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Veröffentlicht am 15.06.2024

Der ewige Schlaf, das stete Vergessen

Anna O.
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"Sie war ein mythisches Monster, Jägerin und Opfer zugleich, eingefroren in Fotos und Szenenbildern. Auf hundert unterschiedliche Weisen zum Objekt gemacht. Jetzt ist sie wieder dreidimensional."

Inhalt

Für ...

"Sie war ein mythisches Monster, Jägerin und Opfer zugleich, eingefroren in Fotos und Szenenbildern. Auf hundert unterschiedliche Weisen zum Objekt gemacht. Jetzt ist sie wieder dreidimensional."

Inhalt

Für den forensischen Psychologen Benedict Prince ergibt sich eine ungewöhnliche Situation, als die medienumlagerte Mörderin Anna Ogylvi, die sich seit 4 Jahren im Tiefschlaf befindet, zu ihm in die Schlafklinik „The Abbey“ überführt wird. Sein Auftrag ist klar: mittels einer neu entwickelten Methode soll er die Patientin aus ihrem „Dornröschen-Schlaf“ erwecken, damit Sie zu Bewusstsein gelangt und vor Gericht ihrem Urteil zugeführt werden kann. Ben ahnt zunächst nicht, auf welches Spiel er sich einlässt, doch als seine Mentorin und Kollegin Dr. Bloom kaltblütig ermordet wird, erkennt er die nahe Gefahr. Seine Sitzungen mit Anna werden intensiver und es scheint möglich die junge Frau zurückzuholen - von ihrem Aufwachen verspricht sich Ben eine Aufklärung der mysteriösen Umstände, doch es gibt Parteien, die ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Wahrheit in den Untiefen der Erinnerung verborgen bleibt …

Meinung

Die Aufmachung des Buches und auch die Marketingstrategie würde ich als offensiv bezeichnen, weshalb eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut wird. Die Grundthematik rund um das Schlafen und die Schlafforschung bietet ein spannendes, ungewöhnliches Umfeld für einen temporeichen Thriller, der die psychologische Komponente in den Vordergrund stellt. Die Inhalte werden allerdings häppchenweise serviert und das Spannungsniveau insgesamt ist konstant, macht es aber nicht unmöglich eine längere Pause einzulegen. Der Autor greift viele Fäden auf, verfolgt diese aber nicht konsequent zu Ende. Der eigentliche Störfaktor ist die opulente Innenansicht des Erzählers Benedict Prince, der nicht nur seine Vermutungen bezüglich des Falls anstellt, sondern den Leser auch umfassend an seiner persönlichen Geschichte teilhaben lässt. Positiv bewerte ich hingegen die Perspektivenvielfalt, die vor allem Anna zu Wort kommen lässt und die Geschehnisse kurz vor dem tödlichen Angriff präsentiert.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne, für einen ungewöhnlichen, abwechslungsreichen Thriller, der für dieses Genre eine eher untypische, erzählende Struktur aufweist. Meines Erachtens hätte man einige Passagen streichen, bzw. die Handlung insgesamt straffen können. Die Ausflüge in die Psychologie des Schlafes hätten mich mehr interessiert als die gescheiterte Beziehung zwischen Ben und seiner Ex-Frau Clara. Die Charaktere bleiben mir insgesamt etwas zu blass, die Stimmung ist trotz diverser dramatischer Entwicklungen alles andere als bedrohlich. Die Hintergründe hingegen wirken spannend, ebenso wie die Einblicke in eine glasklare Medienwelt, die jeden Menschen einholt, der einmal ins Visier der Massen geraten ist. Es hätte mir deutlich besser gefallen, wenn der Stil mehr auf die emotionale Ebene ausgerichtet gewesen wäre, so wirkt alles sehr steril und klinisch und ohne innere Beteiligung, für einen Thriller nicht ganz der passende Tenor. Hier ist noch Luft nach oben, aber ich habe das Buch dennoch ganz gern gelesen.

