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Veröffentlicht am 29.03.2022

Der Erste

606
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Es ist der erste Gefängnisausbruch dieser Art. Aus einem Gefängnis in der Wüste Nevadas werden 606 Insassen befreit. Und es handelt sich um ein Hochsicherheitsgefängnis, wo etliche Gefangene in Todeszellen ...

Es ist der erste Gefängnisausbruch dieser Art. Aus einem Gefängnis in der Wüste Nevadas werden 606 Insassen befreit. Und es handelt sich um ein Hochsicherheitsgefängnis, wo etliche Gefangene in Todeszellen saßen. Die Wärterin Celine Osborne steht schlecht da. Aber sie wird jeden Einzelnen wieder einfangen. Aus welchem Grund wurde der Ausbruch inszeniert und wer steckt dahinter. Etwa John Kradle, der für den Mord an seiner Frau und seinem Sohn einsitzt, der aber alles versuchen will, um seine Unschuld zu beweisen. Oder Keeps, der mehr zu wissen scheint als man auf den ersten Blick so annehmen kann.

Sie sind schon echte Gegner Celine Osborne und John Kradle. Osborne ist von Kradles Schuld überzeugt und sie wird alles unternehmen, Kradle seiner Strafe zuzuführen. Dieser hat auch ohne Celines Hilfe alle Hände voll zu tun, um überhaupt am Leben zu bleiben. Schließlich hat sich ihn einer angeschlossen, der ab und zu schon mal einen würgen muss. Da kann er aber nichts dafür. Und diverse andere Gefangene oder besser gesagt Ex-Gefangene zerstreuen sich in die Freiheit. Kann Celine die Informationen nutzen, die Keeps in petto hat? Auch er ist ein Verbrecher, zweifelhaft, ob man ihm trauen kann.

Mit über 600 potentiellen Mitspielern ist dieser Thriller mit interessantem Ansatz doch etwas reichlich bestückt. Natürlich konzentriert sich die Autorin auf einige der Ausbrecher. Dennoch gehen mache Akteure auf dem Weg irgendwie verloren. Interessant bleibt dabei die Geschichte von John Kradle, der sich als sehr widerstandsfähig erweisen muss. Auch Celine Osborne, die Gefängniswärterin mit einem besonderen Backround, hat Persönlichkeit und trotz ihrer Vergangenheit doch ein gewisses Gottvertrauen. Ihr neu gewonnener Adlatus Keeps wirkt wie ein idealer gewitzter Inhaber einer Nebenrolle. Neben den sehr ansprechenden weiteren Büchern der Autorin wirkt dieser Roman stellenweise so, als habe sich seine Schöpferin etwas verzettelt oder nicht genug Zeit gehabt. Dennoch ein im Kern gelungener und spannender Thriller.

Veröffentlicht am 19.03.2022

Wie ein Gast

60 Kilo Sonnenschein
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Nur Gestur und die Kühe haben den Lawinenabgang überlebt. Sein Vater ist entsetzt darüber, dass sein ganzer Besitz, seine Frau und seine Tochter nicht mehr sind. Trotzdem versucht er Gestur ein Vater zu ...

Nur Gestur und die Kühe haben den Lawinenabgang überlebt. Sein Vater ist entsetzt darüber, dass sein ganzer Besitz, seine Frau und seine Tochter nicht mehr sind. Trotzdem versucht er Gestur ein Vater zu sein. Nicht lange danach ist Gestur allein und dann froh, dass er beim Kaufepapa unterkommt. Aber auch das ist nur eine Station. Gestur wird schließlich auf einem Bauernhof geduldet und er erlebt wie sich das Leben auf Island nach ändert. Da sei nur der neue Pfarrer erwähnt, dem die Kirche davonfliegt. Oder die Schiffe, die mit dem Versprechen von Amerika, anlanden.

Wie ist es für ein Kind, dass seine Familie früh verliert und dann zwar irgendwie nicht richtig gewollt wird, aber doch Sympathien findet. Gestur blickt auf die Veränderungen in seinem Ort. Konstanten bilden eher die Tiere, die ihn begleiten. Mit wachen Augen blickt Gestur um sich, sieht, was im Ort vor sich geht. Die Moderne geht auch an Island nicht vorbei. Die Arbeit ändert sich und die Menschen ändern sich. Und doch bleiben die Strukturen gleich, manche sind begünstigt und gewollt, andere wieder nicht. Und Gestur streift herum, denkt sich sein Teil und macht seinen Weg.

