Die Forelle und der Fliegenfisch – eine Reisegeschichte
Bergers unverhoffte Reise„Ihr, die ihr noch am Quelle, Der sichern Jugend weilt, Denkt doch an die Forelle, Seht Ihr die Gefahr, so eilt!“ Schubertlied, Die Forelle, S.49
"Der neue Name ist nun Atlantik Fliegender Fisch"
Max ...
„Ihr, die ihr noch am Quelle, Der sichern Jugend weilt, Denkt doch an die Forelle, Seht Ihr die Gefahr, so eilt!“ Schubertlied, Die Forelle, S.49
"Der neue Name ist nun Atlantik Fliegender Fisch"
Max Berger, 22 Jahre alt, Student, erhält just in dem Moment, als ihm klar ist er muss sich verändern (örtlich), ein briefliches Angebot einer älteren Freundin: Hauslehrer zweier Grundschulkinder einer deutschen Familie in Indonesien für ein Jahr. Max, der Psychologie studiert, nimmt sich eine Auszeit, weil er frei und ungebunden sein will. Die Mutter Anne Stoll kennt er schon seit seinem 16. Lebensjahr (er schwärmt für sie). Doch er trifft sie jeweils in den Sommermonaten, wenn sie in seiner süddeutschen Heimat auftaucht, auch Anne Stoll stammt von da. Mit dem Ablegen des Schiffes beginnt auch Max Bergers Hauslehrerdasein. Die Kinder erinnern ihn ständig daran und rufen ihn ‚Hauslehrer‘. Neben der Mutter Anne Stoll sind noch weitere Passagiere auf dem Frachtschiff, und natürlich die Mannschaft. Diese Reise wird zu einem bunten Wirrwarr an Emotionen, Beziehungen, Geheimnissen und Offenbarungen. Das Schiff hat in Hamburg losgelegt, nimmt die meisten der Passagiere in Rotterdam auf und fährt durch den Ärmelkanal Richtung Atlantik. Max war aber noch nie als Lehrer tätig und muss sich zuerst darauf vorbereiten. Auf dem Schiff, dem eng begrenzten Raum, kommen sich die Passagiere näher. Der Schriftsteller, die Gräfin, das niederländische ältere Ehepaar und natürlich Anne Stoll mit ihren beiden Kindern. Dazu kommen die Offiziere und die Mannschaft, die das Schiff unterhält. In der ‚closed room‘ Situation der vier Wochen erzählen sich die Passagiere aus ihrem Leben. Jede und jeder trägt so sein oder ihr Bündel. Dass Max nicht nur freundschaftliche Gefühle für Anne Stoll empfindet, merken nach kurzer Zeit alle auf dem Schiff.
In diesem engen Raum, wo überwiegend Männer sich bewegen (die Mannschaft und die Offiziere) reizen natürlich zwei attraktive Frauen und die Frauen, enttäuscht von ihren Ehemännern, sind durchaus offen für Begegnungen der sexuellen Art. Im Laufe der Reise teilen sich die Passagiere untereinander ihre Probleme, Ängste und Sorgen mit. Manches zeichnet sich gleich zu Beginn der Erzählung ab und wird dann im Laufe der Reise ausführlicher dargestellt.
Sehr schön sind die Erlebnisse auf dem Schiff (Besichtigungen, Alltag der Mannschaft, Arbeit und Abläufe) und auch die Beschreibung des Streckenverlaufes mit ihren Erlebnissen und Höhepunkten. Das ist sehr gut eingearbeitet, denn anderenfalls wäre rein die emotionalen Verwicklungen der beteiligten Personen im ‚closed room‘ langweilig.
Umschlagsbild: schlicht gehalten und das ist auch mal schön, wo es jetzt ‚en vogue‘ ist sehr bunt schillernde Umschlagsbilder (neudeutsch Cover) zu gestalten. Darauf ein Fliegenfisch.
Das Büchlein liest sich spannend und hält am Lesen, auch die Wortwahl ist gut getroffen.
Da der Autor Hans Walker im Studium ebenfalls einige Zeit als Privatlehrer in Indonesien lebte, bevor er sein Studium beendete und promovierte, dürften durchaus persönliche Erfahrungen des Autors in diesen geschickt gestalteten Roman eingeflossen sein. Doch wie viel von seiner eigenen Biografie tatsächlich im Roman steckt, bleibt das Geheimnis des Schreibenden.
Obwohl Max mir unsympathisch vorkommt (Egoist mit seinem Problem von ‚Nähe‘ und Muttersöhnchen) verbindet er gerne das Nützliche (die Mutter von Claudia ist auch seine Vermieterin) mit dem Angenehmen (Claudia war verfügbar und wohnte sogar im gleichen Haus, sie ganz oben, er ganz unten). Insofern ist diese Geschichte auch ein Zeitbild (war nicht der Spruch der 68er Männer, ‚wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Etablishment‘), man wehrte sich gegen die Bürgerlichkeit der Elterngeneration mit den Gedanken an die Nazi- und Kriegszeit. Es ist ein Männerbuch, Sicht auf Frauen aus dem Blickwinkel der Männer.
Bergers unverhoffte Reise, Hans Walker
Verlag buch&media, März 2022