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Fürchte die Jäger, die auf deiner Spur sind

Ich träumte von einer Bestie
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Von der deutschen Autorin Nina Blazon habe ich vor einigen Jahren "Liebten wir" gelesen, ein stimmiges, sehr bewegendes Buch mit Nachklang und da mich ihre vielen Fantasystorys nicht sonderlich reizen, ...

Von der deutschen Autorin Nina Blazon habe ich vor einigen Jahren "Liebten wir" gelesen, ein stimmiges, sehr bewegendes Buch mit Nachklang und da mich ihre vielen Fantasystorys nicht sonderlich reizen, war ich nun auf den neuen Roman aus Ihrer Feder umso gespannter. Der Beginn fiel mir nicht sonderlich leicht, denn alles wirkt sehr profan und alltäglich, sei es nun der missglückte One-Night-Stand oder der jüngere Bruder, der nun schon mit den Problemen der Erwachsenenwelt kämpft. Erst nachdem sich die Hauptprotagonistin auf die Reise in ihre persönliche Vergangenheit macht, weil sie Erbschaftsangelegenheiten klären muss, nimmt die Geschichte seutlich an Fahrt auf.

Der Leser reist gemeinsam mit Fleur nach Frankreich und durchkämmt die reliquiienhafte Wohnung des verstorbenen Vaters. Dort sieht es immer noch so aus, wie schon vor 20 Jahren, als Fleurs Großmutter noch lebte. Jene Frau, an die die junge Datenforensikerin nur schlechte, beängstigende Kindheitserinnerungen hat. Als Fleur in den Unterlagen auf einen vermeintlichen Bruder ihres Vaters stößt, beginnt sie zu hinterfragen, wie viel sie tatsächlich von ihren väterlichen Vorfahren weiß und ob ihre eigene Geschichte nicht doch ihre Ursachen in einer verhängnisvollen Vergangenheit haben könnte. Nachdem sie mit einem alten Anwalt Kontakt aufgenommen hat, stößt sie auf weitere Fragen bezüglich einer adligen Linie und einem bösen Fluch, in dem die Bestie aus Fleurs Träumen plötzlich sehr real zu werden scheint ...

Obwohl dieser Roman einige Längen aufweist und die Hauptprotagonistin eine ziemlich schräge, verstörte Person zu sein scheint, die ein äußerst bedenkliches Verhältnis zur Männerwelt pflegt, da sie fast alle Kontakte, die sie während des Romans schließt ,immer gleich als potentielle Partner ansieht, konnte mich die Story letztlich doch fesseln. Besonders spannend fand ich die historischen Ausflüge hin zur Legende von der Bestie des Gévaudan, auch die Ahnenforschung selbst interessiert mich persönlich sehr und ich kann das ungebrochene Interesse von Fleur sehr gut nachvollziehen. Zwischen den Zeilen findet man hier ein ganzes Bouquet an menschlichen Verhaltensweisen und Fehltritten, so dass der psychologische Faktor nicht zu kurz kommt. Der Text ist einfach gehalten und liest sich sehr flüssig - also im besten Sinne ein Unterhaltungsroman.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Lesesterne, die ich gerne zu 4 Sternen aufrunde, für eine interessante Story über Themen wie Aberglaube, Mythen, Traumata aus früheren Generationen, Erbschaften der verschiedensten Art und ihrem Anteil an unserem Leben im Hier und Jetzt. Dieses Buch eigenet sich auch für jüngere Leser, scheint mir doch gerade die Hauptprotagonistin immer noch auf Sinnsuche zu sein. Für meinen Geschmack ist die Geschichte aber etwas zu oberflächlich geschrieben, sie wird mir nicht sonderlich lange in Erinnerung bleiben und ich kann mir dem Text nur wenig entnehmen, für das eigene Weltbild. Gerade nach der Vorlage von "Liebten wir", habe ich mir von diesem Roman etwas anderes versprochen.

