In den Bergen daheim
Als Antonie die ersten Schritte nach Tannau setzt, schlägt ihr Misstrauen und Ablehnung entgegen, denn eigentlich hatte der Bürgermeister einen Lehrer und keine weibliche Lehrkraft als Ersatz für den erkrankten ...
Als Antonie die ersten Schritte nach Tannau setzt, schlägt ihr Misstrauen und Ablehnung entgegen, denn eigentlich hatte der Bürgermeister einen Lehrer und keine weibliche Lehrkraft als Ersatz für den erkrankten Schulmeister erwartet. Aber so leicht lässt sich Antonie nicht ins Bockshorn jagen und zeigt den engstirnigen Bergdörflern, dass auch sie einen Dickkopf hat, wenn es darum geht, sich durchzusetzen. Und der Erfolg gibt ihr Recht - aus den Schüler:innen werden schnell kleine Verbündete, die ihre Lehrerin ins Herz geschlossen haben, eifrig lernen und so den Zugang zu Wissen und Bildung erhalten. Und dann ist das auch noch Förster Sebastian, in dessen Nähe Antonies Herz unweigerlich höher schlägt...
Bettina Seidl entführt die Leser;innen nicht nur in die Bertechsgadener Bergwelt rund um König Watzmann, sondern dreht die Uhr soweit zurück, dass ein Zeitsprung von 110 Jahren möglich wird. Die Köpfe der Tannauer Dorfbewohner:innen sind noch vollgestopft mit antiquierten Ansichten und weit davon entfernt, Frauen ihre beruflichen und privaten Wege gehen zu lassen.
Die Meisl ist eine oide Bissgurrn, die Haare auf den Zähnen hat und nichts unversucht lässt, um Antonie echte Wackersteine in den Weg zu legen. Der Bürgermeister tutet in das gleiche Horn und hält Antonie recht kurz, zeigt ihr unverhohlen seine Abneigung und hofft, dass er sie so aus Tannau verjagen kann.
Wenn Pfarrer Bichl auftaucht, zieht Güte und Freundlichkeit in die Geschichte ein, da er nicht nur das Herz dem rechten Fleck hat, sondern er weiß auch, wie er seine Schäfchen dazu bringt, dass sie Antonie in ihre Mitte aufnehmen und ihr wohl gesonnen sind. Ein Geistlicher, der seine Berufung mit Herz und Seele ausübt.
Die Schreibende schildert das karge dörfliche Leben in Tannau in sehr anschaulichen Bildern und lässt ihre Leser:innen auf der harten Schulbank Platz nehmen, bei den Chorproben mitwirken und so manchen Schicksalsschlag durchleiden.
Die Geschehnisse, die sich im Verlauf eines Jahres ereignen, lassen sich an den Festen des Kirchenjahres sehr schön miterleben - Ostern, Erntedank und Weihnachten fügen sich harmonisch in die kleinen Episoden rund um die Dorfbewohner:innen ein. Es gibt Dramatisches und Verluste zu beklagen, Geburten und Taufen und der Besuch des Prinzregenten setzt dem ganzen die sprichwörtliche Krone auf.
Antonie blüht immer mehr auf und macht eine enorme Entwicklung durch. Aus dem einstigen Waisenkind, das unbedingt Lehrerin werden möchte, ist eine starke junge Frau geworden, die Spaß am Unterrichten und der Wissensvermittlung hat . Sie geht ihren Weg mit offenem Herzen, ist geradlinig und stets eine gute Freundin und Wegbegleiterin. Gerade im Hinblick auf ihren Umgang mit ihren Schüler:innen ist sie ein Vorbild und sie zeigt, dass es weder Rohrstock noch sonstige Misshandlungen braucht, um die Kinder mit Freude und Neugier am Unterricht zu beteiligen und ihnen die Lerninhalte zu vermitteln.
"Die Dorflehrerin" ist ein angenehm zu lesender historischer Roman, der vor der Kulisse der Berchtesgadener Berge spielt, mit abwechslungsreicher Handlung und tollen Figuren überzeugt und den Leser:innen für die Dauer der Lektüre eine Heimat in den Bergen gibt.