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Veröffentlicht am 12.03.2022

Zwischen Botchaftsempfängen und Gefängniszellen

Die Diplomatin
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Diplomaten des Auswärtigen Amtes unterscheiden zwischen Standorten der Kategorie A, B, C, wobei Plätze wie London, New Yorrk, Paris, Washington, Brüssel oder Rom einerseits wegen ihrer Bedeutung, andererseits ...

Diplomaten des Auswärtigen Amtes unterscheiden zwischen Standorten der Kategorie A, B, C, wobei Plätze wie London, New Yorrk, Paris, Washington, Brüssel oder Rom einerseits wegen ihrer Bedeutung, andererseits wegen der dortigen Lebensqualität der A-Klasse angehören. Fred, die Titelheldin von Lucy Frickes Roman "Die Diplomatin", hatte mit ihrem letzten Einsatzort Bagdad eindeutig die C-Karte gezogen, dafür ist sie nun Botschafterin in Montevideo - politisch bedeutungslos, ein ruhiger Posten, die größte Herausforderung ist der alljährliche Botschaftsempfang am 3. Oktober: Können Grillwürstchen deutscher Tradition besorgt werden, die unter der diplomatischen Community so beliebt sind? Und wer soll die Nationalhymne spielen - möglichst keine Blaskapelle emigrierter Altnazis!

Kurzum, es könnte nach Jahren im Krisenmodus und in gepanzerten Fahrzeugen eine eher entspannte Phase im Leben der Karrierediplomatin werden, die herrlich undipöomatisch und leicht sarkatisch als Ich-Erzählerin ihren Alltag kommentiert. Dummerweise wird eine junge deutsche Touristin vermisst gemeldet, als Instagrammerin von gewissem Bekanntheitsgrad und obendrein die Tochter einer einflussreichen und nun mächtig Druck machenden Verlegerin.

Dass der Vermisstenfall einen tragischen Ausgang nimmt, ist Fred nicht zuzurechnen, aber das mildert den Zorn der Verlegerin nicht und führt offenbar zu einer Zwangsstation in der Berliner Zentrale, für alle Diplomaten, die vor allem "draußen" sein wollen, immer wieder notwendiger aber nicht gerade geliebter Zwischenstopp.

Zwei Jahre später: Fred ist zwar keine Botschafterin mehr, aber Konsulin in Istanbul, diplomatisch au jeden Fall eine Herausforderung, insbesondere angesichts der aktuellen Entwicklungen. Der türkische Staatspräsident Erdogan wird nie namentlich genannt, doch die Belastungen des deutsch-türkischen Verhältnisses durch Verhaftungen auch deutscher (Doppel-)Staatsbürger sind alles andere als fiktiv.

Auch Fred muss immer wieder Landsleute im Hochsicherheitsgefängnis besuchen, Gerichtsverhandlungen besuchen, versuchen, die schlimmsten Härten zu mildern und der Regierung des Gastgeberlandes zu verdeutlichen: Wir schauen genau hin. Der diplomatische Profimodus wird schwierig, wenn es plötzlich persönlich wird, wenn das Schicksal einer inhaftierten deutsch-kurdischen Schriftstellerin Fred unter die Haut geht und vor allem wenn ein deutscher Journalist, mit dem sie ein Verhältnis begonnen hat, plötzlich die Aufmerksamkeit des Sicherheitsapparates erregt. Fred muss sich entscheiden: Geduldige Diplomatie, kleine Schritte und die Realpolitik im Hinterkopf, oder der Ungeduld nachgeben, Partei ergreifen, aktiv werden?

Nicht nur inhaltlich, auch vom Tonfall her besteht eine Kluft zwischen dem abeklärt-ironischen Teil in Montevideo und dem zunehmend düsteren, grübelnden Abschnitt in der Türkei. Die Übergänge dazwischen sind nicht wirklich gelungen, zumal nicht wirklich klar wird, inwiefern Fred sich in diesen zwei Jahren verändert hat und ob sich ihr berufliches Selbstbild gewandelt hat.

