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Veröffentlicht am 18.07.2022

Sommer der Veränderung

Hard Land
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Ich liebe Bücher, die in den Achziger Jahren spielen und mich an meine eigene Jugend erinnern. Benedict Wells hat dieses Gefühl, mich in dieser Zeit wiederzufinden, sehr gut umgesetzt, obwohl die Geschichte ...

Ich liebe Bücher, die in den Achziger Jahren spielen und mich an meine eigene Jugend erinnern. Benedict Wells hat dieses Gefühl, mich in dieser Zeit wiederzufinden, sehr gut umgesetzt, obwohl die Geschichte in den USA spielt und er selbst erst 1984 geboren wurde.
Letztes Jahr habe ich von Ewald Arenz "Ein großer Sommer" gelesen, das ebenfalls ein Comining-of-Age Roman ist und in den Achzigern spielt. Für mich ebenfalls ein 5 Sterne Buch.

Sam ist ein schüchterner 15jähriger Junge, dessen bester Freund vor kurzem mit seiner Familie aus der aussterbenden Kleinstadt Grady weggezogen ist. Seit der größte Arbeitgeber die Produktionsstätte verlegt hat, verlassen die Einwohner nach und nach den Ort in Missouri. Durch die Schließung der Firma ist auch Sam's Vater arbeitslos geworden. Seine schwerkranke Mutter arbeitet weiterhin in ihrer Buchhandlung. Die Ferien soll Sam bei seinen Kousins verbringen, was dieser ablehnt. In der Not sucht er sich einen Ferialjob im einzigen Kino, wo er auf Kristie, die Tochter des Kinobesitzers, Cameron und "Hightower" trifft. Alle drei sind älter als Sam und haben die Schule beendet. Im Herbst wechseln sie aufs College und werden Grady verlassen.
Sam ahnt noch nicht, dass dieser Sommer für ihn immer in Erinnerung bleiben wird und das nicht nur, weil seine Mutter sterben wird. Das ist kein Spoiler, denn diese Tatsache wird bereits im ersten Satz des Buches erzählt.

Wir begleiten Sam durch den Sommer. Es sind elf Wochen, die er mit seinen neuen Freunden verbringt, seinen ersten Ferialjob hat und sich zum ersten Mal verliebt.
Sam ist ein Außenseiter und seit sein einziger Freund Grady verlassen hat, ziemlich einsam. Zu seinem arbeitslosen Vater hat er keinen wirklichen Zugang, seine ältere Schwester hat die Kleinstadt schon als junges Mädchen verlassen und seine Mutter ist schwerkrank. Sam war mir von Beginn an sympathisch. Er steht genau an der Schwelle zum Erwachsen werden und erlebt einen unvergesslichen Sommer, der nicht nur positives für ihn bringt, ihn aber reifen lässt. Durch den Zuspruch seiner neu gewonnen Freunde findet er etwas Abwechslung und kommt mehr aus sich heraus. Seine Gedanken kreisen nicht immer nur um seine kranke Mutter, sondern auch um Freundschaft, erste Liebe und Abenteuer. Die Entwicklung von Sam ist wunderbar beschrieben und spannend zu lesen. Trotz einiger schwerer Themen schimmert in Wells Roman immer wieder Lebensfreude, Hoffnung und Optimismus durch.

Für mich sind Kirstie, Cameron und "Hightower" doch etwas klischeehaft geworden. Kirstie ist ein etwas ausgeflipptes junges Mädchen, das immer wieder ihre Grenzen austestet. Film-Nerd Cameron hat Angst vor seinem Coming-out und "Hightower" ist zwar der lokale Sport-Star, aber schwarz. Somit hat Wells auch das momentan vielbesprochene Thema LGBTQ in seinen Roman mit eingebaut.
Hier kommt neben dieser etwas kleinen negativ angehauchten Einschätzung auch mein einziger Kritikpunkt. Das Ende. Ich fand es etwas zu unglaubwürdig und kitschig und wäre mit einem anderen Schlusspunkt besser zurechtgekommen. Aber das ist natürlich Ansichtssache und verändert auch meine Bewertung nicht.

