Viel Philosophie, wenig Spannung
Nomaden von Laetoli„...In Afrika, Mister Anderson, ist das Paradies in Wahrheit eine Hölle. Lassen Sie sich nicht täuschen...“
Martin Anderson weilt auf Einladung von Professor Miller in Tansania. Anderson hatte auf Grönland ...
„...In Afrika, Mister Anderson, ist das Paradies in Wahrheit eine Hölle. Lassen Sie sich nicht täuschen...“
Martin Anderson weilt auf Einladung von Professor Miller in Tansania. Anderson hatte auf Grönland einen alten Wikingerhafen entdeckt. Doch nicht das hat Miller zu seiner Einladung bewogen, sondern dessen Beschreibung der Polarlichter. Miller ist Anthropologe. Er zeigt Anderson eine Fotografie von Laetoli. Dort hat er eine Lichterscheinung und alte Fußspuren aufgenommen. Stammen diese wirklich von Nomaden der Urzeit?
Der Autor hat eine Geschichte geschrieben, die sich kritisch mit Wissenschaft und Philosophie auseinandersetzt. Nur eines verliert er schnell aus den Augen – und das ist die obige Frage. Sie spielt in der Handlung kaum eine Rolle und bleibt am Ende offen. Es geht eher darum, wie sich die Nomaden von Laetoli weiterentwickelt haben. Was verbindet uns mit ihnen?
Wer einen spannenden Roman oder archäologische Ausgrabungen erwartet, ist bei dem Buch definitiv falsch. Es ist eine Kombination aus afrikanischer Reisebeschreibung und philosophischen Abhandlungen.
Der Schriftstil hat mich beeindruckt. Es sind erstaunlich konkrete Bilder über die Schönheiten und die Gefahren Afrikas, die der Autor verwendet. Dabei greift er auf außergewöhnliche Metapher zurück.
„...Der gnadenlos glühende Ball hatte sich gen Westen verschoben. Hitziger Atem zitterte über den Kraterboden. Zirruswolken schienen an den Himmel geschweißt, wie das Hemd an Andersons Körper...“
Obwohl der Handlung jegliche Spannung fehlt, fand ich dagegen einige der Diskussionen sehr spannend. So stellt Miller folgende Fragen:
„...Warum wanderte der frühe Mensch aus Ostafrika aus? Wohin brach er auf? Leiteten ihn die Sterne? Oder ein innerer Kompass?...“
Das Interessante daran ist, dass Miller den Antworten der Wissenschaftler misstraut. Sie sind ihm zu rational. Miller ergänzt:
„...In all den Jahren in Afrika ist mir klar geworden, dass es einen Grund geben muss, warum der Homo sapiens zum globalen Nomaden wurde. Vielleicht war es ein angeborener Wandertrieb...“
Was mich allerdings am Buch enttäuscht. Es gibt zu viele Fragen ohne Antwort oder wenigstens der Versuch einer Antwort. Hier ist eine weitere:
„...Wenn es einen Vorteil in der Evolution böte, aufrecht durch die Savanne zu laufen, warum tat es dann nur der Mensch?...“
Hier allerdings hat Miller die Idee einer Antwort.
Immer wieder schweifen Andersons Gedanken zurück zu seinen Forschungen auf Grönland. Dort war er der Spur des Wassers gefolgt. Wasser aber ist Mangelware in Afrika.
Nach Millers Tod und seinen eigenen schweren Unfall verlässt Anderson Afrika. Fünf Jahre später kehrt er zurück, um das Goldland Punt in Aksum zu finden. Wieder folgen Landschaftsbeschreibungen und eine Auflistung geschichtlicher Ereignisse. Andersons Ankunft in Aksum ist nur wenige Stunden vor der Bombardierung. Jetzt wird das Buch hochaktuell.
„...Der Krieg scheidet Mensch vom Tier, wisperte eine Stimme aus der Dunkelheit des Grabes. Es ist der Krieg, den der Nomade führt, immerzu...“
Wieder vergehen zwei Jahre, bevor ich Anderson in Jambiani auf Sansibar erneut treffe. Ein Gespräch zwischen ihm und einem ungarischen Professor beleuchtet einen anderen Aspekt der Evolution.
„...Schauen Sie, in der Natur herrscht die Konkurrenz. Wer sich am besten seiner Umwelt anpasst, überlebt. Wer nicht, stirbt aus. Nur beim Erbgut gibt es keine Konkurrenz. Ein einziges chemisches Alphabet bringt die gesamte Vielfalt des Lebens hervor...“
Nach dem Klappentext hatte ich ein anderes Buch erwartet. Der sollte dringend überarbeitet werden. Nachdem ich mich aber auf die Geschichte eingelassen habe, haben mich einige Aspekte durchaus zum Nachdenken gebracht. Außerdem zeigt das Buch, dass der Autor das Handwerk des Schreibens und die Kunst, mit Wörtern Bilder zu zaubern, sehr gut beherrscht.Meine Rezension möchte ich mit einem Zitat beenden, dessen Versuch einer Beantwortung sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht.
„...Viel wichtiger erscheint mir die Antwort auf diese Frage: Warum unterscheiden wir uns vom Tier? Mit welchem Sinn kam der Homo sapiens auf die Welt?...“