So liest sich "Die Diplomatin" stellenweise höchst unterhaltsam und hat an anderen Stellen das Zeug zu einem Polit-Thriller, der aber nicht konsequent umgesetzt wurde. Die Konsequenzen, die Freds Entscheidungen mit sich bringen, bleiben letzlich vage, die deutsch-deutsche Fluchtvergangenheit von Freds Familie überfrachtet den Plot, wie auch das gesamte letzte Kapitel für mich überflüssig und eher antiklimaktisch war. Insofern bleiben nach dem Lesen gemischte Gefühle zuück. Eigentlich bedauerlich, denn gerade die ironische Betrachtung des diplomatischen Alltags ist großartig.

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Veröffentlicht am 11.03.2022

Ein Toter im Watt und ein Vermisstenfall

Gezeitenmord
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Verbrechen kennt keine Grenzen. Verbrehensaufklärung allerdings auch nicht, wie das deutsch-dänische Ermittlerduo in Dennis Jürgensens Kriminalroman "Gezeitenmord" beweist. Dass die Kopenhagener Polizistin ...

Verbrechen kennt keine Grenzen. Verbrehensaufklärung allerdings auch nicht, wie das deutsch-dänische Ermittlerduo in Dennis Jürgensens Kriminalroman "Gezeitenmord" beweist. Dass die Kopenhagener Polizistin Lykke Teit und ihr deutscher Kollege Rudi Lehmann zusammen arbeiten, liegt daran, dass ein Toter im Watt genau an der Grenze zwischen beiden Ländern gefunden wurde. Wer den Kleindealer tot sehen wollte, ist fast schon zweitrangig, denn ein elfjähriger Junge, der den Toten zusammen mit seinem Lehrer gefunden hat, ist spurlos verschwunden. Der Lehrer wurde von einem Unbekannten niedergeschlagen, doch wer seinen Schüler im dichten Nebel verschleppt hat, kann er nicht sagen.

Eine besondere Brisanz erfährt der Fall, da ein kleines Mädchen aus dem gleichen Dorf vor wenigen Jahren spurlos verschwunden ist. Der Dorfpolizist, der Lykke und Rudi zunächst eher feindselig begleitet, konnte den Vermisstenfall nie lösen. Handelt es sich um den gleichen Täter, gibt es womöglich einen pädophilen Hintergrund? Bei der Untersuchung von Besonderheiten stoßen die beiden Ermittler auf den Verdacht, dass sie womöglich einem Serienmörder auf der Spur sind. Andere Vermisstenfälle weisen erstaunliche Parallelen ab und ein auf Serienmörder spezialisierter Psychiater soll mit seinem Fachwissen zu einem Ermittlungserfolg beitragen. I

Wer aufmerksam mitliest, hat hier schon relativ früh eine Ahnung, wer besser als besonders verdächtig behandelt werden sollte. Die Lösung des Falls ist nicht ohne Dramatik, gleichzeitig ist das Ermittlerteam bei all seinen Gegensätzen - Lykke ist eine junge, dynamische Großstadtbewohnerin, Rudi könnte altersmäßig fast ihr Vater sein und mag es lieber gemütlich - sympathisch und wächst schnell zusammen. Auch das Privatleben der beiden kommt nicht zu kurz und macht sie menschlich "greifbarer" Als Auftakt einer neuen Krimireihe aus dem Norden werden die beiden jedenfalls gut eingeführt.

Wer bis zur letzten Seite im Ungewissen über den Ausgang des Falls gelassen werden möchte, ist möglicherweise enttäuscht, doch gleichzeitig überzeugt das nordische Ambiente mit Wattenmeer und nur scheinbarer Idylle beim hyggeligen nördlichen Nachbarn.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Schulden, Gier und Rache

Boom Town Blues
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Das winterliche Februarwetter sorgt für Melancholie, doch Torffeuer und Fiddle-Klänge sucht man im Irland-Krimi "Boom Town Blues" von EllenDunne vergeblich. Kein Wunder, die Handlung spielt schließlich ...

Das winterliche Februarwetter sorgt für Melancholie, doch Torffeuer und Fiddle-Klänge sucht man im Irland-Krimi "Boom Town Blues" von EllenDunne vergeblich. Kein Wunder, die Handlung spielt schließlich im Dublin nach dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Ansiedlungen der High Tech-Branche, die aus Irland den "grünen Tiger" Europas machten. Und wie so oft hat dieser Aufschwung nicht nur Sieger, sondern auch Verlierer.