Interessant fand ich, wie Wells das Spiel mit dem Roman im Roman verwendet hat. In der Kleinstadt gibt es einen berühmten Autor, dessen Buch „Hard Land“ regelmäßig alle Schüler lesen müssen und trotzdem nicht verstehen. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden und der Begriff Coming-of-Age wird direkt im Buch erklärt.

Besonders gefreut habe ich mich natürlich auf das Achziger Jahre Feeling und das Kino. Ich bin selbst ein Kino-Fan und habe meine Jugend in diesem Jahrzehnt verbracht. Die Musik von Billy Idol, INXS und ELO begleiteten auch mich durch diese Zeit, genauso wie Marty McFly aus "Zurück in die Zukunft".

Fazit:
Ein wundervoller Roman über das Erwachsenwerden, authentisch und ruhig erzählt. Benedict Wells lässt die Achziger Jahre wieder auferstehen und den Leser elf Wochen lang Sam während eines wichtigen Lebensabschnittes begleiten. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 22.06.2022

Entwickelt einen Sog

Der Buchhändler
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Entweder hat mich dieser Thriller gerade zum richtigen Zeitpunkt erwischt oder ich habe wirklich seit langer Zeit wieder ein sehr gutes Buch aus diesem Genre in den Händen gehabt, welches mich überzeugen ...

Entweder hat mich dieser Thriller gerade zum richtigen Zeitpunkt erwischt oder ich habe wirklich seit langer Zeit wieder ein sehr gutes Buch aus diesem Genre in den Händen gehabt, welches mich überzeugen konnte.

Petra Johann ist für mich eine noch unbekannte Autorin, obwohl ich ihren Vorgänger "Die Frau vom Strand" hier auf dem SuB liegen habe. Das wird demnächst geändert!
Im Prolog liest man voller Entsetzten, wie ein Mann brutal gefoltert wird und dem Tod bereits nahe ist.
Danach geht es eher gemächtlich weiter und wir lernen den Buchhändler Erik Lange kennen. Er lebt seit kurzem von seiner Frau und Tochter getrennt, hat seine Heimatstadt verlassen und sucht einen Neuanfang. In der bayrischen Kleinstadt Neukirchen hat er eine neue Heimat gefunden und übernimmt eine renommierte Buchhandlung. Erik findet neue Freunde und wird Mitglied des Volleyballclubs. Man weiß, er hat eine Tochter, die ihm sehr fehlt und mit ihrer Mutter in einer anderen Stadt lebt, doch der Kontakt scheint schwierig zu sein. Als jedoch eines Tages die neunjährige Theresa, genannt Tessi, in aller Früh spurlos verschwindet, ändert sich die freundschaftliche Atmosphäre sehr schnell. Eine Suchmannschaft wird zusammengetrommelt und die Polizei verständigt. Hauptkommissarin Judith Plattner, die nach einem persönlichen Schicksalsschlag nie wieder eine Ermittlung leiten wollte, übernimmt gemeinsam mit der jungen und engagierten Polizistin Pia Meyer den Fall. Die beiden suchen im Umfeld des Mädchens nach dem mutmaßlichen Täter - und plötzlich steht auch der neu Zugezogene im Visier. Und dann macht jemand eine Entdeckung – mit fatalen Folgen..

Während der Thriller mit einem blutigen Prolog beginnt, entschleunigt die Autorin danach und punktet anschließend mit eher psychologische Spannung. Die Geschichte wird sowohl aus der Ich-Perspektive aus der Sicht von Erik, als auch von einem neutralen Erzähler erzählt.
Die Autorin nimmt sich viel Zeit die Charaktere vorzustellen, die Szenerie aufzubauen und das Kleinstadtleben zu beschreiben. Man könnte sogar sagen, es plätschert zu Beginn etwas dahin. Doch mit jeder Stunde, die vergeht und das Mädchen verschwunden bleibt, erhöht sich die Spannung.

