„Besser spät als nie“ – Solider Krimi, dem es etwas an Raffinesse fehlt und sich ein wenig Spannung leider erst gegen Ende aufbaut.
Bisher war ich krimitechnisch eher in südlichen Gefilden unterwegs. Gern wollte ich aber auch einmal
einen eher nordisch geprägten Krimi ausprobieren. Und freute mich umso mehr mit "Deichfürst", dem ersten ...
Bisher war ich krimitechnisch eher in südlichen Gefilden unterwegs. Gern wollte ich aber auch einmal
einen eher nordisch geprägten Krimi ausprobieren. Und freute mich umso mehr mit "Deichfürst", dem ersten Band der Krimireihe "Ein Fall für Kommissar Möllenkamp" von Heike van Hoorn ein Rezensionsexemplar als eBook bei der Lesejury gewonnen zu haben.
Klappentext
Der reiche Bauer Tadeus de Vries wird ermordet aufgefunden - jämmerlich erstickt in einem Holzsarg! Mögliche Täter gibt es einige, denn Tadeus hat sein Leben lang die Menschen um sich herum gedemütigt und schikaniert. Kein einfacher Fall für Stephan Möllenkamp, den neuen Hauptkommissar bei der Kripo Leer in Ostfriesland. Zum Glück stehen ihm seine patente Frau Maike und die resolute Lokalreporterin Gertrud Boekhoff bei den Ermittlungen tatkräftig zur Seite ...
Rezension
In die Geschichte und den Schreibstil habe ich sehr gut hineingefunden u.a., weil auch die Kapitel einen angemessenen Umfang haben. Durch die Verwendung des norddeutschen Dialektes an einigen Stellen wurde zusätzlich zu weiteren, für mich liebevoll ausgewählten DetailiInformationen, wie dem „Friesennerz“, nordisches Flair in die Story gebracht. Für mich alles in allem ein gut strukturiertes Buch, in dem die Autorin eine sehr gut gewählte Thematik mit aktuellen und historischen Erzählstrang verwoben hat, welche auf zwei Zeitebenen erzählt werden. Beide Erzählstränge haben großes Potenzial zur Lösung des Kriminalfalls beizutragen. Man wird sehr gut zwischen beiden Erzählzeiten durch die Datierung der Kapitel und den kursiven Drucksatz für die Kapitel, die die Vergangenheit betreffen, geleitet.
Motive liegen somit sehr viele auf dem Tisch, was mich doch an der ein oder anderen Stelle zum Nachdenken angeregt hat. Somit ist der Kriminalfall an sich geschlossen und interessant.
Die erzählten regionalen Charaktere sind, dank kleiner Details, realistisch skizziert worden. Im Gegensatz dazu bleiben die Hauptprotagonisten Kommissar Möllenkamp und die Journalistin Gertrude, ein wenig zu flach. Für mich ggf. auch der Tatsache geschuldet, dass uns mit „Deichfürst“ Band 1 einer Krimireihe vorliegt und die Autorin sich noch etwas Entwicklungspotenzial der beiden Protagonisten für die Fortsetzung der Krimireihe in der Rückhand behalten möchte. Das Team Möllenkamp und die Journalistin Gertrude steckten auch am Ende noch in den Kinderschuhen. Nach den ersten Drittel des Buches und dem Klappentext hatte ich hier etwas anderes bzw. mehr erwartet. Eine Bindung konnte ich zu keinen von beiden aufbauen. Am intensivsten wurde der Charakter des Opfers herausgearbeitet, ob dies ausreicht den Leser zum weiterlesen in Band 2 animieren, mag ich bezweifeln. Oft ist doch die Sympathie, manchmal auch Antipathie, die uns mit einem Kommissar oder Ermittlerteam verbindet das was uns einer Krimiserie treu bleiben lässt. Das Team um Kommissar Möllenkamp ist vielfältig besetzt, aber auch hier sind die Charaktere zu platt oder in dem ein oder anderen Fall schon wieder so klischeebehaftet, dass es einfach für mich „too much“ ist. Leider agiert das Team für mich zu wenig, die Ermittlungsarbeit bleibt sehr im Hintergrund der Geschichte.
Trotz der vielen, nachvollziehbaren, Motive ist es der Autorin leider nicht gelungen einen entsprechend hohen, über die gesamte Story gehenden, Spannungsbogen aufzubauen. Die Geschichte nimmt erst im letzten Drittel etwas an Fahrt auf. Die Knappheit dieses Statements mag wohl auch ein Indikator für den nicht besonders gut herausgearbeiteten Spannungsbogen sein. Vermisst habe ich einen wirklichen Pageturner, der mich mit dem Team um Möllenkamp und Gertrude mitfiebern ließe.
Gut gefallen hat mir aber das Ende: Der Fall ist gelöst, aber die Ermittlungsakte wird durch Möllenkamp noch nicht komplett geschlossen. Es bleibt ein kleiner Cliffhanger für die Fortsetzung der Krimireihe.
Fazit
Ich bin in Bezug auf den Krimi etwas unschlüssig, die Story ist wirklich gut und hat Potential. Für mich ist der Autorin der Spagat zwischen dem ersten Band einer Krimireihe mit der notwendigen Darstellung der Charaktere, des Teams, der Region u.a. und einem spannenden Kriminalfall leider nicht gelungen. Im Ergebnis blieben beide Aspekte leider auf der Strecke. Das Potential der Story wurde für mich nicht ausgeschöpft.
Wer einen spannenden, rasanten, durch Pageturner gezeichneten Krimi sucht, den er nicht weglegen kann bevor er die Lösung kennt, für den ist der „Deichfürst“ von Heike van Hoorn sicherlich nicht die erst Wahl. Sucht man aber einen unterhaltsamen, flüssig zu lesenden Krimi, dann kann man gern zugreifen.
Kurzfazit
„Besser spät als nie“ – Solider Krimi, dem es etwas an Raffinesse fehlt und sich ein wenig Spannung leider erst gegen Ende aufbaut.
Bewertung
2,5/5 ★