag im Fundbüro kennen. Alles mögliche wird dort abgegeben, meist alltägliches wie Regenschirme, Handys und Monatskarten, gelegentlich aber auch Besonderes oder Exotisches. Dot hat eine besondere Vorliebe für Reiseführer, die ihr Big Jim, der sich nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist um die Weitergabe der Fundsachen kümmert, regelmäßig zusteckt. Auf ihren Seiten reist Dot zu nahen und fernen Zielen, die sie noch nie mit eigenen Augen gesehen hat.

Bald lernte ich Dots Familie kennen. Ihre Mutter hat Demenz und lebt im Pflegeheim, seit sie sich einen Monat zuvor die Hüfte gebrochen hat. Davor wohnte sie gemeinsam mit Dot in einer kleinen Wohnung. Diese will Dots Schwester Philippa nun verkaufen und setzt Dot diesbezüglich unter Druck. Seit sie vor zwölf Jahren ihre wichtigste Bezugsperson verloren hat ist Dot wie gelähmt und hat das Schmieden von Zukunftsplänen aufgegeben. Die neue Situation setzt ihr weiter zu. Ihre Reaktion darauf ist kurios und ich war gespannt, ob Dot einen Weg finden wird, ihr Leben wieder stärker selbst in die Hand zu nehmen.

Den Trubel im Fundbüro fand ich unterhaltsam und auch die Kapitelüberschriften, die jeweils etwas Verlorenes oder Gefundenes auflisten, passen perfekt zum Thema. Das Tempo ist ruhig und der Fokus der Handlung bleibt auf Dot und ihrer Entwicklung. Ich erhielt einfühlsame Einblicke in ihren seelischen Zustand und durchlebte mit ihr schöne und traurige Momente, wobei sich Dot lange in einer Abwärtsspirale befindet. Mir hat die zweite Buchhälfte deutlich besser gefallen als die erste, da hier einiges in Bewegung kommt und auch die Handlung um die im ersten Kapitel verlorene Reisetasche wieder aufgegriffen wird, von der ich mir aber noch mehr erhofft hatte.

„Das Fundbüro der verlorenen Träume“ ist eine Geschichte rund um das Verlieren und Wiederfinden, was sich jedoch nicht nur auf die Gegenstände im Fundbüro, sondern auch auch auf Menschen und Lebensfreude bezieht. Es ist ein einfühlsam erzählter und berührender Roman, in dem Themen wie Demenz, Suizid, Selbstvorwürfe und Trauer eine Rolle spielen, der aber mit einer hoffnungsvollen Note endet. Ich lade euch ein, mit diesem Roman selbst auf die Suche zu gehen.

Veröffentlicht am 11.03.2022

Was steckte hinter Agatha Christies mehrtägigem Verschinden?

Mrs Agatha Christie
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Am 3. Dezember 1926 verschwindet Agatha Christie, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Namen mit ihren Kriminalgeschichten gemacht hat. Bis heute ist unklar, warum sie verschwunden ist und was sie ...

Am 3. Dezember 1926 verschwindet Agatha Christie, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Namen mit ihren Kriminalgeschichten gemacht hat. Bis heute ist unklar, warum sie verschwunden ist und was sie in der Zeit bis zu ihrem Wiederauftauchen gemacht hat. Marie Benedict liefert in ihrem Roman eine mögliche Version der Ereignisse.

Der Roman besteht aus zwei Handlungssträngen, die abwechselnd erzählt werden. Der eine trägt den Titel „Das Manuskript“ und ist aus der Perspektive von Agatha Christie geschrieben. Er beginnt im Jahr 1912 mit einem Ball, auf dem sie ihren späteren Mann Archibald Christie kennenlernt. Im weiteren Verlauf werden die Ereignisse bis hin zu ihrem Verschwinden erzählt. Der andere beginnt an Tag eins nach ihrem Verschwinden mit der Benachrichtigung ihres Mannes und berichtet aus dessen Perspektive von der anlaufenden Suchaktion und seinem Eindruck der Situation.

Agatha wird als liebenswerte und zielstrebige Person dargestellt, die mit dem Schreiben beginnt, weil sie ihrer Schwester Madge beweisen will, dass sie eine Kriminalgeschichte entwickeln kann, deren Auflösung Madge nicht errät. Ich fand es interessant, mehr über den Beginn ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zu erfahren. Die Geschichte gibt Einblicke in ihr Leben während des Krieges, ihrem Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrer Schwester und in ihre Beziehung zu Archibald, der durch das während seines Kriegseinsatzes Erlebte verändert wird.