Erik steht zwar im Fokus des Thrillers, ist aber nicht die einzige Hauptfigur des Romans. Ich fand es sehr interessant die Figuren mit all ihren Facetten und unterschiedlichen Charakteren kennenzulernen. Sind viele zu Beginn noch hilfsbereit und halten zusammen, ändert sich die Dynamik bald. Die Atmosphäre in der Kleinstadt beginnt sich zu ändern. Misstrauen kommt auf, welches durch Gerüchte und Lügen verbreitet wird und die zuvor friedliche Stimmung schlägt bald in eine gewaltbereite um, bis jeder jeden verdächtigt. Puzzlestein um Puzzlestein wird zusammengesetzt. Doch das sich ergebene Bild wird plötzlich durch eine unvorhergesehene Wendung wieder völlig neu gruppiert und so steuern wir immer mehr und mehr auf eine Katastrophe zu....denn nichts ist, wie es scheint!

Trotz des eher leisen Thrills entwickelte die Story für mich einen gewaltigen Sog und ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Ich hatte einen leisen Verdacht, der auch in die richtige Richtung ging, mich aber trotzdem völlig überraschte.
Die eingebauten Themen, wie Selbstjustiz und Pädophilie sind heftig und gesellschaftskritisch.
Das Ende ging mir dann fast zu schnell und es bleibt eine kleine Frage offen. Nachdem mich aber der leise Thriller sonst wirklich überzeugt hat, gibt es von mir trotzdem fünf Sterne.

Fazit:
Ein leiser Thriller, der sich langsam aufbaut und das beginnende Misstrauen in einer Kleinstadt perfekt vermittelt. Spannend, mit sensiblen Themen und einem Sog, den ich mich nicht entziehen konnte. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 04.06.2022

Wann ist es Sterbehilfe und wann Mord?

Die sieben Schalen des Zorns
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Bisher habe ich jeden Roman von Max Thiele aus dem Benevento Verlag gelesen. Seine Bücher sind von realen Justizfällen inspiriert. Man erkennt als Leser sehr schnell, dass der Autor selbst promovierter ...

Bisher habe ich jeden Roman von Max Thiele aus dem Benevento Verlag gelesen. Seine Bücher sind von realen Justizfällen inspiriert. Man erkennt als Leser sehr schnell, dass der Autor selbst promovierter Rechtsanwalt ist.

In seinem neuen Justizroman hat sich der Autor einem hochsensiblen Thema angenommen. Es geht um Sterbehilfe und die Frage, wo das Recht auf einen selbstbestimmten Tod aufhört. In Österreich, wie auch in Deutschland, ist Sterbehilfe eine rechtliche Grauzone und die Justiz hat viele Schlupflöcher. Als Laie hat man meistens eine doch vorgefertigte Meinung dazu, doch schon ein kleiner Handgriff kann einem vom "Helfer" zum "Mörder" degradieren, denn nur wenn der Sterbewillige die tödlichen Substanzen eigenständig einnnimmt, bleibt der Vorgang straffrei.
Als die Tante von Dr. Max Keller an Alzheimer erkrankt, lässt sie zu Beginn ihrer Krankheit ihren Wunsch schriftlich festhalten, dass sie sterben möchte, bevor sie niemanden mehr erkennt und keine Tätigkeit mehr selbst ausführen kann. Max verabreicht ihr die tödliche Dosis und wird angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, dass seine Tante nicht mehr in der Lage war, die tödliche Substanz eigenständig einzunehmen. Max droht eine Freiheitsstrafe, sowie der Verlust seiner Arztlizenz. Der Grad zwischen Recht, Rechtsprechung und Mord ist klein.

