Profilbild von SofiaMa

SofiaMa

Lesejury Star
offline

SofiaMa ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SofiaMa über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.04.2022

Es stimmt mal wieder (fast) alles!

The Sea in your Heart
0

Vielen lieben Dank an den Kyss-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Darüber, dass das Cover ein großes Highlight ...

Vielen lieben Dank an den Kyss-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Darüber, dass das Cover ein großes Highlight und ein wunderschöner Hingucker ist, müssen wir wohl nicht reden. Man sieht einen Sonnenaufgang (oder -untergang) am Strand, im Hintergrund sind Felsen und das Meer zu sehen. Alleine vom Betrachten bekommt man hier Fernweh, man fühlt sich sofort wohl und kann das Meer förmlich rauschen hören. Darüber hinaus harmoniert es wunderbar mit dem Cover des ersten Bandes; man sieht sofort, dass die Bücher zusammengehören müssen, auch wenn sie für sich genommen sehr individuell sind.
Auch der Titel „The Sea in Your Heart“ ist hervorragend gewählt, wie ich finde. Zum einen passt es vom Aufbau her super zum Titel des Auftaktbandes („The Sky in Your Eyes), zum anderen findet er sich auch im Inhalt wieder. Mehr kann man von einem Buchtitel gar nicht verlangen!


Meine Meinung:
Vom Inhalt bin ich ähnlich begeistert wie von der Aufmachung.
Der erste Band hatte mir ja vor allem wegen Elíns negativer Gedanken nicht so sehr zugesagt, auch wenn mich alles andere an „The Sky in Your Eyes“ durchaus überzeugen konnte.
Hier habe ich hingegen, bis auf einige winzige Aspekte kaum etwas zu meckern!


Zum einen hat mir Jules´ Ausarbeitung nicht zu hundert Prozent gefallen. Ich glaube, er hätte noch viel mehr zu bieten gehabt, als er hier zeigen konnte. Ähnliches ist mir ja schon bei Jón in Band 1 aufgefallen, wobei Jules bereits um einiges mehr an Persönlichkeit hat als Jón. Er ist eben nicht nur der hübsche, nette Mann, in den sich die Protagonistin verliebt, er hat auch eigene Ziele, Vorstellungen und Motivationen. Dennoch hat mir etwas an ihm gefehlt; vielleicht ein paar mehr Hintergrundinformationen zu ihm, die ihn neben seiner Arbeit als Anwalt ausmachen, vielleicht hätten ihm auch ein paar Kapitel aus seiner Sicht gutgetan, sodass man besser hätte einschätzen können, wie er über manche Situationen denkt. Dies ist hier jedoch ausgeblieben, sodass er für mein Empfinden durchweg ein wenig zu blass und konturenlos blieb (vor allem neben Lilja), auch wenn er mir durchaus sympathisch war. Aber er hätte eben, wie gesagt, auch mehr sein können.

Lilja hingegen hat mir super gefallen! Sie ist nicht auf den Mund gefallen, weiß was sie will und setzt sich auch durch. Dabei hat es mich positiv überrascht, wie wohldurchdacht ihre Handlungen sind und wie besonnen und gemäßigt sie auf viele Situationen reagiert. An sich hätte es mich gar nicht so sehr überraschen dürfen, da sie sehr nachvollziehbar und erwachsen gehandelt hat; eben so, wie man es von sich selbst auch behaupten würde. Da ist mir dann aufgefallen, dass viele New Adult-Protagonistinnen unnötigerweise hysterisch werden oder Drama machen. Lilja ist da anders, und das fand ich sehr erfrischend, vor allem, da sie aufgrund ihrer Überzeugungen und ihres starken Willens nicht weniger leidenschaftlich ist. Ich mochte sie also sehr gerne, und finde es tatsächlich ein bisschen schade, dass „The Sea in Your Heart“ das einzige Buch bleiben wird, in dem sie eine Rolle einnimmt.