Patsy Logan, deutsch-irische Ermittlerin am Münchner LKA, wollte eigentlich bei ihrer Cousine Sinead in Dublin eine Auszeit nehmen, um die beruflichen und privaten Wunden zu Lecken: Den Abteilungsleiterjob, auf den sie hinarbeitete, bekam ein männlicher Kollege; die Ehe steckt in einer Krise und führte zu einer Trennung, die gut dauerhaft sein könnte - wer ist die Frau, die grundsätzlich alle Facebook-Posts des Noch-Ehemanns liket? Und dann ruft sie doch, die Arbeit: Eine deutsche Praktikantin der Außenhandelskammer ist bei einem Bankett in der österreichischen Botschaft gestorben. der bislang mysteriöse Fall beschäftigt daher nicht nur die Dubliner Polizei, sondern auch die Diplomaten zweier Länder. Und da die Österreicher einen Verbindungsbeamten zu den Ermittlungen abstellen, kann Deutschland in Sachen Polizeivertretung natürlich nicht fehlen. Ob nicht Patsy mal eben ihre Auszeit unterbrechen könne?

Sie kann, und das Zusammenkommen polizeilicher und diplomatischer Persönlichkeiten wie auch die deutsch-österreichischen Kulturunterschiede gehören für mich zu den frühen Highlights des Buches. Ellen Dunne ist in Salzburg geboren, ud ich glaube, bei der Ausschmückung der "typischen" Mentalitäten hatte sie eine Menge Spaß. Der österreichische Botschafter wie auch der Verbindungsbeamte Sam Feurstein, ein ehemaliger Elitepolizist, verbinden Charme und sehr diplomatische Höflichkeit, Patsy und vor allem die deutsche Botschafterin, mit Adelspräsidikat und Raubvogelblick, mögen es gerne direkt, zu direkt für die Befindlichkeiten des irischen Ermittlungsleiters, der ganz offensichtlich einer Männerkultur entstammt.

Als sich herausstellt , dass die Praktikantin mit Zyankali vergiftet wurde, ist die Theorie einer Lebensmittelallergie schnell vom Tisch. War das eigentliche Opfer eines Giftanschlags ihr Sitznachbar, mit dem sie spontan den Teller getauschthat? Der Mann, Donau-Ausgabe von Gordon Gecko und ein Aufsteiger aus der Welt der Finanz- und Immobilienspekulationen, macht sein Geld mit dem Aufkauf der Schulden von Immobilienbesitzern, die ihre Raten nicht mehr Zahlen können und am Ende mit etwas weniger Schulden, aber auch ohne Haus da sitzen. Also nicht gerade ein Sympathiebolzen.

Besonders hellhörig wird Patsy, als sie erfährt, dass erst kürzlich ein Anwalt erschossen wurde, der mit dem Österreicher zusammenarbeitet und den verschuldeten Immobilienbesitzern gewissermaßen auch noch die Luft abdrückte. Zerplatztze Hoffnungen, private Tragödien, das legale aber fiese Geschäft des Hypothekenhandels, der ein paar wenige noch reicher macht und viele immer tiefer in den Abgrund stürzt - da wird der Buchtitel Boom Town Blues schnell klar.

Mit Rückblenden gibt die Autorin Teile des Puzzles frei, die sich auch den Ermittlern erst nach und nach erschließen. Auch wenn man früh ahnt, dass hier Rache geübt wird, kristallisiert sich unter all den theoritischen Möglichkeiten erst ganz zum Schluss eine schlüssige und logische Lösung heraus. Zugleich gibt es Rückblicke au Patsys Leben, ihre Obessionen und Krisen. Patsy Logan hat ihre Ecken und Kanten, Unsicherheiten und Sehnsüchte, mal kratzbürstig, mal mit großer Klappe, ist ehrgeizig, aber auch verletzlich und für mich eine glaubwürdige, überzeugende Figur.

