Ein ungewöhnliches Buch
„Monster auf der Couch“ kam mit einer einfallsreichen Story um die Ecke, die mich sofort faszinierte. Die Idee, die bekanntesten Figuren aus der Feder von Robert Louis Stevenson, J. Sheridan LeFanu, Mary ...
„Monster auf der Couch“ kam mit einer einfallsreichen Story um die Ecke, die mich sofort faszinierte. Die Idee, die bekanntesten Figuren aus der Feder von Robert Louis Stevenson, J. Sheridan LeFanu, Mary Shelley und Oscar Wilde aus dem 19. Jahrhundert in unsere Zeit zu holen, damit sie therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen können, fand ich einfach genial.
Abgerundet wurde das Ganze von einem beeindruckendes Innenlayout. Neben schönen Illustrationen und unterschiedlichsten Schriftarten, die einzelne Bereiche des Buches klar abgrenzten, erwarteten mich die protokollierten Therapiesitzungen, wissenschaftliche Artikel, das Arbeitsbuch der Psychologin so wie einzelne ausgewählte E-Mails mit ihrer Mentorin.
Zu Beginn wurden mir von einer gewissen M. vier Akten, sämtliche Notizen und weitere Materialien zur Verfügung gestellt, damit das Verschwinden ihrer geliebten Frau aufgeklärt werden könne. Bis auf die literarischen Figuren um Dr. Jekyll, Victor Frankenstein, Dorian Grey sowie Carmilla und Laura hatten keine weiteren Personen einen ausgeschriebenen Namen. Wurde doch mal einer erwähnt, so wurde er geschwärzt, was mich anfänglich sehr irritierte. Besonders in Schriftstücken wie E-Mails empfand ich das als verwirrend. Bis zum Schluss wurde mir auch nicht klar, weshalb es sonst weiter keine Klarnamen gab.
Über die Psychologin selbst erfuhr ich relativ wenig. Manches gab sie in ihren Sitzungen preis, ihr Privatleben sowie ihre Gedanken teilte sie öfter in ihrem Arbeitsbuch mit. Ich fand es ein bisschen schade, dass ich dadurch keinen näheren Bezug zu ihr herstellen konnte, andererseits lenkte es mich nicht von den interessanten Therapiesitzungen ab. Hier musste ich mich jedoch erst daran gewöhnen, dass die Psychologin gar nichts über ihre Patienten wusste. Nehmen wir Dr. Jekyll als Beispiel. Wir alle wissen, dass er sich in Mr. Hyde verwandelte, doch das wusste die Psychologin nicht. So entstanden mit ihren Patienten manchmal sehr lustige Missverständnisse. Auf der anderen Seite war das auch ein immenser Vorteil, dass die Psychologin mit der eigentlichen Geschichte ihrer Patienten nicht vertraut war. Denn so musste ich keine Kenntnisse über die jeweiligen Figuren haben, um der Therapie folgen zu können. So kannte ich zum Beispiel die Geschichte von Laura und der Vampirin Carmilla nicht.
So einzigartig das Konzept von „Monster auf der Couch“ auch ist, manchmal empfand ich die Sitzungen als sehr langatmig. Besonders schwer fiel mir Dorian Grey. Unabhängig davon, dass er wirklich unmöglich war, zogen sich die Sitzungen mit ihm wie Kaugummi. Allerdings überraschte mich dann die dritte und letzte Therapiestunde mit ihm, da platze das Buch förmlich vor Spannung und die Wendung überraschte mich. Aber auch die wissenschaftlichen Artikel wurden im Verlauf zu kleinen Herausforderungen. Einen habe ich ehrlicherweise gar nicht wirklich verstanden. Dennoch mochte ich, dass „Monster auf der Couch“ damit unterfüttert wurde, denn das verlieh dem Ganzen einen authentischen Charakter.
Sehr gut gelungen fand ich, dass die beiden Autoren mit den literarischen Figuren stets sehr dicht an der Originalgeschichte bleiben. Teilweise sogar mit identischem Wortlaut. Zudem gefiel mir, wie es ihnen gelang, die Probleme, Moral- und Wertvorstellungen aus dem 19 Jahrhundert aufzugreifen und mithilfe unserer modernen Ansichten und Schwierigkeiten zu vergleichen. Auch mochte ich den psychologischen Aspekt. Ist das Wesen, welches Dr. Frankenstein erschuf tatsächlich ein Monster oder doch eher sein Schöpfer?
Insgesamt gefiel mir „Monster auf der Couch“ sehr. Der Cocktail aus Ernsthaftigkeit und Humor, authentischer Psychologie und Fantasie war perfekt. Nur das Ende war ein bisschen zu kurz, dafür relativ offen geraten. Eigentlich mochte ich es, weil es Spielraum für die eigenen Überlegungen ließ. Interessanterweise hätte ich auch von selbst auf die Teillösung kommen können, doch die beiden Autoren haben alles so geschickt gelegt, dass ich dieses Ende gar nicht in Betracht zog.
Fazit:
Es war toll, die literarischen Schauerfiguren kennenzulernen, während sie sich therapeutische Hilfe suchten. „Monster auf der Couch“ war mal was Ungewöhnliches und ich würde es cool finden, wenn sich noch andere Buchfiguren mal auf die Couch begeben würden.