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Veröffentlicht am 18.03.2022

ein sehr gelungener Debütroman

Unser wirkliches Leben
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Anna studiert am Londoner Konservatorium Gesang. Da das Geld nicht reicht, arbeitet sie mehrmals wöchentlich abends in einer Hotelbar als Jazzsängerin und lernt dort Max kennen, einen Mann Ende dreißig. ...

Anna studiert am Londoner Konservatorium Gesang. Da das Geld nicht reicht, arbeitet sie mehrmals wöchentlich abends in einer Hotelbar als Jazzsängerin und lernt dort Max kennen, einen Mann Ende dreißig. Es beginnt eine interessante, wenn auch nicht unkomplizierte Beziehung, in der Max Anna begleitet, erwachsen zu werden. Doch Anna verzettelt sich in ihrem kindlichen, unreifen Verhalten und in ihrer Zerrissenheit. Sie überfordert sich und die Beziehung und erkennt erst spät, dass sie sich ändern muss, wenn ihre Liebe zu Max eine Chance haben soll.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Es sind mehrere Sachen, die ich an diesem harmonischen Buch mag.
Da ist die schlüssige Handlung, eine in sich geschlossene Erzählung ohne zeitliches hin und her über Anna und Max. Beide Romanhauptfiguren sind gut charakterisiert und nur wenige Menschen lenken von ihnen ab. Anna ist jung, in der Ausbildung als Opernsängerin und gerade dabei, erwachsen und erfolgreich zu werden. Max ist 14 Jahre älter als sie, hat einen guten, anstrengenden Job im Finanzwesen, lebt in Trennung und steht vor einer persönlichen Entscheidung, ob er sein Leben grundlegend ändern soll: weniger Karriere und Berufsstress und mehr Privatleben.
Das Thema zwischen der jungen Frau und dem Mann, der beruflich viel erreicht hat aber sich privat neu erfinden muss, ist realistisch beschrieben. Da Anna die Hauptromanfigur und Ich-Erzählerin ist, weiß ich über Max nur das, was sie uns über ihn zu verstehen gibt. Ich empfinde Max als einen Mann mit Format, der Anna hilft das zu werden, was sie möchte. Er ist eine enorme Stütze, indem er sie finanziell unabhängig macht, damit sie sich von einem Freundes- und Bekanntenkreis lösen kann, der für ihre Karriere nicht gut ist. Er regt sie an, sich ihren Wünschen und Möglichkeiten zu stellen und beeinflusst damit ihren Werdegang.
Sehr angenehm ist die Sprache. Das Buch ist fesselnd geschrieben und liest sich flüssig. Während des Lesens verfliegt die Zeit und ich kann einfach entspannen und mich von der Geschichte wegtragen lassen.

Fazit
„Unser wirkliches Leben“ ist beileibe nicht nur ein Liebesroman und bedeutet mir viel, seit ich ihn gelesen habe. Er ist ein sehr gelungener Debütroman über Beziehung, Freundschaft, Feminismus und den Versuch, mit Mitte zwanzig erwachsen zu werden.

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Veröffentlicht am 11.03.2022

„Wie kostbar Demokratie und Recht sind, zeigt sich, sobald sie zu verschwinden beginnen.“

Februar 33
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Es ist in dieser Zeit fast eine Pflichtlektüre

In seinem Buch „Februar 33 – Der Winter der Literatur“ schreibt Uwe Wittstock über die Ereignisse, die mit der Ernennung von Hitler als Reichskanzler Ende ...

Es ist in dieser Zeit fast eine Pflichtlektüre

In seinem Buch „Februar 33 – Der Winter der Literatur“ schreibt Uwe Wittstock über die Ereignisse, die mit der Ernennung von Hitler als Reichskanzler Ende Januar 1933 begannen und sich bis Mitte März 1933 in Deutschland ereigneten. Dabei legt er sein Augenmerk auf eine Handvoll bedeutender deutscher Schriftsteller und Künstler, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung in die Schusslinie der an die Macht kommenden Nationalsozialisten geraten.
Uwe Wittstock erzählt in seiner Chronik wie das glanzvolle literarische Leben der Weimarer Zeit in wenigen Wochen eines langen Winter einem unvorstellbaren Terror weichen muss und sich das Netz u.a. für Thomas und Heinrich Mann, Alfred Döblin, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Riccarda Huch und viele andere immer fester zuzieht.

