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Veröffentlicht am 08.03.2022

Ein Lockdown-Roman

Mord in der Straße des 29. November
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Als begeisterte Leserin der "Rabbi Klein"-Reihe freute ich mich auf den neuen Krimi, der Rabbi-unabhängig in Jerusalem spielt. Polizeipsychologin Kinny Glass soll hier die Ermittlerin sein.

Während dem ...

Als begeisterte Leserin der "Rabbi Klein"-Reihe freute ich mich auf den neuen Krimi, der Rabbi-unabhängig in Jerusalem spielt. Polizeipsychologin Kinny Glass soll hier die Ermittlerin sein.

Während dem langen und strengen Lockdown in Israel wird es Kinny zuhause ziemlich langweilig, online arbeiten ist für sie schwierig. Auch die Gesamtsituation belastet sie, kommt dazu, dass ihre Tochter Mia wieder bei ihr wohnt. Eines Tages hört sie in den Nachrichten, dass ein "Mord in der Strasse des 29. November" geschehen ist. Genauer gesagt ein Doppelmord, eine bekannte Politikerin und ihr Mann wurden getötet, beide sind Kinny gut bekannt. Sie will was tun, doch es scheint, als ob der Geheimdienst und nicht die Polizei den Fall zugeschanzt bekommt.

Anstatt wie erwartet zu lesen, dass Kinny mit Polizeikollege Nissim nun kräftig ermitteln, liest man von ihren Befindlichkeiten, ihren Familienproblemen und seitenweise Gerede über das Verhältnis des Shabaks zur Poliziei und umgekehrt, über die nicht glaubwürdige Festnahme angeblicher Verdächtige und so weiter. Sie wären erfolgreicher, würden die beiden Parteien besser zusammen arbeiten als übereinander herziehen.

Mehr als die Hälfte der Geschichte spielt sich innerhalb Kinnys Wohnung ab, bis dahin ist Kinny nur zweimal kurz ausser Haus anzutreffen. Einmal in einem Polizeigebäude, einmal bei einem Tatortspaziergang mit Hund, von dem man sonst kaum etwas mitbekommt, also anders als im Klappentext erwähnt.

Auch sonst fühlte ich mich getäuscht, denn für mich war das kein Krimi, sondern ein Roman, bei dem die Protagonisten bei der Polizei arbeiten. Ein Lockdown-Roman, in dem man allerlei über die Gefühle der Menschen, die das Leben zuhause nicht aushalten, mitbekommt.

Mit den Figuren wurde ich nicht warm. Kinnys Bruder Golan in Amerika hört sich mehr als nur depressiv an. Kinnys Tochter Mia ist zwanzig, verhält sich aber wie ein Teenager. Dazu kommen familiäre Streitereien: einerseits Kinnys Vater, der nicht klar kommt, dass seine Kinder und Enkel sich zu weltlich verhalten. Andererseits Kinny selbst, die ihrem Ex-Mann immer noch zürnt und eifersüchtig auf das gute Verhältnis zu Mia ist. Ausserdem weiss sie selbst nicht, was sie in Bezug auf Nissim fühlt - bzw. wird das als blosse Affäre gewichtet. Eine Art Arbeitskollegen mit gewissen Vorzügen. Aufgrund einer bestimmten Szene müsste da aber weit mehr sein, doch das kam bei mir überhaupt nicht so an. Ausserdem ist eine Psychologin, die ihr Telefon tagelang nicht abnimmt, für mich nicht glaubwürdig.

Der Autor baut ein Konstrukt mit vielen Themen wie #MeToo, Missbrauch, Diskriminierung etc. auf. Dadurch wird die Krimihandlung leider zur Nebensache gradiert und ist nur der Aufhänger für diesen Roman. Die Themen zeigen Ausschnitte aus den alltäglichen Problemen in Israel. Somit wäre diese Geschichte als gesellschaftspolitischer Roman oder gar als Zeitzeuge des Lockdowns besser zu lesen, das Attribut Krimi passt leider nicht.

Ich hoffe, Kinny bleibt eine Eintagesfliege und Alfred Bodenheimer widmet seine Zeit vermehrt wieder Rabbi Klein.