Am Ende steht auch ein neuer Anfang, zumindest aber seine Möglichkeit in Form eines weiteren Buches - wird Patsy Dublin erhalten bleiben und die Botschafterin mit den Raubvogelaugen auch in einem weiteren Buch die Krallen ausfahren? Es wäre schön.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Zimmermädchen unter schlimmen Verdacht

The Maid
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Sympathische Hauptfigur mit kleinen Marotten, ein paar herzerwärmende und ein paar schurkische Charaktere, ein toter Tycoon im Nobelhotel sowie Drogenhandel und Erpressung - all das bringt Nita Prose ...

Sympathische Hauptfigur mit kleinen Marotten, ein paar herzerwärmende und ein paar schurkische Charaktere, ein toter Tycoon im Nobelhotel sowie Drogenhandel und Erpressung - all das bringt Nita Prose in höchst gelungener Weise in ihrem Debütroman "The Maid" unter ein (Hotel-)Dach. Molly Gray, 25 Jahre alt und Zimmermädchen im Regency, klingt eher wie eine 75-Jährige mit ihrer manchmal betulich-gewählten Ausdrucksweise. Was kein Wunder sein dürfte, denn die junge Frau ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, hat ihre Eltern nie kennengelernt unf führt eim höchst zurückgezogenes Leben.

Enge Freunde hat sie nicht, hatte sie nie, was vielleicht auch an ihrer hundertprozentigen Ehrlichkeit und ihrer Probleme, Zwischentöne, Ironie oder Sarkasmus zu erkennen oder die Mienen ihrer Mitmenschen zu deuten. Molly, die vermutlich an einer Form von Autismus leidet, aber nicht erklärt, was sie "anders" macht als ihre Mitmenschen, Seit dem Tod der geliebten Großmutter ist Molly noch einsamer als ohnehin, auch wenn Mr Preston, der Hotelportier, ein väterliches Auge auf sie hält. Heimlich schwärmt sie für den Barkeeper Rodney, doch der übersieht sie meist ebenso wie die meisten anderen Menschen - wobei es für ihren Job als Zimmermädchen eigentlich schon fast ideal ist, gewissermaßen mit den Tapeten der von ihre sauber gehaltenen Zimmer zu berschmelzen. Und sauber sind die Räume, wenn Molly mit ihnen fertig - zurückgebracht in den Zustand höchster Perfektion, wie sie selbst sagt.

Ein Hotel wie das Grand Regency hat viele Stammgäste, und dazu gehört auch das Ehepaar Black - er ist ein Immobilientycoon, Giselle seine zweite und 35 Jahre jüngere Ehefrau, die Anteil an Mollys Leben nimmt und für sie nicht nur wie eime Freundin ist, sondern dank üppiger Trinkgelder eine große Hilfe für das schlecht bezahlte Zimmermädchen, das nur mit großen Mühen das Geld für die Miete aufbringen kann. Ausgerechnet Mr Black liegt eines Tages tot in der Suite, die Tür zum Safe steht offen und ein Kissen fehlt.

Für die Polizei ist Molly im Nu die Hauptverdächtige. Nach dem Motto: Der Mörder ist vielleicht nicht immer der Gärtner, sondern auch mal das Zimmermädchen. In dieser schweren Krise muss Molly erst einmal erkennen, wer ihre wahren Freunde sind, während sie notgedrungen selbst ermittelt, um ihre Unschuld zu beweisen.

Dieser Cozy Krimi mag manchmal etwas märchenhaft daher kommen, wozu auch Mollys Art passt, die einfach nicht ganz von dieser Welt ist. Doch wo ihr Abgeklärtheit und Härte im täglichen Überlebenskampf abgeht, geht sie mit den Werten ihrer geliebten Gran, der beruflich perfektionierten Gabe, Schmutz aufzustöbern und zu beseitigen, und mit einer kleinen Gruppe von Helfern auf die Suche nach der Wahrheit.

Ein liebenswertes Stück spannender Unterhaltung für alle, die Wert auf ein happy end legen und ein Herz für Misfits haben.

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Veröffentlicht am 28.01.2022

Hexenglaube, Dorf-Fehde und Giftmord

Bei den Tannen
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Jahrhundertealter Aberglaube, Hass und Vorurteile, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, und inmitten des archaischen Settings eine tote Gourmetkritikerin: Der Südtirol-Krimi "Bei den ...