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Veröffentlicht am 20.04.2022

Das goldene Dorf in dunklen Zeiten

Das Dorf und der Tod
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„Doch der König ruht woanders, wo, das kann man sich denken, wenn man die Geschichte kennt. Doch damals als alles geschah, kannte sie niemand. Oder wollte sie nicht kennen, nicht hören und schon gar nicht ...

„Doch der König ruht woanders, wo, das kann man sich denken, wenn man die Geschichte kennt. Doch damals als alles geschah, kannte sie niemand. Oder wollte sie nicht kennen, nicht hören und schon gar nicht sehen, diese verdammte Geschichte.“

Inhalt

Simon Weber kehrt zurück an den Ort seiner Jugend, an das Grab seines Freundes, dem er einst versprach, dass sie gemeinsam ihren 90. Geburtstag feiern werden. Doch Simon steht allein da, nichts ist mehr so, wie es damals war, die Geister der Vergangenheit sind den neuen Zeiten gewichen, doch der alte Mann weiß mehr. Er hat die Zusammenhänge erkannt, die zwischen dem gewaltsamen Tod seines ehemaligen Freundes und den Ereignissen lange vor dem Krieg geschehen sind. Er weiß, dass die Dorfbewohner nicht unwesentlich an der Entwicklung beteiligt waren, indem sie entweder wegschauten und nichts wahrhaben wollten, oder es tatsächlich ignorierten. Simon Weber erzählt diese Geschichte dem Leser weiter, beschwört das Drama herauf, was niemand sehen wollte und klagt an, sowohl diejenigen, die bewusst eine Entscheidung trafen, als auch jene, die sich gottgegeben den engen gesellschaftlichen Normen beugten, ohne sie jemals zu hinterfragen. Denn vielleicht würde er dann tatsächlich mit seinem Freund hier stehen, wie sie es einst geplant hatten …

Meinung

Auf diesen Kriminalroman, der auf einer wahren Begebenheit beruht, bin ich durch zahlreiche positive Leserstimmen aufmerksam geworden. Die Autorin, selbst aufgewachsen in dem Ort, dessen Geschichte sie hier auf eine Dorfgemeinschaft aus der Vergangenheit projiziert, entwirft nicht zwangsläufig einen Kriminalfall, sie schildert vielmehr die zahlreichen Verästelungen der Menschen, ihre Verbindungen und die daraus resultierenden Fehler, die irgendwann zu einem tödlichen Höhepunkt geführt haben, dessen Ursprung sie akribisch nachzuzeichnen versucht. Der Ansatzpunkt ist kein schlechter, doch habe ich im Kern eigentlich eine andere Story vermutet.

Ich glaube, hier kommt man deutlich besser, wenn man ohne Erwartungshaltung an die Lektüre geht. Gerade weil dieser Kriminalroman auf Tatsachen beruht, hätte ich mir eine spannungsgeladene, fesselnde Lektüre mit viel Gänsehaut erhofft, die bekommt man aber nicht geboten. Auf das romanhafte Erzähltempo und die dadurch recht flache Spannungskurve, hätte ich gerne verzichtet. Aber wenn man sich eine gut recherchierte Dorfgeschichte mit vielen kleinen Einzelschicksalen, die wiederum ein Großes Ganzes ergeben wünscht, ist man hier bestens beraten.

Der Mordfall selbst, ist nicht der zentrale Punkt, vielmehr ein über Jahrzehnte andauerndes menschliches Drama, welches von vielen Gesichter begleitet wird und hervorragend auch die gesellschaftlichen Zwänge und politischen Rahmenbedingungen vor, während und nach dem 2. Weltkrieg schildert. Eine ganze Dorfgeschichte läuft wie im Film vor dem Auge des Lesers ab, man fühlt sich den Menschen von damals nahe, kann sie einigermaßen gut verstehen und leidet mit ihnen. Als Chronik eines Ortes mit verschlungenen Lebenswegen funktioniert dieser Roman bestens, doch darauf hatte ich eigentlich keine rechte Lust.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für diesen True-Crime-Roman, der feinfühlig, intensiv und ausgiebig die menschlichen Hintergründe hinter gut getünchten Fassaden zum Anlass nimmt, um aufzuzeigen, wie fatal fehlende Liebe sein kann und wie hasserfüllt junge Menschen werden, wenn man sich ihrer nicht zuwendet und sie wahrnimmt, wie sie sind.