Was ich hier bloß nicht so ganz verstanden habe: Sie ist Jóns Schwester, weshalb „The Sky in Your Eyes“ und „The Sea in Your Heart“ ja auch zwei Teile einer Dilogie sind. Abgesehen davon, dass dies vereinzelt erwähnt wird und sie gegen Ende kurz mal mit ihm telefoniert, spielt diese Verbindung aber keinerlei Rolle in der Geschichte. Das fand ich dann doch etwas schade, da einerseits Jón so die Möglichkeit genommen wurde, dem Leser noch etwas von sich zu zeigen, und andererseits auch Liljas Charakter in dieser Hinsicht nichts dazugewonnen hat. Das Buch hätte genauso gut ein Standalone sein können, denn die Handlung und Beziehungen aus dem Auftakt spielen hier schlicht keine Rolle. Das ist also der zweite winzige Aspekt, der dafür gesorgt hat, dass „The Sea in Your Heart“ es nicht ganz zum Fünf-Sterne-Highlight geschafft hat.


Der dritte und letzte Punkt, der mir negativ aufgefallen ist, ist eine Wendung in der Handlung gegen Ende, die ich aus Spoilergründen jetzt natürlich nicht näher umschreiben werde, bei der diejenigen unter euch, die das Buch gelesen haben, aber sicherlich wissen werden, was ich meine.
Diese Wendung war in meinen Augen total unsinnig und hätte es gar nicht gebraucht. Mich hat sie zwar nicht sonderlich gestört, da mir die Art und Weise, wie die Autorin diesen Konflikt gehändelt hat, sehr gut gefallen hat, aber die Handlung hätte den Konflikt eigentlich gar nicht erst nötig gehabt, zumal er so plötzlich auftaucht, dass es schon ein bisschen so wirkt, als sollte auf den letzten Metern nochmal etwas Drama eingestreut werden. Hätte das Buch nicht gebraucht, aber dadurch wird es, wie gesagt, jetzt auch nicht allzu sehr heruntergezogen.


Abgesehen davon hat hier nämlich alles gestimmt!
Vor allem die Umsetzung der Walfang-Thematik hat mir super gefallen. Nicht nur die Überfischung der Meere, die hier auch thematisiert wird, sondern auch der Walfang sind wichtige Probleme, über deren Existenz man zwar Bescheid weiß, worüber man aber nicht zwangsläufig intensiver nachdenkt, wenn man nicht unmittelbar damit zu tun hat. Kira Mohn schafft es mit „The Sea in Your Heart“, dass man sich das Gelesene durch den Kopf gehen lässt und sich von sich aus intensiver mit dem Thema beschäftigen will, ohne dass sie dafür den sprichwörtlichen Zeigefinger erheben muss oder belehrend wird. Beim Lesen hinterfragt man seine eigene Einstellung auch bezüglich den Fischkonsum und denkt darüber nach, welche Konsequenzen das eigene Kauf- und Essverhalten tatsächlich auf die Ozeane und den Bestand der Lebewesen hat.

„Wir sind beide Kreaturen dieses Planeten, und wir brauchen einander. Der Ozean muss für uns beide ein sicherer Ort sein. Denn ohne das Leben im Meer sterben wir alle.“ (S 31)

Das Buch bekommt dadurch also einen Mehrwert, der über den Unterhaltungsfaktor hinausgeht, den Liljas und Jules´ Beziehung hat.

Darüber hinaus hat mir auch die Einbindung der Geschichte in eine Schadensersatzklage positiv überrascht! Ich freue mich jedes Mal, wenn ein Roman juristisch wird, dementsprechend natürlich auch hier. Und auch das hat Kira Mohn super umgesetzt! Sie beweist, dass man als Autor*in kein juristisches Fachwissen braucht oder allzu sehr in die Tiefe gehen muss, um einen Fall spannend zu machen oder eine überzeugende Lösung der Streitigkeit zu finden. Das ist zwar eine Kleinigkeit, die aber für mich als Jurastudentin umso stärker positiv ins Gewicht fällt. :D


Zuletzt kann ich nicht anders, als erneut den Schreibstil und vor allem das Setting in den höchsten Tönen zu loben. Die Autorin hat es bisher mit jedem der Bücher, die ich von ihr gelesen habe, geschafft, dass ich sofort nach den ersten paar Seiten Fernweh bekomme.
Ich zitiere mich an dieser Stelle einfach mal frech selbst aus meiner Rezension zu „The Sky in Your Eyes“: Wenn man sich also bei ihren Büchern auf eines verlassen kann, ist, dass sie es schaffen, einen mit ihrer Wohlfühlatmosphäre an absolut traumhaften Orten zu verzaubern.