Fazit: Erwartet habe ich einen Krimi, bekommen einen Lockdown-Roman - hätte ich das gewusst, hätte ich ihn nicht gelesen.
3 Punkte.

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Veröffentlicht am 03.01.2022

Eine passive Ariadne

Ich, Ariadne
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Nach den beiden einzigartigen Romanen von Madeleine Miller erwartete ich von "Ich, Ariadne" von Jennifer Saint ähnlich Gutes. Vor allem, da ich schon mehrere ältere Romane über Ariadne und Theseus las, ...

Nach den beiden einzigartigen Romanen von Madeleine Miller erwartete ich von "Ich, Ariadne" von Jennifer Saint ähnlich Gutes. Vor allem, da ich schon mehrere ältere Romane über Ariadne und Theseus las, die mir alle gut gefallen haben.

Doch leider kann dieser Roman bei weitem nicht mithalten. Ganz oft hab ich das Buch abends weggelegt und was anderes gelesen. Es waren einige Bücher, die ich diesem hier vorzog.

Schon der Anfang las sich schwierig, man wird überschwemmt mit Sagen, die nebensächlich sind. Der Schreibstil ist langweilig, es wird aus Sicht von Ariadne erzählt, aber man könnte ebensogut einfach die ursprüngliche griechische Sage in einem Mythologie-Buch nachlesen.

Ariadne und auch die anderen Figuren blieben blass. Die Autorin hat der Protagonistin keine Persönlichkeit zugestanden, die man auf irgendeine Weise besser verstehen oder besonders mögen oder wenigstens gar nicht mögen hätte können. Ariadne macht nämlich genau nichts, sie wird mehr als Zuschauer beschrieben, denn als aktive Protagonistin.

Ich kann nicht verstehen, wieso man diesen Roman als ebenbürtig zu Millers Romanen einordnet. Oft hab ich daran gedacht, abzubrechen, doch ich hielt durch, damit mir niemand sagen kann, "aber nach dem zweiten Drittel, nach der Hälfte, etc., wurde es besser". Wurde es nicht. Im zweiten Teil hat eindeutig Ariadnes Schwester Phädra die Nase vorn und wird mehr zur Protagonistin als Ariadne es je in diesem Roman war.

Fazit: Leider konnte ich mich so gar nicht anfreunden mit "Ich, Ariadne". Vielleicht waren meine Erwartungshaltung nach den genialen Werken von Madeleine Miller auch einfach zu hoch.
2.5 Punkte.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Wortkarger Kanada-Krimi, der in Amerika spielt

Dunkle Wolken über Alberta
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Eigentlich sah das Cover so einladend aus - nur um dann bei genauerem Lesen des Klappentextes ins Grübeln zu kommen: ein Kanada-Krimi, der in Amerika spielt? Wie geht denn das?

Die Einwohner von Chinook ...

Eigentlich sah das Cover so einladend aus - nur um dann bei genauerem Lesen des Klappentextes ins Grübeln zu kommen: ein Kanada-Krimi, der in Amerika spielt? Wie geht denn das?

Die Einwohner von Chinook wären wohl lieber Kanadier als Amerikaner, denn dann wären sie krankenversichert, was im Krimi öfters erwähnt wird. Besonders gegenüber Thumps DreadfulWater, der sich endlich von der Ärztin und Gerichtsmedizinerin Beth Mooney untersuchen lässt. Er lässt dies passiv geschehen - wie auch alles andere, was in diesem Kriminalroman geschieht.

Thumps wird von Sheriff Duke Hockney angefragt, ob er ihn vertreten könne, weil er für eine Konferenz einige Tage ausser Land ist und keinen Stellvertreter mehr hat. Der ehemalige Polizist und jetziger Fotograf Thumps reagiert nicht begeistert und auch nicht wortreich. Letzteres zieht sich durch das ganze Buch hindurch. Sämtliche Dialoge - zwischen wem auch immer - sind kurz und abgehakt, nehmen zudem oft Filmtitel oder amerikanische Marken in den Mund, was mit einem Wort als Frage oder Statement abgesegnet wird. Es sollten wohl Wortwitze sein, die einem aber entgehen, wenn man die genannten Titel nicht kennt.

