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Veröffentlicht am 30.03.2022

Wow wow wow

Wo die Wölfe sind
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Wow, was für ein (Hör-) Buch!

Wo die Wölfe sind
Charlotte McConaghy
Gelesen von Eva Meckbach

Inti Flynn und ihre Zwillingsschwester sind im Wald bei ihrem Vater aufgewachsen. Sie sind hervorragende Fährtenleserinnen ...

Wow, was für ein (Hör-) Buch!

Wo die Wölfe sind
Charlotte McConaghy
Gelesen von Eva Meckbach

Inti Flynn und ihre Zwillingsschwester sind im Wald bei ihrem Vater aufgewachsen. Sie sind hervorragende Fährtenleserinnen und können im Wald autark, einzig von der Jagd, leben. Sie sind Seelenverwandte, spüren, wenn es dem anderen nicht gut geht und waren bis heute keinen Tag voneinander getrennt. Doch es gab einen Tag in der Vergangenheit, da konnte Inti ihre Schwester nicht beschützen...

Inti reist mit mit ihrer Schwester und einer Truppe von Wolfexperten nach Schottland, um in den abgelegenen Wäldern ein Wolfsrudel neu anzusiedeln. Diese Wölfe sollen helfen, das Gleichgewicht von Wäldern, Rotwild und Natur wiederherzustellen.
Dieses ganze Vorhaben stößt allerdings auf einen großen Widerstand seitens der Dorfgemeinschaft, die vor allem Angst um ihr Vieh hat.
Inti legt sich unter anderen mit dem Farmer Stuart an, der sich nicht nur ihr gegenüber aufspielt, sondern scheinbar auch seine Frau regelmäßig verprügelt.
Als Stuart dann eines Tages spurlos verschwindet, hat die Dorfgemeinschaft als erstes die Wölfe in Verdacht.

Leise, still und schön beginnt das Buch. McConaghy spielt mit wunderschönen Worten und Sätzen. Ich lasse mich verzaubern …
„Meine Schwester war oft sehr direkt. Am liebsten hätte ich die Worte eingefangen und sie ihr wieder in den Mund gestopft. (…) Aber ich konnte die Worte meiner Schwester nicht mehr ungesagt machen.“ (S.27)

Als sich schon fast ein Wohlfühlgefühl einstellen will, passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass ich fast das Atmen vergesse. Es kommt mit einer Wucht und es wird blutig. Dabei kommen wir, die Menschheit, nicht gut weg. Gnadenlos hält uns die Autorin den Spiegel vor. Sie geht mit uns hart ins Gericht, ich denke - zu Recht. Dabei hat die Autorin ein gutes Gefühl dafür, was sie uns zumuten darf ohne das wir uns belehrt oder überfordert fühlen.

Fazit:
Ein wunderbarer, fesselnder Roman, ein wirkliches Highlight! Eine Geschichte, die man nur so verschlingt und eigentlich möchte man gar nicht, dass sie je endet. Ich möchte unbedingt ihren ersten Roman lesen!
Ganz große Lese/Hörempfehlung von mir. 5 / 5 Sternen

Da ich nicht nur das Buch gelesen, sondern auch unterwegs das Hörbuch verschlungen habe, möchte ich unbedingt noch die Sprecherin Eva Meckbach erwähnen: Diese klare Stimme hat Inti wirklich real werden lassen. Wunderbar!

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Veröffentlicht am 08.03.2022

Wichtiges Thema

Die Kinder sind Könige
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Mit ihrem neusten Roman zeigt uns Delphine de Vigan wieder auf, was für eine begnadete und facettenreiche Autorin sie ist.

Delphine de Vigan
Die Kinder sind Könige

Mélanie wollte immer ein Reality-Star ...

Mit ihrem neusten Roman zeigt uns Delphine de Vigan wieder auf, was für eine begnadete und facettenreiche Autorin sie ist.

Delphine de Vigan
Die Kinder sind Könige

Mélanie wollte immer ein Reality-Star sein, doch ihre einzige Chance konnte sie als Jugendliche nicht nutzen.
Nach der Geburt ihrer zwei Kinder wird aus Mélanie eine bekannte Youtuberin mit Millionen von Followern. Alles was die Kinder machen, jedes Essen, unboxing (Auspacken von Päckchen, Spielzeug und Süssigkeiten) oder shoppen, wird gefilmt und auf ihren Channel gepostet. Aufgrund ihres Erfolges, hat ihr Ehemann bereits seinen Beruf aufgeben können, um seine Frau zu unterstützen.
Doch deren gemeinsame Tochter Kimmy verliert den Spaß an der Sache und ist immer unfreiwilliger dabei.

Die zweite Protagonistin in diesem Buch ist Clara, Polizisten in Paris.