Fazit:
Ich lieb‘s!
Für die volle Punktzahl fehlte mir hier etwas an Jules‘ Charakter. Ich hätte gerne noch etwas mehr über Jules erfahren, vielleicht hätte ich gerne auch einige Kapitel aus seiner Sicht gehabt. Ich glaube, das hätte ihm noch mehr Tiefe gegeben. Auch eine Wendung gegen Ende der Geschichte war nicht unbedingt notwendig, und dass, obwohl eine Dilogie, die Figuren aus Band 1 hier kaum relevant sind, fand ich auch etwas schade.
Beides hat mich letztlich aber nicht allzu sehr gestört, denn davon abgesehen stimmt hier ansonsten einfach alles!
Lilja ist eine super Protagonistin, die weiß, was sie will und was ihr wichtig ist, und dafür zwar besonnen, aber nicht weniger bestimmt einsteht. Die Thematik des Walfangs hat die Autorin hervorragend aufgearbeitet; sie zeigt auf emotionale Weise auf, wie viel weltweit nicht nur dabei, sondern beim Fischfang generell falsch läuft. Zuletzt ist hier auch das Setting Islands natürlich wieder ein Träumchen; die Autorin sorgt jedes Mal zuverlässig aufs Neue für Fernweh!
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.04.2022

Schwieriger Einstieg, aber insgesamt grandioser Jugendthriller

Firekeeper's Daughter
0

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Cover ist wunderschön! Man sieht zwei Gesichtshälften, die die Flügel eines Schmetterlings vor der aufgehenden Sonne bilden, außerdem abstrahiert jeweils ein Vogel- und Bärenkopf auf jeder Seite und am unteren Bildrand ein Feuer. Das Cover spiegelt so Motive des Inhalts und den Spirit Namen der Protagonistin wider. Ich finde es schön, dass dieses prägnante Cover aus dem Original übernommen wurde, ebenso der Titel „Firekeeper’s Daughter“, der auf den Familiennamen Firekeeper der Hauptfigur wie auf ihren Vornamen Daunis, der übersetzt „Tochter“ bedeutet, anspielt.


Meine Meinung:
Der Einstieg ins Buch hat meinen positiven Ersteindruck ausgelöst durch das Cover erst einmal gedämpft, ich habe nämlich relativ schlecht ins Buch gefunden.
Das liegt vor allem daran, dass man im Prinzip gar nicht in Daunis‘ Leben eingeführt wird, man wird einfach ins Geschehen geworfen und muss sich erst einmal selbst zurechtfinden. Komplizierter wird das Ganze durch die in den Text eingegliederten Ausdrücke in Anishinaabemowin, der Ojibwe-Sprache, die uns deutschen Lesern natürlich sehr fremd sind. Das Verstehen ist kein Problem, da sich hinten im Buch ein Glossar befindet; selbst wenn sich die verschiedenen Wörter also nicht aus dem Kontext ergeben, was auch oft genug der Fall ist, kann man eben schnell nachschlagen und ist wieder etwas schlauer. Hinzu kommt, dass sich die meisten Ausdrücke und Redewendungen doppeln, sodass man irgendwann weiß, dass bspw. „miigwech“ „Dank“, „kwe“ „Frau“ oder „mashkodewashk“/ „mashkwadewashk“ „Salbei“ bedeutet.
Da darin jedoch, wie gesagt, nicht eingeführt wird, sondern man einfach akzeptieren muss, dass diese Begriffe nicht erklärt werden, ist der Einstieg zunächst kompliziert und gewöhnungsbedürftig.

Hinzu kommt, dass es sehr lange dauert, bis der Mord passiert, von dem im Klappentext die Rede ist, der Daunis in die Ermittlungen einführt. Die Autorin lässt sich also viel Zeit damit, die Geschichte zunächst einmal überhaupt in Fahrt zu bringen.
Bis dahin ist das Geschehen sehr langatmig, um nicht zu sagen langweilig. Man muss sich fast schon dazu überreden, weiterzulesen.