Ein treffendes Beispiel von Erziehungsfehlern, eigenem Unvermögen oder schlicht und ergreifend der Ignoranz des Individuums in der Gesellschaft. Also lesenswert ist die Geschichte allemal, auch wenn ich sie am allerwenigsten als einen Kriminalroman empfunden habe – also aufgepasst bei den Ansprüchen an die Lektüre, damit man nicht so wie ich, leicht enttäuscht die letzte Seite zuklappt.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Und dann erlosch die Aufmerksamkeit, wie sie es immer tut

Die Kinder sind Könige
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„Eine Zeit, die sie auszuradieren versucht, über die sie nicht zu sprechen bereit ist. Denn wenn man weitermachen will, muss man manchmal so handeln, als hätte es die Dinge nie gegeben.“

Inhalt

Die Polizistin ...

„Eine Zeit, die sie auszuradieren versucht, über die sie nicht zu sprechen bereit ist. Denn wenn man weitermachen will, muss man manchmal so handeln, als hätte es die Dinge nie gegeben.“

Inhalt

Die Polizistin Clara Roussel steht vor einem schwierigen Fall der Kindesentführung, als die kleine Kimmy Diore vom Versteckspiel nicht mehr zurückkehrt. Sie und ihr älterer Bruder Sammy wachsen ohnehin sehr behütet auf, eigentlich spielen sie nicht unter freiem Himmel und in der exklusiven Wohngegend gibt es niemanden, der einfach so kleine Mädchen von der Straße wegfängt. Schwierig wird es allerdings, als Clara begreift, wer hier tatsächlich gekidnappt wurde. Denn Kimmy und ihr Bruder sind echte Stars, weil ihre Eltern einen äußerst lukrativen Kanal betreiben, in dem ihre Mutter sich an alle Fans weltweit wendet und das komplette Familienleben als öffentliches Spektakel vermarktet. Familie Diore kennt fast jeder, sie sind wohlhabend und verdienen mit jedem geteilten Video eine nicht zu verachtende Summe Geld. Und jeder, der sich die zahlreichen Videos auf den Social-Media-Kanälen anschaut, würde mit wenig Aufwand herausfinden, wie das kleine Mädchen lebt und auch wo. Hauptakteurin hinter der Kamera ist Melanie Claux, eine Frau, die die Zufriedenheit ihrer virtuellen Fangemeinde schon längst über das Wohlergehen ihrer eigenen Kinder gestellt hat. Und nun gezwungen wird, ihren Kummer als Mutter ebenfalls mit der Welt zu teilen …

Meinung

Ich bin ein großer Fan der französischen Bestsellerautorin Delphine de Vigan, die sich in jedem ihrer Romane einem kontroversen Thema stellt, welches oftmals Bezug zu unserer ganz alltäglichen Welt besitzt und meist eine generalistische Aussagekraft besitzt. Aktueller könnte es kaum sein, denn die Ausbeutung von Kindern im Netzt, ist ein sehr brisantes und mittlerweile nicht zu verachtendes Phänomen, tatsächlich muss man sich nur einmal durch die Profile alter Klassenkameraden auf facebook klicken und schon, lernt man deren Nachwuchs beim morgendlichen Frühstück kennen, auch wenn man längst keinen direkten Kontakt mehr zu den gewählten Personen hat.