Die Vorgängerromane des Autors haben mich beide begeistert. In "Die Schalen des Zorns" hat er jedoch ein Meisterwerk geschaffen. Mich hat die Geschichte rund um Max, Jonas, Agnes und ihre Mutter Maria richtig mitgenommen. Der Autor erzählt wieder auf zwei Zeitebenen. Dem Leser gibt dies Einblicke in das Innenleben sämtlicher Protagonisten und Antagonisten.
Max als Angeklagter, der auf Wunsch seiner Tante Sterbehilfe geleistet hat und Jonas, der als Staatsanwalt das Verfahren eröffnet, sind sehr vielschichtige Figuren. Durch die Rückblicke in die Vergangenheit lernt man die beiden Freunde, die Verstorbene und ihre Tochter sehr gut kennen. Ihre interessanten Vergangenheiten, zerstörten Hoffnungen und Träume werden sehr bildhaft erzählt.
Mehr will ich zum Inhalt gar nicht mehr sagen, denn Max Thiele versteht es großartig immer wieder neue Sachverhalte aufzudecken, überraschende Wendungen einzubauen und viele Facetten der Charaktere zu zeigen.

Egal, wie man zur Sterbehilfe steht, man erkennt wie schwierig dieses Thema ist und wieviele Grauzonen es hat. Der Autor gibt viele Denkanstöße, wertet nicht und hebt dabei nie den Zeigefinger. Unaufdringlich flicht er dabei auch das Thema Glauben und Religion ein. Als Leser fragt man sich willkürlich, wie man selbst gehandelt hätte.
Mit seiner Art das Gesetz auch für Laien verständlich zu machen kann der Autor immer wieder mit seinen Romanen bei mir punkten. Der Titel wird im letzten Drittel des Buches für den Leser verständlich, wenn er wie ich keine Ahnung von der Bibel hat.

Markus Thiele schreibt über Themen, die ich in früheren Büchern von Jodie Picoult geliebt habe, die aber leider kaum mehr in ihren letzten Romanen Platz finden. Umso mehr freue ich mich in Zukunft auf weitere spannende Romane des Autors.


Fazit:
Ein Roman mit einem sehr herausfordernden Thema, der mich von der ersten Seite an gefesselt und emotional mitgenommen hat. Die Geschichte hallt noch lange nach und gibt viele Denkanstöße. Für mich ist "Die sieben Schalen des Zorns" der bisher beste Roman des Autors. Natürlich gibt es eine riesige Leseempfehlung von mir!
Ein Tipp: Wer gerne Ferdinand von Schirach liest, könnte auch mit Markus Thiele Freude haben.

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Veröffentlicht am 16.03.2022

Ein Blick zurück auf die "wilden" Fünfziger Jahre

Der Salon. Wunder einer neuen Zeit
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In "Der Salon" versucht sich Autorin Julia Fischer das erste Mal im historischen Fach und es ist ihr wirklich gelungen.
Ich durfte bei der Lesejury nach langer, langer Zeit wieder einmal bei einer Leserunde ...

In "Der Salon" versucht sich Autorin Julia Fischer das erste Mal im historischen Fach und es ist ihr wirklich gelungen.
Ich durfte bei der Lesejury nach langer, langer Zeit wieder einmal bei einer Leserunde dabei sein. Darüber habe ich mich ganz besonders gefreut, denn die Bücher der Autorin liebe ich sehr. Und sie hat auch diesmal wieder einen wunderbaren Roman erschaffen, der zeigt, dass sie auch historisch kann.

Wir begeben uns im Jahr 1951 nach Hebertshausen bei Dachau in Oberbayern, wo Leni bei ihrer Mutter im Salon das Friseurhandwerk erlernt. Fünf Jahre später träumt die junge Frau davon den Salon zu Hause zu modernisieren, doch ihre Mutter will davon nichts wissen. Als sie ein Stellenangebot beim angesagten Münchner Salon Keller entdeckt, bewirbt sie sich und bekommt eine Zusage. An einer der besten Adressen Münchens lernt Leni nicht nur neue moderne Frisuren, sondern auch mondäne Kundinnen kennen, wie die ehemalige Tänzerin Sasa Sorell oder die Amerikanerin Miss Randall.