Auch in diesem Roman genießt man den besonderen Humor, mit dem der Autor seine Sätze garniert. Gleichzeitig erfährt man etwas über das schwere Leben der Landbevölkerung, das nur aus Eis, Schafen, viel Arbeit und wenig Lohn zu bestehen schien. Wenn man kein Islandkenner ist, fehlt vielleicht eine genauere zeitliche Einordnung. Dafür sind die witzigen und skurrilen Beschreibungen der Charaktere sehr unterhaltsam. Gestur, dessen Name wohl Gast bedeutet, ist ein heller Kopf mit außerordentlichem Überlebenswillen. Dieser reicht nicht nur für ihn, sondern auch für seine Umgebung. Auch wenn man unsicher ist, wie lange diese Erzählung im Gedächtnis bleibt, wo handelt es sich bei Gestur doch um einen sehr einnehmenden und sympathischen Charakter.

Veröffentlicht am 11.03.2022

Frauen von heute

In all deinen Farben
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Es sind alte Geschichten und Sagen, denen die Autorin ganz neue Kleider überstreift. Mal moderner, mal fast sagenhaft. Oft machen die jungen Frauen ihren Weg. Mitunter leben sie in gefährlichen Zeiten, ...

Es sind alte Geschichten und Sagen, denen die Autorin ganz neue Kleider überstreift. Mal moderner, mal fast sagenhaft. Oft machen die jungen Frauen ihren Weg. Mitunter leben sie in gefährlichen Zeiten, manchmal sind sie privilegiert, manchmal sehen sie sich selbst mit Makeln behaftet. Doch wie in der Jugend so häufig, machen sie eine Zeit der Veränderung durch. Eine Zeit, in der ihnen Gefahren begegnen können oder auch die Liebe.

Die meisten der hier vorliegenden Stories basieren auf bereits vorhandenen Geschichten, doch auch ein paar komplett selbst komponierte Kurzgeschichten kredenzt die Autorin den Leserinnen und Lesern. Es ist schon eine coole Mischung, mit etlichen ansprechenden Erzählungen mit Wurzeln aus der großen Teilen der Welt. Wenn allerdings manche Originale nicht so bekannt sind, kommt der Wiedererkennungseffekt ein wenig abhanden, der sonst dazu beitragen kann, die Abwandlung noch besser zu würdigen. Doch auch unabhängig davon, zeichnen die Kurzgeschichten häufig starke junge Frauen, die schnell Sympathie erwecken. Mitunter sind es Teenager mit der süßen ersten Liebe, mitunter kämpferische Amazonen, die doch auch eine empfindsame Seite haben oder auch gestandene Frauen, die sich doch nach einer verlorenen Liebe sehnen. In der Welt dieser Geschichten muss man sich erst etwas zurechtfinden, doch dann kann man den zuversichtlichen und positiven Tonfall richtig genießen.

Ein echter Hingucker ist das Zuversicht und Frechheit ausstrahlende farbenfrohe Cover. Es weckt den Gedanken, das will unbedingt in mein Regal.

Veröffentlicht am 07.03.2022

Die Vier

Der Ausflug
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Jedes Jahr fahren sie ins Grüne. Vier Freunde, die sich seit der Schulzeit kennen. Nur Josef lebt noch in ihrem Heimatort und von ihm erfahren sie die Neuigkeiten. Nun sind Amalia, ihr Bruder Bodo, Gero ...

Jedes Jahr fahren sie ins Grüne. Vier Freunde, die sich seit der Schulzeit kennen. Nur Josef lebt noch in ihrem Heimatort und von ihm erfahren sie die Neuigkeiten. Nun sind Amalia, ihr Bruder Bodo, Gero und Josef auf dem Weg zu einem Paddelausflug. Die Gegend ist ansprechend, aber einsam. Die Menschen, die dort leben, scheinen nicht sehr froh über die Urlauber zu sein. Schon zu Beginn im Gasthof haben die Freunde eine bedenkliche Begegnung. Sie überlegen, ob sie den Ausflug lieber abbrechen sollten. Doch der Wunsch nach dem unbeschwerten Zusammensein und die Freude an der Gemeinschaft siegt.