Irgendwann kommt es jedoch zu dem Punkt, an dem sich die Ereignisse überschlagen, die Ermittlungen spannend werden, und man selbst auch eigene Theorien aufstellt. Ab dann wird das Buch spannend und man kann es nur schwer weglegen.
Vieles ist dabei schon früh absehbar, die Geschichte insgesamt ist sehr vorhersehbar. Das hat mich jedoch gar nicht mal so wirklich gestört; auch wenn ich mir in vielen Teilen schon denken konnte, wo das Buch mich hinführen würde, hatte ich trotzdem viel Spaß beim Lesen und Rätseln. Ich wollte natürlich wissen, ob ich Recht hatte!
Dabei hat es „Firekeeper’s Daughter“ aber auch oft genug geschafft, mich zu überraschen oder mit Plottwists aufzuwarten, mit denen ich nun doch gar nicht gerechnet hätte.
Die Ermittlung ist so strukturiert, dass stets etwas Neues passiert, ohne dass die Geschichte etwa zu überladen oder unrealistisch wirkt; die Handlung folgt einem natürlichen Fluss und ist in sich schlüssig und rund.

Das Ende hat mir an diesem Buch sogar mit am besten gefallen, da es zwar einerseits relativ offen ist, vor allem was Daunis betrifft, auf der anderen Seite werden die relevanten Fragen alle zufriedenstellend geklärt und man kann als Leser das Buch mit einem guten Gefühl zuschlagen.


Der zweite Aspekt, der mich von „Firekeeper’s Daughter“ so überzeugen konnte, ist, dass man praktisch nebenbei unheimlich viel über die Natives, vor allem über die Kultur und Mentalität der Ojibwe lernt, und zwar nicht nur über die Sprache durch die, wie oben bereits angesprochen, in den Text integrierten Wörter in Anishinaabemowin. Vor allem lernt man Vieles über Festtage, die Bräuche der Menschen im Todesfall einer geliebten Person, den Glauben an Schöpfer oder die Lehren der Sieben Großväter. Aber auch die Geschichte der Natives wird angesprochen, wobei in der Handlung mehr auf das Generationentrauma eingegangen wird und der Anhang einen über das geschichtliche Hintergrundwissen aufklärt.
Das ist super interessant und macht das Buch an den Stellen spannend, in denen die Ermittlungen gerade zum Stillstand kommen. Inhaltlich hat die Autorin das Buch hier super aufgeteilt.


Auch Daunis, die Protagonistin, trägt ihren Teil dazu bei, dass man beim Lesen von „Firekeeper’s Daughter“ viel Spaß hat. Ähnlich wie der Leser wird sie, als sie Zeugin des Mordes wird, quasi ins kalte Wasser geworfen und muss mit den Ermittlungen des FBI klarkommen. Sie muss lernen, dass Vieles, was sie zu wissen glaubte, nicht so ist wie es scheint. Dabei befindet sie sich stets in einem Zwiespalt und muss sich entscheiden, ob sie ihre Gemeinschaft unterstützen möchte, oder dem FBI bei seinen Ermittlungen hilft. Nicht nur Daunis stellt sich im Zuge dessen die Frage, inwieweit das eine dem anderen dienen kann oder ob es sich dabei um zwei Gegensätze handelt, die sich gegenseitig ausschließen.
Dieser Zwiespalt zieht sich im Übrigen durch Daunis‘ ganze Figur: als Tochter einer weißen Frau und eines Ojibwe ist sie Teil zweier Welten, die zu verbinden ihr nicht leichtfallen.
Als Leser begleitet man sie auf diesem Weg und beobachtet, wie sie damit klarkommen muss und an diesen Konflikten wächst. Sie ist bereits zu Beginn eine starke Protagonistin, aber sie schafft es, im Laufe der Handlung noch mehr zu reifen und an Selbstbewusstsein zu gewinnen, auch wenn sie auf dem Weg falsche Entscheidungen trifft und viel einstecken muss.


Fazit:
Grandioser Jugendthriller über eine junge, starke Protagonisitin, die versucht, ihrer Gemeinschaft zu helfen, indem sie als V-Person für das FBI ermittelt, und das dem Leser ganz nebenbei wunderbar Vieles über Natives und die Kultur der Ojibwe näherbringt. Einige Wendungen sind vorhersehbar, aber trotzdem konnte „Firekeeper’s Daughter“ mich nahezu durchgehend fesseln und vereinzelt sogar überraschen.
Einzig mit dem Einstieg lässt die Autorin sich sehr viel Zeit, daher gibts einen halben Punkt Abzug.
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.04.2022

Düstere Rotkäppchen-Adaption

Die Chroniken von Rotkäppchen - Allein im tiefen, tiefen Wald
0

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Wie ...