Meine persönlichen Leseeindrücke
„Februar 33 – Der Winter der Literatur“ ist keine leichte Lektüre. Gute Kenntnisse der deutschen Literaturlandschaft der Weimarer Republik und der politischen Geschehnisse in Deutschland vor der Machtübernahme von Hitler sind Voraussetzung, um sich in dem Buch zurechtzufinden. Basiswissen halte ich in diesem Zusammenhang für nicht ausreichend.
Es ist ein Sachbuch, das aufzeigt wie schnell und leicht Hitler die Macht übernehmen konnte und wie sich diese politische Veränderung, die schlussendlich in einer Diktatur endete, auf den deutschen Literaturbetrieb auswirkte. Es ist verstörend zu lesen, wie rasant Gewalt überhandnehmen konnte und international anerkannte Intellektuelle, die nicht in die Völkische Ideologie passten, um ihr Leben fürchten mussten und als einzige Schutzmöglichkeit zur Emigration gezwungen wurden. Es ist auch eine Abrechnung mit dem deutschen Volk und all den vielen aktiven Akteuren und Sympathisanten, die den Nationalsozialismus tatkräftig unterstützten und ohne die so eine Entwicklung überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Fazit
„Februar 33 – Der Winter der Literatur“ von Uwe Wittstock zu lesen, ist, besonders in Bezug auf die aktuelle Lage in Russland und der Ukraine, eigentlich Pflicht. Die Parallelen zu den Entwicklungen in Russland sind offensichtlich und es macht einem Angst zu sehen, dass solche Strategien auch nach einem Jahrhundert so wirksam zum Einsatz kommen und von Erfolg gekrönt scheinen.

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Tolles Buch für junge Leser ab 14 Jahren

Die gigantischen Dinge des Lebens
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Wilbur ist 14 Jahre alt und ist mit seinen beiden Müttern nach Toronto gezogen. Dort erwartet ihn ein ganz neues Umfeld, besonders die Schule und die neuen Mitschüler machen ihm zu schaffen.
Er ist leider ...

Wilbur ist 14 Jahre alt und ist mit seinen beiden Müttern nach Toronto gezogen. Dort erwartet ihn ein ganz neues Umfeld, besonders die Schule und die neuen Mitschüler machen ihm zu schaffen.
Er ist leider nicht gerade der megacoole Typ, den alle als Freund haben wollen. Um sich irgendwie durchzuschlagen, versucht er so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Sein 85jähriger Freund Sal, seine erste unglückliche Liebe zu Charlie und eine Typverwandlung ändern das.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Bevor ich mit meinen persönlichen Leseeindrücken starte, muss ich ein paar Wörter zu dem unglaublich gut gestalteten Buchcover schreiben. Der Dinosaurier mit Triangel und roter Baskenmütze ist im glänzenden Relief gedruckt, ebenso wie Titel und Autorin und vermittelt schon ein ganz tolles und aufregendes haptisches Gefühl. Das gedeckte Ocker als Grundfarbe zusammen mit dem Dinosaurierskelett und den beiden knallroten Bildflecken geben ein vortrefflich stimmendes Gesamtbild ab.
Und dann blättere ich auf und lese: Du bist grandios. Strahlend. Ein Prachtmensch!
Wow – das könnte ich auch mal wieder zu mir sagen, schießt es mir durch den Kopf und ich schmunzle! Hauptfigur dieses Jugendromans ist der sensible und warmherzige Wilbur, ein Romantiker und Poet, mit all seine Höhen und Tiefen. So liebevoll er sich um seinen Freund Sal kümmert so hilflos fühlt er sich gegen seinen Peiniger Tyler. Das ändert sich durch die französische Austauschschülerin Charlie. Durch seine Zuneigung zu ihr wird Wilbur wachrütteln. Diese Wandlung schreibt die Autorin in eine für junge Leser supertollen Sprache. Es entsteht so jene Dynamik, die es braucht, um sich mit der Hauptfigur zu identifizieren und am Ende an der Veränderung teilzuhaben.
Gut mit eingebaut sind einige relevante gesellschaftliche Themen, ohne dass sie den Roman überfrachten oder konstruiert wirken. So entsteht eine spannende Geschichte über das eigene Selbstwertgefühl, über den großen Wert von Freundschaft und über den Mut, sich selbst zu vertrauen.

Fazit
Das Buch ist bunt wie es nur das Leben sein kann. Lesbisch, schwul, alt, jung… es ist vieles dabei ohne pathetisch und kitschig zu wirken oder ins Klischeehafte abzudriften. Jeder ist wie er ist genau richtig. Eine Buchempfehlung nicht nur für junge Leser ab 14 Jahren sondern auch für Erwachsene.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Es ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors

Hast du uns endlich gefunden
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In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen ...

In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen Erziehung teilhaben.

Der Roman beginnt mit der Vorbereitung eines Hauskonzertes. Der Vater, ein passionierter und ganz passabler Klavierspieler, ist Direktor der Jugendstrafanstalt in Herford und lädt an die 80 Gefangene zu diesem Konzert ein, die er persönlich unter den 400 Inhaftierten aussucht. Zusammen mit einem Violinisten wird er nachmittags das Konzert vor den Gefangenen und abends vor Freunden geben.
Zu diesem sehr musikalische Vater, einst Oberstaatsanwalt im 3. Reich, hat Edgar ein sehr schwieriges Verhältnis und das gesamte Ausmaß wird erst im Laufe des Romans erkennbar.
"Wer so intensive Prügel bekommt wie ich von dir, Papa, der kann auch als Kind ein tieferes Verständnis vom Leben haben."

Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich beginne dieses Buch und staune über die musikalisch, klassische Erziehung, die Edgar und seine Brüder erhalten. Alle Achtung, was der junge Mann da mit auf seinen Weg bekommt. Aber sehr bald bemerke ich die Kehrseite, die Härte und Brutalität, die in dieser Familie herrscht und es erstaunt mich, mit welcher Selbstverständlichkeit der Autor über die eigenen Kindererlebnisse erzählt.
"Ich weiß, es ist nicht gut, zu stehlen. Das braucht mir niemand erzählen. Es ist nicht gut, seinem Bruder eine Mark aus dem Geldbeutel zu klauen. Wer das nicht begreift, dem fehlt jedes moralische Grundverständnis. Mir ist jedenfalls vollkommen klar, dass man das nicht machen darf. Mich braucht auch niemand zu verprügeln oder zu ohrfeigen, um mir das beizubringen. Aber ich will diesen Film sehen. Und anders geht es nicht."
Es ist nicht das erste Buch, in dem ich über die Nazivergangenheit von Familienmitgliedern lese, aber dieses Buch bringt das Thema auf eine nächste Stufe. Diese Deutlichkeit ist doch sehr erstaunlich.
"Das Vaterland! Davon macht ihr euch gar keine Vorstellung, was das für und bedeutet hat!"
Sehr intensiv werden jene Szenen erzählt, die zu den Prügelattacken des Vaters geführt haben. Ich habe in manch einer Rezension von jungen Bloggern von einer „Triggerwarnung“ gelesen. Das zeigt, wie sich die Gesellschaft in den letzten 80 Jahren verändert hat. Die junge Generation hat tatsächlich keine Ahnung, wie das früher war. Was die Prügelei als Erziehungsmethode betrifft, ist das ein enormer Fortschritt

Fazit
„Hast du uns endlich gefunden“ von Edgar Selge ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors. Sein Erzählton ist atemlos, körperlich, risikoreich, voller Witz und Musikalität (Zitat auf der Rückseite des Buchumschlags).

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Ein Buch nicht nur für junge Leser

Allein auf dem Meer
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Die Pandora, auf der Bill mit anderen gleichaltrigen und Kapitän Wilko einen Segelturn unternimmt, gerät in einen Sturm. Während sich alle anderen in das rettende Floß flüchten können, gelingt dies Bill ...

Die Pandora, auf der Bill mit anderen gleichaltrigen und Kapitän Wilko einen Segelturn unternimmt, gerät in einen Sturm. Während sich alle anderen in das rettende Floß flüchten können, gelingt dies Bill als einzigem nicht.
Schnell sammelt er ein paar Lebensmittel und Wasserflaschen, Notizblock und Stift und verlässt die sinkende Yacht auf dem kleinen modernen Beiboot.
Als sich der Sturm nach vielen Stunden legt, findet sich Bill mitten auf großer See wieder. Am Anfang ist die Hoffnung noch groß, gefunden zu werden, aber mit jedem Tag der vergeht, wird seine Verzweiflung größer.
Drei Tage vergehen und dann sieht er einen Punkt am Horizont. Er nähert sich und erkennt eine Tonne, in der ein Mädchen liegt. Mehr tot als lebendig bringt er sie in sein Boot und päppelt sie langsam auf. Aya ist ein Berbermädchen, dessen Schiff bei der Überfahrt ebenfalls in den Sturm gekommen ist.
So beginnt für beide ein außergewöhnlicher Kampf ums Überleben und Nachhause kommen.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Immer wenn ich ein Kinderbuch in den Händen halte, möchte ich mir vorstellen, wie ich es als junges Mädchen lese. Könnte mich die Geschichte begeistern? Ja!
Chris Vick schafft es mit seiner Erzählung sofort Spannung aufzubauen und mit seiner bildlichen Sprache den Leser zuerst mit auf die Pandora und dann anschließend auf die Abenteuerreise auf See mitzunehmen. Mit Bill und Aya hat er zwei Romanfiguren, mit denen sich Jugendliche, Mädchen wie Jungen, leicht identifizieren können. Er baut geschickt eine Verbindung auf emotionaler Ebene zu beiden auf und schildert den außergewöhnlichen Überlebenswillen so nah, dass man meinen könnte, direkt dabei zu sein.
Was ich gerne noch hervorheben möchte sind Ayas schöne Erzählungen aus „TausendundeineNacht“. Sie spenden Trost und Hoffnung und ermöglichen beiden eine kleine Verschnaufpause in den schlimmsten Momenten.

Fazit
"Allein auf dem Meer" von Chris Vick ist ein wunderbares Buch über ein Abenteuer, das zwei junge Menschen ihr ganzes Leben begleiten wird. Ich empfehle es für Jugendliche ab 15 Jahren und möchte anmerken, dass es auch für Erwachsene gut zu lesen ist.

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