Beide Frauen begegnen sich zum ersten Mal als Kimmy während eines Versteckspiels mit ihren Freunden, im Vorgarten, spurlos verschwindet…

De Vigan spricht ein super zeitgenössisches und hochexplosives Thema an: Darf man Kinder dazu benutzen selber ein YouTube Star zu werden? Und darf man in der heutigen Zeit Kinderbilder und Videos unverpixelt ins Netz stellen?
Die Nutzung privater Bilder durch Pädophilennetze ist bewiesen und trotzdem laden Tausende von Eltern täglich die Fotos ihrer Kinder ins Netz hoch.

‚Glauben sie etwa, die (Kinder) dürften sagen >>Nein, ich kann nicht mehr, ich höre auf<<, wenn die ganze Familie von den Einkünften aus Videos lebt? (…)
Ich glaube nicht, dass ein dreijähriges Kind davon träumt, YouTube-Star zu werden … Sie werden von klein auf rekrutiert wie in einer Sekte. Und die Grundregeln stehen von Anfang an fest: Ich bin YouTuber, also bin ich glücklich. Ich nenne das Totalitarismus. Mélanie Claux hat ihnen möglicherweise gesagt, dass ich ihr Feind bin. Das stimmt. Ihr Feind und der Feind aller Eltern, die ihre Kinder ausbeuten. (…)' S.108/Tolino

Und welcher Schaden entsteht eigentlich den Kindern, die diese Art von ‚Werbung‘ jeden Tag anschauen?

‚Das sind nicht nur ein paar Dutzend Kinder, das sind Hunderttausende. Big Macs futtern, Haribo-Bonbons kauen, Cola und Fanta trinken… Das stellt man ihnen als Ideal hin. Tolles Ideal, oder?‘ S109/Tolino
(Markennamen sind aus dem Buch zitiert und nur deshalb genannt)

Fazit: No futher comments needed! Super Buch! De Vigan ist und bleibt meine Lieblingsautorin

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Veröffentlicht am 26.02.2022

Ergreifendes Buch

Das Mädchen mit dem Drachen
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Obwohl dieses Buch nur 272 Seiten hat, wiegt es schwer…

Das Mädchen mit dem Drachen
Laetitia Colombani
Aus dem Französischen von Claudia Marquardt

Nach Lénas schrecklichem Erlebnis in Frankreich zieht ...

Obwohl dieses Buch nur 272 Seiten hat, wiegt es schwer…

Das Mädchen mit dem Drachen
Laetitia Colombani
Aus dem Französischen von Claudia Marquardt

Nach Lénas schrecklichem Erlebnis in Frankreich zieht es sie in die Ferne. Weit weg, weg von dem Ort wo es mit Francois passierte.
Sie braucht Abstand und Ruhe- nun hofft sie diese in Mahabalipuram, Tamil Nadu, Indien, zu finden.
Sie ist wie gelähmt, der Schock und der Jetlag verbünden sich und am liebsten würde sie das Hotelzimmer nie mehr verlassen. Lediglich zu kleinen Spaziergängen am Strand kann sie sich aufraffen, wo sie eines Tages die 10-Jährige Lalita, das Mädchen mit dem Drachen kennenlernt.
Lalita redet nicht und besucht auch keine Schule. Léna, ehemalige Lehrerin, versucht ihr täglich, während der einzigen Stunde in der Lalita nicht arbeiten muss, schreiben beizubringen.

'Die Zukunft einer Zehnjährigen interessiert sie (der Regierung) nicht. Niemanden bewegt hier das Schicksal der Mädchen. Sie werden von allen im Stich gelassen, lernen weder Schreiben noch Lesen, man hält sie klein in diesem Land, das sie nicht liebt.’ (Tolino S.46)

Als Léna an einem Tag schwimmen geht und fast ertrinkt, wird sie von Lalita und Preeti, der Anführerin der Roten Brigade, gerettet. Doch beide Frauen gehören der Kaste der Dalits, der ‚Unberührbaren‘ an.

‚Die Unberührbaren gelten immer noch als Parias, als unreine Menschen, sie sind aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Und Mädchen betrachtet man als minderwertig gegenüber Jungen. Als Frau und Dalit geboren zu werden ist also eine einzige Strafe.(…) Mädchen, die man nicht berühren darf, jedoch ohne viel Federlesens vergewaltigt. Die Jüngste in ihren Reihen war nicht einmal acht, als ein Nachbar sie missbrauchte, kaum dass ihre Eltern aus dem Haus waren. Vergewaltigung ist hier eine Art Nationalsport, schnaubte die Brigadechefin. Und die Täter werden nie bestraft. Nur selten führt eine Anzeige zu einer Strafverfolgung, schon gar nicht, wenn das Opfer niederer Herkunft ist.‘ (Tolino S. 45)

Léna freundet sich mit Preeti an und gemeinsam bauen sie eine Schule auf, die Lalita natürlich auch besuchen soll.
Doch macht sie den jungen Mädchen nicht falsche Hoffnungen, aus ihren bereits vorbestimmten Leben, zu entkommen?

Ein Roman, der die Missstände in Indien aufgreift: Noch immer werden Mädchen im Kindesalter verheiratet und bekommen mit 12 Jahren ihr erstes Baby. Frauen, die keine Rechte haben und das ungerechte Kastensysem, wo es einfach keinen Ausweg gibt.