Jahrhundertealter Aberglaube, Hass und Vorurteile, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, und inmitten des archaischen Settings eine tote Gourmetkritikerin: Der Südtirol-Krimi "Bei den Tannen" von Lenz Koppelstätter bringt ziemlich viel zusammen. Die Alpenidylle im Sarntal hat jedenfalls finstere Seiten, als die bekannte Gastro-Journalistin Manfredi nach den ersten Apettithäppchen im "Tan", dem urig im Wald gelegenen Restaurant Hedwig Jöchlers leblos zusammenbricht. Wenig später brennt das Restaurant, und auf der Wiese davor lassen sich brennende Buchstaben mit der Botschaft "Stirb Hexe" ausmachen.

Commissario Grauner aus Bozen sieht sich mit einer schweigsamen Köchin und ebenso schweigsamen Dörflern konfrontiert. Soviel erkennt er aber schnell - die drei Jöchler-Schwestern sind aus der Dorfgemeinshaft ausgestoßen, so wie all die Jöchler-Frauen vor ihnen, die stets unverheiratet sind und es angeblich mit dem Teufel treiben. Doch wie passt all das mit dem aktuellen Fall zusammen? Die Köchin jedenfalls ist nicht sonderlich kooperativ und scheint manches Geheimnis zu hüten - doch hat sie auch mit dem Tod Manfredis zu tun?

Bei ihren Ermittlungen müssen sich Grauner und seine Assistentin mit der Geschichte der Hexenprozesse im 16. Jahrhundert auseinandersetzen, als die Urahnin der Jöchlerinnen lebendig auf dem Scheiterhaufen starb. Seitdem herrscht Hass zwischen den Steiners, einer der Familien mit traditionell großem Einfluss im Dorf, und den seitdem buchstäblich an die Peripherie gedrängten Jöchlers. Liegt der Schlüssel des Falls in der Vergangenheit und ist die tote Gastrokritikerin letztlich Kollateralschaden?

Koppelstätter bringt immer wieder Hinweise ein, die so manches Mal in die Irre führen. Vieles ist eigentlich ganz anders in diesem Alpenkrimi, in dem die Tradition - im guten wie im schlechten - eine große Rolle spielt. Dabei muss Grauner nicht nur den Fall lösen, sondern mit seinem Team das eigene Trauma aufarbeiten, nach dem Tod eines Kollegen, offenbar Teil der Handlung eines Vorgängerbandes. Denn "Bei den Tannen" ist immerhin der siebte Band einer Serie, einiges von der Dynamik zwischen den handelnden Personen muss von ErstleserInnen wie mir also erst mal erraten werden.

Das ist aber nicht weiter problematisch, denn Commissario Grauner, dessen Gedankengängen man beim Lesen folgen kann, ist ein eher Gemütlicher. Der Polizist, der nebenher auch noch Bauer ist, braucht neben einem harmonischen Familienleben eigentlich nur zwei Dinge zum Glücklichsein: Knödel und Kühe. Seine Rindviecher, die wahren Philisophen, die mit Mahler und versuchsweise auch mal mit Beyonce beschallt werden, können seinen inneren Frieden immer herstellen.

Grauner ist ein Provinzler im besten Sinne des Wortes, aber seine Tochter Sara dürfte es schon schaffen, ihn mit den Plänen für den Familienhof ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Die Sprache, die mitunter auch gemächlich, ja altertümlich daherkommt, passt sowohl zu der ruhigen Art Grauners wie zu dem Thema der Hexenjagd und alter Weisheiten, die an uralte Sagen und Legenden erinnern. Der Autor legt so manchen roten Hering an und am Ende kommt es zu der einen oder anderen überraschenden Erkenntnis. Teils heiter, teils ernsthaft geht es auch um Tourismuskritik, den Hype mit allem Neuen und die Suche nach Entschleunigung. Beim Lesen hat man den Geruch von Tannennadeln und Latschenkeiferöl in der Nase und es läßt sich von Alpenglühen und Gipfelaufstieg träumen.

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