Auch Lenis Bruder Hans lebt in München, wo er Medizin studiert. Leni und ihre Mutter Käthe finanzieren mit ihrer Arbeit sein Studium, doch seine Liebe gilt der (Jazz)Musik. Er ist ein begnadeter Trompeter und müht sich durch das Medizinstudium, um den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen, der als verschollen gilt. Hans verliebt sich in die verheiratete Charlotte, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist. Neben Hans und Leni treffen wir auch noch auf seine Kommilitonen Karl und Schorsch, sowie die unkonventionelle Frieda. Während Karl aus reichem Hause kommt und das Studium nicht so ernst nimmt, arbeitet Frieda als Schaffnerin, um sich dieses zu finanzieren. Georg, genannt Schorsch, möchte vorallem den Menschen helfen und später einmal Landarzt werden. Alle von ihnen suchen noch einen Platz im Leben und es war spannend ihre Jahre in München zu mitzuverfolgen.

Julia Fischer hat die Atmosphäre dieser Zeit wunderbar eingefangen. Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren erfahren die Jugendlichen eine neue Zeitrechnung mit hipper Jazzmusik, Tanzkellern und neuen Filmsternchen. Die Mode wird bunter und fröhlicher, die Frisuren kürzer oder pfiffiger. München gehörte damals zur amerikanischen Besatzungszone und wurde durch die Kultur und Lebensweise die Soldaten beeinflusst. Die jungen Leute träumten von einer Zukunft ohne Konventionen. Noch waren die Gesetze und der Verhaltenskodex - vorallem für Frauen - aber streng. Das spürt auch Charlotte, deren Ehemann sie weder arbeiten lässt, noch unterstützt. Im Gegenteil....

Die Autorin hat ihre Figuren wunderbar lebendig gezeichnet. Mit Leni hat sie eine sehr ehrgeizige junge Frau erschaffen, die nur so voller Ideen sprüht. Neben der Friseurausbildung widmet sie sich auch noch der Herstellung von Naturkosmetik, die sie von ihrer Großmutter erlernt hat. Manchmal erschien mir Leni wie ein Tausendsassa. denn als Frau hat sie es zu dieser Zeit besonders schwer. Der musikalische Anteil durch Hans, der mit seiner Trompete in diversen Jazzkellers auftritt, hat mein Herz ebenfalls höher schlagen lassen. Und mit Frieda und Schorsch, wie auch mit Karl und Charlotte, habe ich eine tolle Zeit in München der Fünfziger Jahre verbtacht. Ich war mit Hans im Jazzkeller, habe mit Leni Cremen hergestellt und mit Schorsch fotografiert. Sehr ans Herz gewachsen ist mir aber auch Käthe, die Mutter von Leni und Hans.

Doch Julia Fischer hat ihre Figuren nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens geparkt, sondern ihnen auch Leid und Schmerz zugefügt. Im Leben gibt es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, sondern auch schwere Schicksalsschläge und neue Herausforderungen. Genau dieses Gefühl hat die Autorin hier wunderbar vermittelt. Trotzdem hat mich das Ende dann doch etwas schockiert zurückgelassen.
Im zweiten Teil der Dilogie werden wir mehr über das weitere Schicksal von Leni erfahren. Darauf freue ich mich schon sehr.