Das Buch gliedert sich inhaltlich in zwei klar voneinander getrennte Teile. Im ersten Teil wird die Story rund um die Entführung geschildert und gewissermaßen auch die Hintergrundgeschichte beleuchtet. In kurzen Episoden erfährt der Leser auch von der Vernehmung und den aktuellen Umständen, ebenso wie vom Ermittlungsansatz der Polizei. Der zweite Teil des Buches spielt dann im Jahr 2031, die ehemaligen Kinderstars sind erwachsen geworden, ihre Mutter gealtert und die Polizistin mittlerweile mit anderen Fällen beschäftigt und doch setzt die Erzählung gerade hier andere Maßstäbe, denn sie fokussiert sich auf die Spätfolgen, die eine derartige Lebensweise mit sich bringen kann. Tatsächlich hat mich der zweite, deutlich kürzere Teil wesentlich mehr gereizt, denn zunächst bewahrt die Erzählung eine sehr objektive Sicht, man fühlt sich auf Distanz gehalten, gerade wenn man sich so wenig mit dieser Lebensweise identifiziert. Viele Emotionen werden ausgeblendet, es entsteht kaum Nähe zu den Protagonisten.

Danach gewinnt der Text aber immer mehr Tiefe und zeigt die traurigen Wahrheiten, die zerrütteten Lebenswege, die verpassten Chancen, die späte Abrechnung der Geschädigten und die Uneinsichtigkeit manch Betroffener – ab Seite 235 war dieses Buch ein Lesevergnügen für mich, sehr gern hätte ich hier die Schwerpunkte gesetzt aber so funktioniert das Buch eben nicht. Im Vergleich zu anderen Werken der Autorin bin ich deshalb auch etwas enttäuscht, hier fehlt es an durchgängiger Intensität, an Charakteren, denen man ihr Wesen abkauft, die nicht nur in ihre Rolle schlüpfen oder sich dem Leser so präsentieren, als wären sie aus Fleisch und Blut. Mag sein, dass es an meinem fehlenden Interesse für das gezeigte Leben im World Wide Web liegt, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man so sehr auf fremde Bestätigung angewiesen sein muss, dass man dafür sein reales Leben vernachlässigt und nur noch wie verblendet auf die steigenden Zahlen der Likes schaut.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für diesen aktuellen, sehr aufklärungsreichen Roman, dessen Kernthematik mir doch leider etwas fremd geblieben ist und nicht ganz an die gewohnt intensiven Texte der Autorin heranreicht. Die psychologischen Feinheiten kommen mir zu kurz, dennoch ist dieses Buch sprachlich ausgewogen und gut konzipiert. Eine mehr interessante Betrachtung als ein Herzensbuch, stellenweise hat mich die Interaktion richtig wütend gemacht und durchaus für die Sorgen und Nöte der Betroffenen sensibilisiert. Besonders dramatisch finde ich die Leere, die manch einer zu füllen versucht, indem er alles zur Schau stellt, was ihm begegnet und leider kenne ich tatsächlich solche Menschen, die sich ausschließlich über die Anerkennung Dritter definieren – sehr traurig gerade im Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklung.

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Was fühlst du, mein Käferchen?

Perfect Day
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„ Liebe ist das Zerbrechlichste und zugleich Stärkste in uns Menschen. Und sie ist immer existent.“

Inhalt

Ann Lesniak kann es kaum glauben, dass ihr geliebter Vater, der sie als Alleinerziehender großgezogen ...

„ Liebe ist das Zerbrechlichste und zugleich Stärkste in uns Menschen. Und sie ist immer existent.“

Inhalt

Ann Lesniak kann es kaum glauben, dass ihr geliebter Vater, der sie als Alleinerziehender großgezogen hat, nun als Hauptverdächtiger in mehreren Mordfällen an jungen Mädchen im Fokus der Ermittler steht. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass die Polizei den falschen Mann verhaftet hat und begibt sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem Mörder. Irgendwo wird sie eine Spur finden und den Verantwortlichen klarmachen, dass es sich hier um ein einziges Missverständnis handelt. Mühevoll und ereignislos vergehen die nächsten Wochen, bis ihr das Schicksal in die Hände spielt und erneut ein kleines Mädchen verschwindet, welches kurz darauf wieder auftaucht, weil sie den Fängen des Mörders entkommen ist. Doch die kleine Sarah ist nicht zwangsläufig der Beweis für die Unschuld von Walter Lesniak und ihr beharrliches Schweigen scheint andere Gründe zu haben. Wenn Ann nicht bald den Schlüssel zur Lösung des Falls findet, muss sie hilflos mit ansehen, wie die Justiz ihres Amtes waltet …