Dass ein Krieg Spuren hinterlässt ist mehr als verständlich, doch in den Kapiteln aus seiner Perspektive war mir Archibald von Beginn an unsympathisch. Das Verschwinden seiner Frau scheint ihn mehr zu ärgern als betroffen zu machen. Dieser Ärger scheint seinen Ursprung in einem Brief zu haben, den Agatha ihm hinterlassen hat und dessen Inhalt er der Polizei vorenthält. Als Leserin kannte ich nur einen im Prolog abgedruckten Ausschnitt daraus, der mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt. Agatha redet darin von Anweisungen, an die er sich zu halten habe. Wie genau diese aussehen, erfährt man allerdings nicht, ich konnte nur Vermutungen anstellen.

Mir haben die Kapitel aus Agathas Sicht vor dem Verschwinden besser gefallen als die aus Archibalds Sicht nach dem Verschwinden. Erstere strecken sich über eine große Zeitspanne und geben abwechslungsreiche Einblicke, in letzeren wird vor allem die erfolglose Suchaktion beschrieben und Archibalds Bemühungen, seine Geheimnisse nicht ans Licht kommen zu lassen. Da ich wusste, nach wie vielen Tagen Agatha wieder aufgetaucht ist, fand ich das wenig spannend. Eine charakterliche Entwicklung des kaltherzigen Archibalds während dieser Tage bleibt aus.

Der wahre Clou der Geschichte kommt auf den letzten 35 Seiten. Hier werden gleich mehrere Dinge aufgedeckt, die alles Gelesene in ganz neuem Licht erscheinen lassen. Ein gelungener Plottwist, der mich das Buch mit dem Gefühl abschließen ließ, gut unterhalten worden zu sein und gleichzeitig einige neue Dinge über das Leben von Agatha Christie gelernt zu haben. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 28.02.2022

Ein Altfall, auf den neue Taten verweisen

Nebelopfer
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Frida und den Rest des Teams von der Mordkommission Itzehoe erwartet ein neuer Fall: Auf einem nebelverhangenen Feldweg wurde ein Erhängter mit einem Pappschild um den Hals gefunden. Auf diesem steht, ...

Frida und den Rest des Teams von der Mordkommission Itzehoe erwartet ein neuer Fall: Auf einem nebelverhangenen Feldweg wurde ein Erhängter mit einem Pappschild um den Hals gefunden. Auf diesem steht, dass er im Prozess gegen Cord Johanssen falsch ausgesagt hat. Dieser wurde viele Jahre zuvor für den Mord an seiner Frau und zwei seiner Söhne verurteilt und sitzt seither im Gefängnis. Bietet der Fall nach all den Jahren wirklich ein Mordmotiv oder will der Täter die Ermittler auf eine falsche Spur führen? Die Meinungen darüber, ob man sich dem abgeschlossenen Altfall widmen sollte oder der Sache lieber im Hier und Jetzt auf den Grund gehen sollte, gehen im Team der Mordkommission auseinander.

Nachdem der Gerichtsmediziner Torben Kielmann am Ende des vierten Bandes schwer verletzt wurde, habe ich mich darüber gefreut, ihn zu Beginn des neuen Bandes auf dem Weg der Besserung zu sehen. Seine Hände wurden jedoch stark in Mitleidenschaft gezogen, sodass weiter unklar ist, ob er je wieder ein Skalpell wird halten können. Frida möchte für ihren Partner da sein, wird jedoch schon nach wenigen Seiten mit einem neuen Mordfall konfrontiert.

Im Team der Mordkommission gibt es Wechsel, die für frischen Wind bei den Ermittlern sorgen. Henning Kuhns verabschiedet sich in den Ruhestand und Leonard Bootz, ein Ex-SEK Mann, steigt neu im Team ein und stürzt sich gleich voller Tatendrang in die Ermittlungen. Auch Bjane Haverkorn hat nur noch ein Jahr bis zur Pension. Er erinnert sich noch gut an den Dreifachmord, auf den das beim Toten gefundene Pappschild verweist. Eigentlich war es damals eine eindeutige Sache. Doch dann findet er in seinem Garten ebenfalls ein Pappschild mit der Aufforderung, binnen 48 Stunden den wahren Täter zu finden. Um aus der Schusslinie zu kommen folgt er einer Bitte des LKA Kiel, dort in den nächsten vier Wochen zu unterstützen.