Es gibt kein einziges normales Gespräch im Buch, was auf Dauer anstrengend zu lesen ist. Somit ist es noch schwieriger der Story zu folgen, denn sie kommt lahm daher. Anfangs gibt es zwei Tote, die miteinander zu tun haben, aber richtig Fahrt nimmt das Ganze nicht auf. Dieses andauernde passive, wortkarge und oft auch gefühlskalte Verhalten aller Beteiligten, die alle auf ihre Art ein wenig schräg und hilflos sind, nervt.

Die Schrägheit der Einwohner von Chinook hingegen hätte mir eigentlich noch gefallen, die eigenwilligen Figuren haben was an sich, aber sie konnten nicht durch den speziellen Schreibstil dringen, es fühlte sich sehr disharmonisch an.

Anscheinend handelt es sich bei "Dunkle Wolken über Alberta" um den dritten Fall von DreadfulWater. 2005 ist ein anderer Band "DreadfulWater kreuzt auf" als deutsche Übersetzung im Unionsverlag erschienen - keine Ahnung ob es der erste oder zweite Band war. Wahrscheinlich wurde der vorliegende dritte Band vom Pendo Verlag übersetzt, weil Kanada an der Frankfurter Buchmesse 2020 Gastland sein sollte und man mit Thomas King einen kanadischen Autor im Programm haben wollte.

Fazit: Leider überzeugt mich der oberflächliche Schreibstil absolut nicht, auch wenn das Setting und die schrägen Charaktere durchaus interessant wären.
2.5 Punkte.

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Veröffentlicht am 06.02.2020

Monotoner Expat-Krimi

Tote trinken keinen Rosé
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"Tote trinken keine Rosé" von Emilia Bernhard soll ein Auftakt zu einer Serie sein, in der die beiden Hobbydetektivinnen Rachel und Magda alle Pariser Arrondissements "abarbeiten", also in jedem Stadtkreis ...

"Tote trinken keine Rosé" von Emilia Bernhard soll ein Auftakt zu einer Serie sein, in der die beiden Hobbydetektivinnen Rachel und Magda alle Pariser Arrondissements "abarbeiten", also in jedem Stadtkreis einmal ermitteln.

Diese Idee hatte vor vielen Jahren bereits ein anderer Autor. Leo Malet erreichte mit seinem Detektiv Nestor Burma Kultstatus, aber er arbeitete auch 30 Jahren an der Serie und erschuf mit Burma eine Figur, an die man sich noch Jahrzehnte nach dem Lesen erinnert. Ob Emilia Bernard so lange, oder eben ihre angestrebten 20 Bände lang, durchhält, werden wir sehen.

In diesem ersten Band stirbt Edgar Bowen - er ertrinkt in seiner Suppe; der Vichysoisse, die normalerweise kalt serviert wird. Rachel Levis, die vor 20 Jahren zwei Jahre lang seine Partnerin war, ist irritiert. Denn sie hört, dass neben der Suppe eine Flasche Rosé stand. Doch Edgar hasst Rosé, er würde diesen Wein nie trinken. Sie schlussfolgert daraus, dass jemand bei ihm gewesen sein und ihn ermordet haben muss. Bloss wer könnte das sein? Seine Ex-Frau Mathilde, sein Sohn David, oder eine der anderen beiden Frauen, die für Edgar gearbeitet haben oder eine Affäre mit ihm hatten? Die vier sind genau wie Rachel Erben seines grossen Vermögens. Brauchte jemand dieser vier Genannten Geld?

Der Krimi startet gut. Doch schnell merkt man, dass die Ermittlungen fast nur aus Gesprächen bestehen. Denn Rachel bespricht und erörtert alles, was sie sieht und erfährt, mit ihrer Freundin Magda. So besteht der Krimi praktisch aus tausenden Gesprächen über ihre Beobachtungen. Interessante Handlungen oder gar spannende Elemente sucht man vergebens in diesem "Whodunit"-Krimi.