Eine Clique von Freunden will einen unbeschwerten Ausflug erleben und sie gerät unversehens in ein traumatisierendes Ereignis. Was mit einer freudigen und erwartungsvollen Autofahrt beginnt, wird zu einer wahren Zerreißprobe für die vier jungen Menschen, die sich schon bald nach der Ankunft fragen, wo sie da gelandet sind. Was für Menschen sind es, die auf der einen Seite Touristen empfangen wollen, auf der anderen Seite aber unfähig sind, Gäste auch wie Gäste zu behandeln. Ungünstig ist es, wenn dann auch noch ein Funkloch nach dem nächsten kommt.

Mit lockeren und leichten Worten führt der Autor seine Leser auf eine Tour de Force, die in der heutigen Zeit wirklich schwer zu ertragen ist. Ebenso wenig wie man einverstanden ist, mit den Handlungen gewisser Despoten, ist man einverstanden mit den miesen Verhalten Einheimischer, mit denen man gewiss nicht in einem Heim sein möchte. Unglaublich, dass ein Funkloch so riesig sein soll, dass man über Stunden und Tage keinen Empfang hat, um die Polizei zu rufen. In was für eine Gegend sind die Freunde da geraten? Man mag es sich nicht vorstellen. Hätte alles auch ganz anders kommen können? Verständlich ist es schon, wenn keiner glaubt, es könne tatsächlich so schlimm sein. Doch gerade heute sieht man, es ist so schlimm oder schlimmer. Über diesen Roman möchte man wahrscheinlich in friedlicheren Zeiten mehr nachdenken.

Veröffentlicht am 04.03.2022

Spurenleger

Die Theologie des Wildschweins (Ein-Sardinien-Krimi 1)
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Auf Sardinien zur Zeit der ersten Mondlandung sind Gesuino und Matteo beste Freunde. Die beiden 11jähren verstehen sich oft ohne Worte. Gesuino hat wegen einer Erkrankung Mühe zu reden. Doch er schreibt ...

Auf Sardinien zur Zeit der ersten Mondlandung sind Gesuino und Matteo beste Freunde. Die beiden 11jähren verstehen sich oft ohne Worte. Gesuino hat wegen einer Erkrankung Mühe zu reden. Doch er schreibt Dinge auf, die er allerdings schnell wieder vergisst. Dann wird Matteos versoffener Vater tot aufgefunden. Der örtliche Pfarrer, der Matteo zu Schutz unter seine Fittiche genommen hat, versucht seinen Schützling zu trösten. Aber noch am gleichen Tag erhängt sich die Mutter des Jungen. Tragischer kann es für Matteo kaum sein und er bespricht sich mit Gesuino. Plötzlich ist ist auch Matteo verschwunden.

Ein kleiner Ort auf Sardinien, die Bewohner bilden eine verschworene Gemeinschaft, die nach außen schweigt und nach innen ihre Angelegenheiten selbst regelt. Da hat der hinzu versetzte Polizist aus Norditalien keine Chance. Noch müht er sich mit der sardischen Sprache ab, die eine richtige Sprache ist und kein bloßer Dialekt. Es ist Sommer und es ist heiß. Hat das etwas dazu geführt, dass der Polizist einen neuen Fall zu seinen ungeklärten Fällen packen muss. Hoffentlich ist Matteo wirklich nur weggelaufen und nicht auch noch entführt. An Kindern vergreift man sich einfach nicht, das wissen alle im Dorf.

Der Titel des Buches weckt die Neugier des Lesers. Und auch der gewählte Schauplatz regt die Phantasie an, Sardinien, da würde man gerne mal Urlaub machen. So ganz hält der Roman nicht, was er verspricht. Die unterschiedlichen Perspektiven muss man sich selbst erschließen und das wirkt manchmal etwas verwirrend und es verwischt die Handlung. Der verschwundene Matteo ist sympathisch, aber kein Rettungsanker. Sein Freund Gesuino scheint kein Glückskind zu sein und doch mögen die Leute ihn und versuchen, ihn zu unterstützen. Dennoch erscheinen die späten 1960er doch etwas weit weg. Die Beschreibungen der Gegend und des möglicherweise beginnenden Tourismus’ sind dafür ansprechend und überzeugend. Der auf Kurzbesuch weilende Journalist erdet die Handlung und seins Empathie gegenüber Gesuino ist herzerwärmend.