Meinung

Nachdem ich bereits die beiden vorherigen Bücher der deutschen Bestsellerautorin Romy Hausmann mit viel Vergnügen gelesen habe, war ich natürlich auf ihr neuestes Werk umso neugieriger. Die Szenerie ganz nach meinem Geschmack: ein scheinbar heikler Fall, mit überschaubarem Personal und möglichst tiefgründiger psychologischer Orientierung. Der Schreibstil war wie erwartet schon auf den ersten Seiten flüssig zu lesen, spannend erzählt und zunächst sehr undurchsichtig. Gerade die diversen Texteinschübe, aus unterschiedlichen Perspektiven, sorgten für viel Interpretationsspielraum und Spekulationen. Hinzu kamen bewusst genutzte Zeitsprünge zwischen Anns Bemühungen in der Gegenwart, ihren Erinnerungen aus Kindheitstagen und einer zweiten, bedrohlichen Stimme des vermeintlichen Täters, die darauf schließen ließ, dass wir es hier mit einem Psychopathen zu tun haben. Doch so geschickt, wie die Geschichte auch aufgebaut ist, sie wirkt nicht aus einem Guss und lässt den Leser zu lange in der eigenen Gedankenwelt verharren. Schon bald sorgt das Geschehen für erste Ungereimtheiten und entwickelt sich zunehmend unlogisch und konzentriert auf Effekthascherei – Hauptsache Dramatik, Action und Plot-Twists, die allerdings bald ihren Glanz verlieren.

Besonders geärgert hat mich die Tatsache, dass neben der Geschichte um Walter Lesniak noch so viel anderes angesprochen und ausgeführt wurde, dadurch konnte ich mich gerade mit der Perspektive des potentiellen Mörders gar nicht so recht auseinandersetzen. Die Frage nach dem Motiv ist unklar und ebenso die nach dem Wahrheitsgehalt der Geschehnisse. Möglichkeiten gibt es viele und dadurch bleibt vieles an der Oberfläche, die Intension liegt mehr auf der spekulativen Handlung und weniger auf den Hintergründen.

Fazit

Ich vergebe hier 3,5 Lesesterne, die ich aber tendenziell eher abrunden würde. Diese Story ist mir zu turbulent und dann wieder zu langatmig, der Lesefluss ist zwar da und man könnte meinen einen echten Pageturner in den Händen zu halten, nur leider häufen sich die Kritikpunkte und oftmals verwirkt der Text kurz zuvor aufgebaute Sympathien, weil er sich dann wieder in den Weiten einer anderen Nebenhandlung verirrt. Auch die Glaubwürdigkeit aller Protagonisten steht immer auf der Scheidelinie, als Leser fiel es mir schwer, mich auf einen Aspekt zu konzentrieren und ich kam mir manchmal regelrecht gehetzt vor.

Ganz klar, dieser Thriller ist für mich das bisher schwächste Buch der Autorin, zu sehr orientiert sie sich an temporeichen Entwicklungen und verliert dadurch die ausgeprägten Charakterstudien aus den Augen. Die Schicksale hinter den verschiedenen Rollen des Täters und der Opfer bleiben schwammig und als Leser spürt man nur, dass sich hier ziemlich viele kranke Charaktere auf gut 400 Seiten tummeln, die erstaunlicherweise recht gut in bestimmte Klischees passen. Ich hoffe dann beim nächsten Buch wieder auf den Aufwärtstrend.

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