Ein trauriges und wichtiges Buch, mit einem klaren Schreibstil und einer wichtigen Message.
Ein Lesetipp von mir. 5 Sterne

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Veröffentlicht am 24.02.2022

Traurige Zeitgeschichte

Der Gesang der Berge
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Dieses Buch lässt mich mit einem gebrochenen Herzen zurück:

Der Gesang der Berge
Nguyễn Phan Que Mai

Zum ersten Mal war ich 1999 in HaNoi, Vietnam. Damals fiel mir auf, dass es kaum Männer und alte ...

Dieses Buch lässt mich mit einem gebrochenen Herzen zurück:

Der Gesang der Berge
Nguyễn Phan Que Mai

Zum ersten Mal war ich 1999 in HaNoi, Vietnam. Damals fiel mir auf, dass es kaum Männer und alte Menschen gibt. Man hatte so das Gefühl, dass der Krieg dort noch so greifbar war, den Leuten noch förmlich in den Knochen steckte, so ein rückständiges und gebeuteltes Land, über einen viel zu langen Zeitraum besetzt, dass der Kommunismus dort, die Leute hart macht.


Jetzt aber zum Buch:
Nguyễn Phan Que Mai erzählt uns ihre Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen:

Die erste beginnt 1972: Die kleine Huong lebt mit ihrer Großmutter 'Dieu Lan' alleine, denn ihre Eltern und alle männlichen Verwandten dienen im Vietnamkrieg. HaNoi wird tagelang von den B52-Bombern der Amerikaner attackiert. Huong flieht mit ihrer Großmutter in die Berge. Als sie wieder nach HaNoi zurückkehren ist ihr Haus zerstört und sie stehen vor dem Nichts. Auf sich alleine gestellt versuchen sie einen Neubeginn…

In dem zweiten Erzählstrang erzählt Huongs Großmutter ihre Geschichte. Diese beginnt 1930: Während der Länderreform wird Dieu Lan vom Pöbel aus ihrem Dorf vertrieben und verfolgt. Auf ihrer Flucht muss sie ihre sechs Kinder bei Fremden zurücklassen, ohne zu wissen, ob sie diese je wiedersehen wird…


Wir lesen Zeitgeschichte und erfahren furchtbare Schicksale. Wir lernen ein gespaltenes Vietnam mit einer gebeutelten Bevölkerung kennen.
Ein Buch, über Korruption, Missgunst und Neid, aber wir lernen auch die freundlichen Menschen kennen, deren Liebe so oft durch den Magen geht und deren Hilfsbereitschaft keine Grenzen kennt.


Eine wirklich schlimme Geschichte, mit feinen und zarten Worten erzählt. Ein wirkliches Highlight, eine Leseempfehlung von mir. 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 19.02.2022

Tolles Hörbuch

Wo der Wolf lauert
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Wo der Wolf lauert
Ayelet Gundar-Goshen
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Gelesen von Milena Karas

Lilach und Michael Schuster sind Israelische Einwanderer in Amerika. Sie wohnen mit ihrem 16-Jährigen ...

Wo der Wolf lauert
Ayelet Gundar-Goshen
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Gelesen von Milena Karas

Lilach und Michael Schuster sind Israelische Einwanderer in Amerika. Sie wohnen mit ihrem 16-Jährigen Sohn Adam in Silicon Valley, wo sie, bedingt durch den guten Job Michael’s, zu Wohlstand gekommen sind.
Ihr Sohn Adam ist ein ruhiger, wohlerzogener Junge, der lieber Schach spielt, als auf eine Party zu gehen. Den Eltern ist diese Entwicklung ein Dorn im Auge und so versuchen sie Adam immer wieder neue Reize zu bieten, damit dieser sein Zimmer verlässt. Freunde und Hobbys hat er keine.
Als Adam sich dann von seinen Eltern überreden lässt, auf eine Party zu gehen, kommt dort der junger Afroamerikaner Jamal zu Tode. Nach diesem Erlebnis verändert Adam sich komplett und Lilach muss ihre Komfortzone komplett verlassen, als mehr und mehr Fakten dafür sprechen, dass Adam was mit dem Tod des Jungen zu tun hat.


Kunstvoll erzählt Gundar-Goshen, in einer Ich-Erzähler-Perspektive, die Geschichte einer Mutter, die merkt, wie ihr Sohn immer mehr entgleist. Es geht um Migration, Mobbing, Antisemitismus und mangelnde Integration, es ist ein fein aufgebautes psychologisches Drama, welches mich komplett in den Bann gezogen hat.
Besonders erwähnen möchte ich hier die Sprecherin Milena Karas. Sie hat so eine unglaubliche Stimme, prädestiniert für Hörbücher. Ich mag es, wenn weibliche Sprecherinnen nicht versuchen Kinder oder Männer nachzuahmen, aber trotzdem Gewicht in die Stimme geben können.
Von mir eine klare Hörempfehlung!

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