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Wie auch schon in meiner Rezension zu „Die Chroniken der Meerjungfrau“ geschrieben, ist die Aufmachung dieser Reihe wirklich ein Hingucker.
Zum einen, weil man auf den ersten Blick erkennt, um welches Märchen es jeweils geht, das Cover weist tolle Details auf, der Schnitt ist ein Hingucker und die Farbgebung passt zum Märchen.
Zum anderen aber auch, weil die einzelnen Teile der Reihe – trotz der vielen verschiedenen Farben – wunderbar miteinander harmonieren; man sieht auf Anhieb, dass die Bücher zusammengehören, kann aber auch direkt erkennen, dass sie in sich abgeschlossene Geschichten bilden.
Insgesamt finde ich den Preis von 18 € nach wie vor für dieses Hardcover im Taschenbuch-Format einen stolzen Preis, der aber immerhin insofern gerechtfertigt ist, als dass man hier etwas fürs Auge bekommt.


Meine Meinung:
An „Die Chroniken der Meerjungfrau“ habe ich vor einem halben Jahr hauptsächlich bemängelt, dass es mir nicht spannend und düster genug war. Aus diesem Grund habe ich meine Erwartungen an „Die Chroniken von Rotkäppchen“ etwas heruntergeschraubt; der Klappentext klingt zwar ähnlich dramatisch wie der der Meerjungfrau, aber ich wollte nicht wieder davon enttäuscht werden, dass sich das Buch als nicht so gruselig herausstellt, wie es angepriesen wird.
Wäre gar nicht nötig gewesen!


In „Die Chroniken von Rotkäppchen“ ist eine Pandemie für den Tod Hunderttausender und den Untergang der Zivilisation verantwortlich – das klingt angesichts der Corona-Pandemie natürlich erstmal bestenfalls wie ein schlechter Witz, schlechtestenfalls wie Schwurbelei. Tatsächlich rufen viele Situationen beim Lesen ein Deja-Vu-Gefühl hervor; einiges, wovon die Autorin hier im fiktiven Rahmen schreibt, ist tatsächlich so oder so ähnlich (weniger dramatisch, aber zumindest in vergleichbarer Weise) so aufgetreten. Das macht das Lesen mindestens komisch, an manchen Stellen aber durchaus auch sehr unangenehm.
Lustigerweise ist das Buch im Original bereits 2019 erschienen – die Autorin kann die Corona-Pandemie also gar nicht zur Inspiration herangezogen haben. Sobald einem das bewusst wird, ist das Gelesene zum Teil sogar noch erschreckender; es ist ein bisschen so, als hätte die Autorin, als sie „Die Chroniken von Rotkäppchen“ geschrieben hat, in Teilen die Zukunft vorhergesagt.

Im Großen und Ganzen ist die Grundstimmung des Buches also allein deshalb schon sehr düster. Man weiß zu Anfang noch nicht wirklich, was dazu geführt hat, dass Red alleine durch den Wald laufen muss, also warum sie ohne Begleitung ist oder weshalb sie überhaupt erst ihr Zuhause verlassen musste.
Dies erfährt man erst nach und nach parallel zu dem, dessen Red sich im Wald stellen muss: Die Handlung wird im „Davor“ – also das, was passiert ist, bevor Red losgegangen ist – und dem „Danach“ – dort, wo die Geschichte einsetzt – erzählt.
Dabei erschließt sich dem Leser nicht nur das Vergangene, sondern das Geschehene nimmt insgesamt erst Gestalt an, wenn man um Reds Erlebnisse sowohl im Davor als auch im Danach weiß. Auf den ersten Blick mag diese Handlungsaufteilung also zunächst verwirrend wirken, aber beim Lesen stellt sie sich als hervorragender Aufbau heraus, der die Spannung nur noch verstärkt und zu einigen Plottwists oder Aha-Momenten führt. Die Autorin verrät dabei gerade so viel, dass man nicht den Überblick oder die Geduld verliert; das hat sie ganz wunderbar hinbekommen.

Quasi nebenbei lässt sie immer mal wieder subtil Hinweise auf das Märchen von Rotkäppchen fallen, wie bspw. die Männer, die durch den Wald streifen, und Red nichts Gutes wollen, und die sie „Wölfe“ nennen, oder eben das Offensichtlichste: Nämlich, dass Red auf dem Weg zu ihrer Großmutter ist.
Darüber hinaus finden sich hier und da aber auch Anspielungen auf andere Märchen, so z. B. Hänsel und Gretel. All das passiert im Vorbeigehen, sodass es einem erst bei näherem Hinsehen auffällt.