Dass Rachel ihr Erbe - also ihre Aufgabe, Edgars Bibliothek zu ordnen und zum Dank dafür, daraus für sich ein Buch auszusuchen - überhaupt nicht hinterfragte, störte mich. Sie arbeitet wochenlang ohne Bezahlung und die Leser bekommen keine Erklärung weshalb. Arbeitet sie seit der Heirat mit Alan nicht mehr, ist sie nun die Dichterin geworden, wie Rachel es sich vor 20 Jahren wünschte, oder nahm sie immer noch Teilzeitjobs an wie damals? Wie kann es sein, dass sie von einem Tag auf den anderen plötzlich x Stunden täglich in der Wohnung des Toten arbeitet? Klar nutzt sie die Arbeit in Edgars Bibliothek, um mehr über die Verdächtigen herauszufinden, es ist also Mittel zum Zweck. Aber da fehlen den Lesern schlichtweg notwendige Informationen über Rachel, damit das alles stimmig wirkt.

Ob es der Autorin gelingt, mit ihrer hier gewählten Erzählform Leser zwanzig Bände hinweg zu unterhalten, bezweifle ich. Die beiden Amerikanerinnen in Paris müssten schnellstmöglich in die Gänge kommen, sonst sehe ich schwarz.

Fazit: Auftakt einer Expat-Krimiserie, die ich nicht mehr weiter verfolge, da mir Ermittlungen, die nur aus Diskussionen bestehen, zu monoton sind.
2.5 Punkte.

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Veröffentlicht am 15.11.2018

Zu wenig Buchladen, zu viel Liebe

Der Buchladen der verlorenen Herzen
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Der Titel verspricht eine Geschichte über einen Buchladen. Wer nun eine Geschichte wie "Ein Buchladen zum Verlieben" erwartet, wird nicht glücklich. Dieser Roman entpuppt sich als einfach gestrickter Liebesroman. ...

Der Titel verspricht eine Geschichte über einen Buchladen. Wer nun eine Geschichte wie "Ein Buchladen zum Verlieben" erwartet, wird nicht glücklich. Dieser Roman entpuppt sich als einfach gestrickter Liebesroman.

Anne steht zwischen zwei Männern, ihrer ersten Liebe und der aktuellen Beziehung. Und eigentlich dreht sich alles darum. Dass Anna in einem nicht rentierenden Buchladen arbeitet und deren mürrische Chefin Adele keine Ohren hat für Neuerungen, ist nur Nebensache.

Ich stand kurz davor das Buch abzubrechen, weil es so langweilig war. Ich war in der Mitte des Buches angelangt, doch nichts passierte, alles drehte sich nur um Annas Gefühle gegenüber Edoardo und Luca. Doch ich war unterwegs und dachte, jetzt fange ich kein neues Buch an bis ich zuhause bin, lese ich jetzt halt einfach weiter. Eine gute Entscheidung, denn auf einmal öffnet sich die Buchladenbesitzerin und erzählt ihre Lebensgeschichte, die ein neues Licht auf alles wirft und spannend ist.

Der Roman wurde minim besser, der Buchladen spielte endlich eine Rolle. Leider nur kurz, im weiteren Verlauf steht bis zum Schluss immer noch Annes Leben ausserhalb des Buchladens im Vordergrund. Annes Gefühle habe ich abgenommen, und auch die anderen Charaktere sind der Autorin gelungen. Doch für meinen Geschmack legte Elisabetta Lugli den Schwerpunkt ihrer Geschichte an den falschen Ort und bleibt sehr oberflächlich. Dazu wählte der Vertrieb schlichtweg einen falschen Titel für diese Lovestory. Es sind zwar nur zwei andere Wörter, aber dieser Unterschied zum italienischen Originaltitel "La libreria degli amori impossibili" würde so einiges erklären.

Es wäre schön gewesen, wenn anfangs vielleicht kurz mal Adele zu Wort gekommen wäre, man schon dann etwas über sie erfahren hätte. Ich verstehe jeden der abbricht - wäre es kein Rezensionsexemplar, hätte ich schon viel früher aufgegeben. Wenn ein Buch erst nach der Hälfte interessant wird, hat der Autor etwas falsch gemacht. Auch konnte die Spannung danach nicht aufrecht erhalten werden. Überraschungen in Büchern sind gut, sogar erwünscht, aber dazu muss dann auch der Anfang und der Schluss stimmen, nicht nur der Mittelteil.

Fazit: Zu wenig Buchladen, zu viel Liebe - und ein enttäuschender Abschluss. Leider so gar nicht meins.
2.5 Punkte.