Fazit:
Eine wunderbare Reise in die Fünfziger Jahre, die mich Zeit und Raum haben vergessen lassen. Julia Fischer hat großartig recherchiert und KEINEN Wohlfühlroman geliefert, sondern eine lebensahe Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe und weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 05.03.2022

In gar nicht so weiter Zukunft

Der letzte Weg
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Wow! Dieser dystopische Roman hat mich mitgenommen in eine Welt, die so einige Parallelen zu unserer Corona Situation aufweist, aber auch den Blick in eine mögliche Zukunft wirft. Teilweise wirklich erschreckend! ...

Wow! Dieser dystopische Roman hat mich mitgenommen in eine Welt, die so einige Parallelen zu unserer Corona Situation aufweist, aber auch den Blick in eine mögliche Zukunft wirft. Teilweise wirklich erschreckend! Ich muss auch noch betonen, dass die Autorin diesen Roman VOR der Pandemie 2019 geschrieben hat!

Zu Beginn lernen wir Kate, eine Krankenschwester, kennen. Sie hat jedoch nicht die Aufgabe ihre Patienten gesund zu pflegen, sondern ihnen Sterbebegleitung zu geben. Durch die jahrelange Verabreichung von Antibiotika, nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch durch Massentierhaltung in der Landwirtschaft, ist eine Immunisierung eingetreten. Umso mehr Antibiotika in die Umwelt gelangen, umso schneller entwickeln sich Resistenzen und diese hören auf zu wirken! Deshalb werden Menschen ab siebzig Jahre keine Medikamente mehr verabreicht, sondern sie werden auf ihren letzten Weg geschickt. Aber auch jüngere Bürger sehen sich täglich der Gefahr ausgesetzt, durch einen harmlosen Kratzer schwer zu erkranken und womöglich zu sterben, weil kein Medikament mehr anspricht.
Für Kate ist ihr Job schon alltäglich geworden, als sie auch von ihrer Mutter Abschied nehmen muss und kurz vor ihrem Tod erfährt, dass sie adoptiert wurde. Als sie sich auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter Mary macht, lassen sich keinerlei Hinweise über sie finden. Doch so schnell gibt Kate nicht auf....

In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir Lily kenen, die in einem luxuriösen Seniorenheim lebt und kurz vor ihrem 70. Geburtstag steht. Sie fürchtet sich nicht nur vor der magischen Zahl, die immer näher rückt, sondern auch vor der Vergangenheit, denn sie hat in ihrem Leben etwas getan, was sie noch immer verfolgt...

Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Zu Beginn erfordert das Lesen deswegen auch etwas an Konzentration. Zusätzlich gibt es noch Zeitsprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Doch man findet schnell in die Handlung und lernt die Figuren immer besser kennen. Durch kleine Cliffhanger am Ende der Kapitel wird man subtil zum Weiterlesen aufgefordert. Das wäre gar nicht notwendig gewesen, denn ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Der Schreibtil ist fesselnd und die Charaktere sind sehr lebendig gezeichnet. Die Autorin erklärt sämtliche medizinische und wissenschaftliche Themen verständlich und anschaulich. Man erkennt, dass wir bereits teilweise in diesem Zukunftsszenario stecken und wir einen anderen Weg einschlagen müssen. Dabei erhebt Eve Smith aber keineswegs den Zeigefinger, obwohl sich bei diesem Thema etliche moralische Fragen stellen und es unterschwellige Gesellschaftskritik gibt. Dem Leser wird vor Augen geführt, was in gar nicht so weiter Zukunft passieren könnte, wenn wir keinen anderen Weg einschlagen. Das macht die Geschichte noch authentischer.
Mich haben die Handlung, aber auch die Hintergründe zum Thema gefesselt. Gerne empfehle ich diesen dystopischen Spannungsroman mit Thrillerelementen und einem Familiendrama, weiter!


Fazit:
Ein wirklich spannender und beängstigender Roman, den man nicht ganz in ein fixes Genre einordnen kann. Eva Smith hat in "Der letzte Weg" leichte Thrillerelemente, Familiendrama und Dystopie, die schon in der nahen Zukunft spielen könnte, perfekt vermischt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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