Die Ermittlungen gestalten sich spannend. In regelmäßigen Abständen kommt es zu neuen Vorfällen, welche die Situation verschärfen, und Erkenntnissen, die das Team ein Stück voran bringen. Durch die Veränderungen im Team finden sich Frida und ihre Kollegen in neuer Konstellation zusammen. Sie ist vor allem mit Bootz unterwegs, mit dem sie gleich zu Beginn aneinandergerät. Ob die beiden sich zusammenraufen können? Ab der Hälfte des Buches ist sie Situation so brenzlig, dass ich es kaum mehr aus der Hand legen konnte. Die Motive mehrerer Charaktere hätten allerdings noch besser herausgearbeitet werden können. Insgesamt konnte mich das Buch wieder sehr gut unterhalten. „Nebelopfer“ ist ein Must Read für alle Fans für Romy Fölck, aber auch ein Einsteig in die Reihe ist mit diesem Band problemlos möglich.

Veröffentlicht am 26.02.2022

Einblicke in die Künstlerszene Berlins in den 1910er Jahren

Ursula und die Farben der Hoffnung
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Im Sommer 1912 verbringt Ursula die Sommerfrische mit ihrer Familie an der Ostsee in Graal-Müritz, wo sie die bekannte Dichterin Paula Dehmel und ihre Tochter Vera kennenlernt. Ursula liebt die Kunst und ...

Im Sommer 1912 verbringt Ursula die Sommerfrische mit ihrer Familie an der Ostsee in Graal-Müritz, wo sie die bekannte Dichterin Paula Dehmel und ihre Tochter Vera kennenlernt. Ursula liebt die Kunst und vor allem das Zeichnen, doch in ihrer Familie glaubt niemand so recht daran, dass sie damit später ihr Geld verdienen kann. Doch Vera, die selbst Kurse an der Kunstakademie in Hamburg besucht, ermutigt Ursula, ihre Technik durch ein Studium zu verbessern. Als Vera nach Rügen aufbricht, um dort Zeit mit ihren Freunden aus der Kunstgewerbeschule zu verbringen, nimmt sie Ursula kurzentschlossen mit. Immer tiefer taucht Ursula in die Künstlerszene ein und wird schließlich ein Teil von ihr.

Die Geschichte nimmt sich zu Beginn Zeit, mir die Protagonistin Ursula und ihre Familie genauer vorzustellen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Hilde verbringt sie die Ferien in Potsdam bei ihren Großeltern, wo ihr Großvater das Amt des Bürgermeisters bekleidet. Ihre Eltern sind geschieden: Während ihr Vater als Arzt allein in Berlin lebt, ist ihre Mutter mit ihrem neuen Mann, der in einer Fabrik arbeitet, nach Vohwinkel gezogen. Niemand in ihrer Familie ist künstlerisch sonderlich begabt und kann ihre Leidenschaft wirklich nachvollziehen. Umso inspirierender ist es für Ursula, Vera kennenzulernen, die ihr Mut zuspricht und Ratschläge gibt, wie sie nach ihrem Schulabschluss Kunst studieren kann.

Die einzelnen Kapitel sind ruhig erzählt und ließen mich tief in die jeweilige Szene eintauchen. Alle paar Kapitel kommt es jedoch zu einem größeren Zeitsprung, sodass die Zeit insgesamt schnell vergeht und das Buch Ursulas Erlebnisse in den Jahren 1911 bis 1917 schildert. Sie verbringt zunehmend Zeit in der Künstlerszene, in welche ich ausführliche Einblicke erhielt. Der Fokus bleibt dabei stets auf Ursula, die ich immer besser kennenlernte. Ihre Fähigkeit, Menschen, Gefühle und Situationen mit Farben zu verknüpfen, fand ich interessant und gelungen beschrieben.

Die Buchbeschreibung nimmt leider schon einen Großteil der Handlung vorweg. Die hier angekündigte Bewerbung für ein Kunststudium reicht Ursula erst nach zwei Dritteln des Buches ein. Zu Beginn des Buches ist sie erst fünfzehn Jahre alt und die Geschichte beschäftigt sich vor allem mit ihrem Weg hin zu dem Entschluss, ihre Leidenschaft für Kunst zum Beruf machen zu wollen. Es wird einen weiteren Band mit ihren Erlebnissen als erwachsene Frau geben, der im August erscheint. Ein Nachwort der Autorin gibt Aufschluss darüber, welche Aspekte des Romans historisch belegt sind. Historisch interessierten Leser:innen, die Lust auf Einblicke in die Künstlerszene Berlins in den 1910er Jahren haben, empfehle ich das Buch gerne weiter.

Veröffentlicht am 14.02.2022

Oper und Liebe

Unser wirkliches Leben
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Die vierundzwanzigjährige Anna hat es geschafft, an dem renommierten Opernschule am Konservatorium in London angenommen zu werden. Nur zwölf Studenten werden jedes Jahr ausgewählt. Dennoch ist der Kampf ...

Die vierundzwanzigjährige Anna hat es geschafft, an dem renommierten Opernschule am Konservatorium in London angenommen zu werden. Nur zwölf Studenten werden jedes Jahr ausgewählt. Dennoch ist der Kampf um die begehrten Rollen hart und die Miete teuer. Deshalb tritt Anna regelmäßig in einer Jazzbar auf. Dort trifft sie eines abends auf den vierzehn Jahre älteren Max, der einen gutbezahlten Job in einer Bank hat und in einem schicken Apartment mit Blick auf die ganze Stadt wohnt. Die beiden beginnen, sich regelmäßig zu treffen. Anna will alles dafür tun, um ihre Opernkarriere voranzubringen. Max zeigt sich prinzipiell unterstützend, hinterfragt aber immer wieder kritisch, ob ihr der Durchbruch als Opernstar wirklich gelingen kann und welches Leben Anna eigentlich anstrebt. Diese muss sich entscheiden, wofür sie ihre Energie investieren will.

Das Buch startet mit der ersten Begegnung zwischen Anna und Max in der Jazzbar, in welcher dieser sie nach einem Auftritt anspricht. Statt wie viele ihren Gesang zu loben gibt er zu, sich nicht sonderlich damit auszukennen. Mit seiner schlagfertigen und geheimnisvollen Art fasziniert er Anna und die beiden beginnen, sich zu treffen. Nach kurzer Zeit gibt er zu, sich in einem Scheidungsprozess zu befinden, außerdem fliegt er ständig nach New York und verbringt die Wochenenden in einem Haus auf dem Land, ohne sie einzuladen. Ihre besten Freundin Laurie, mit der sie zusammen zur Untermiete bei einem verschrobenen Ehepaar wohnt, hinterfragt immer wieder, ob er der Richtige für Anna ist. Trotz allem trifft sie sich weiterhin mit ihm.

Als Leserin erhielt ich zahlreiche Einblicke in Annas Studienalltag. Ihre Gesangslehrerin ist überzeugt von ihrem Potenzial, doch Anna sieht sich aufgrund ihrer finanziellen Situation benachteiligt. Die anderen Studenten scheinen alle finanzielle Rücklagen zu haben und sich voll und ganz auf ihr Studium konzentrieren zu können, während sie in der Jazzbar auftreten muss und in beengten Verhältnissen lebt. Auch die Vorsingen für diverse Rollen verschlingen Bewerbungsgebühren und Reisekosten, obwohl in den allermeisten Fällen eine Absage kommt. Die Autorin hat selbst kurze Zeit wie Anna an einem Konservatorium in London studiert und ich erlebte ihre Einblicke in diese Welt als authentisch.

Anna hat sich an Anfang der Geschichte voll und ganz dem Ziel verschrieben, eine erfolgreiche Opernsängerin zu werden. Max gegenüber äußert sie jedoch immer wieder auch ihre Frustration über die Rahmenbedingungen des Studiums. Ich wusste beim Lesen nie so ganz, was ich von ihm halten soll. In manchen Momenten gibt er ihr Kraft und wirkt unterstützend, in anderen sät er Zweifel und zeigt sich besitzergreifend. Dass die beiden keine gesunde Beziehung führen, ist offenbar. Das liegt aber nicht nur an Max, sondern auch Anna trägt ihren Teil dazu bei und macht sich selbst zunehmend abhängig von ihm, obwohl sie eigentlich eine eigenständige, moderne Feministin sein will. In manchen Situationen fragte ich mich, wer hier eigentlich wen mehr ausnutzt.

Beim Lesen erlebte ich eine langsame Abwärtsspirale und wartete auf den großen Knall. Nach diesem sind keine 100 Seiten mehr übrig und nachdem das Tempo lange sehr ruhig war ging mir alles zu schnell. Ich hätte mir eine ausgewogenere Länge der insgesamt vier Buchteile gewünscht. Außerdem fand ich Annas Umgang mit Geld an einigen Stellen nicht nachvollziehbar. Beispielsweise weiß sie in London günstig zu wohnen, sieht sich aber nicht in der Lage, für wenig Geld nach Paris zu kommen und dort zu übernachten.

„Unser wirkliches Leben“ ist ein Entwicklungsroman, in dem ich Anna auf dem Weg zur Opernsängerin begleitete und erlebte, wie sich dieser auf ihr Leben auswirkt, vor allem auf die Beziehung zu ihrer Freundin Laurie und ihrem Liebhaber Max, und umgekehrt. Trotz kleiner Kritikpunkte hat mir der Roman gut gefallen. Ein gewisses Interesse für die klassische Musikszene sollte man mitbringen, da die Einblicke in Annas Studium recht ausführlich sind.