„‚Ich weiß. Es gibt eine Menge Ungeheuer da draußen, und alle sehen aus wie Menschen‘, antwortete Red.“ (S. 269)

Inhaltlich fällt dabei vor allem anfangs und im Mittelteil auf, dass sich die Autorin sehr viel mit der Beschreibung eigentlich unwichtiger Details aufhält. Während mich so etwas in Büchern normalerweise schnell nervt, weil oftmals die Handlung darunter leidet, passt es hier aufgrund des eigenwilligen Schreibstils und der Eigenart der Protagonistin (dazu gleich) einfach ins Buch. Durch die durchweg düstere Grundstimmung kommt auch bei unwichtigen Beschreibungen an keinen Stellen Langeweile auf, vielmehr sorgen sie dafür, dass man noch angespannter ist, weil man die ganze Zeit damit rechnet, dass irgendetwas passiert.
Einzig zum Ende hin fällt dieses Stilmittel der Autorin dann negativ auf, als große Probleme quasi mit Links gelöst werden und man über einen Zeitsprung ohne viel Aufhebens zum Ende kommt. So hatte ich z. B. noch ca. 50 Seiten zu lesen und habe mich dann gefragt, wie das alles, was eigentlich noch geklärt werden müsste, denn bitte dort unterkommen sollte. Von der Lösung der Autorin war ich dann eher enttäuscht – die Energie, die sie für die ganzen Beschreibungen aufgewandt hat, wäre an dieser Stelle für mein Empfinden besser aufgehoben. So stimmt das Verhältnis nicht ganz, sodass man, auch wenn man anfangs sehr begeistert ist, hintenraus etwas enttäuscht wird.


Das bleibt jedoch mein einziger Kritikpunkt, der Rest des Buches hat mir super gefallen.
Vor allem auch die Protagonistin Red, die als fast einzige relevante Figur in diesem Buch die Handlung wesentlich trägt, konnte mich überzeugen.
Ihre Vorsicht und vielen Ängste – fast schon Paranoia – machen sie zu einer sehr eigenwilligen Protagonistin, an die man sich erstmal gewöhnen muss. Sie hat in ihrem Leben viele Horrorfilme gesehen und lässt sich davon leiten – das macht sie nicht etwa überängstlich oder nervig, sondern fast schon perfekt vorbereitet für eine Weltuntergangssituation. Gleichzeitig merkt man ihr an, wie verängstigt sie ist, da sie aller Filme zum Trotz natürlich genauso gut weiß, dass sie sich im Ernstfall kaum verteidigen kann, keine praktischen Überlebensfähigkeiten hat und auf ihr Glück und ihren Verstand angewiesen ist. Sie macht das beste aus ihrer Situation, trifft nichtsdestotrotz aber auch mal falsche Entscheidungen und kommt in Lagen, in denen sie sich nicht zu helfen weiß. Genau diese Menschlichkeit und dass sie so „normal“ ist, machen sie so sympathisch und sorgen dafür, dass man sich gut in sie hineinversetzen kann.


Unterstrichen wird ihr Charakter vom Schreibstil, der, ähnlich wie Red, anfangs sehr gewöhnungsbedürftig ist. Man befindet sich praktisch in Reds Kopf und „hört“ ihre ungefilterten Gedanken so, wie sie ihr in den Sinn kommen. Das führt dazu, dass Henrys Stil zwischendurch etwas wirr und durcheinander wirkt, da teils Satzzeichen fehlen, Wörter oder Sätze mehrfach hintereinander oder im ganzen Buch wiederholt werden, oder manche Gedanken auch mal nicht zuende geführt oder von anderen Gedanken unterbrochen werden.
Das klingt jetzt alles so, als könnte man der Autorin nur schwer folgen, was anfangs auch durchaus zutrifft. Sobald man sich aber erst einmal daran gewöhnt hat, sorgt dieser Stil nur dafür, dass man noch stärker ans Buch gefesselt ist als ohnehin schon, da man eben aus erster Hand miterlebt, wie es Red gerade geht.



Fazit:
„Die Chroniken von Rotkäppchen: Allein im tiefen, tiefen Wald“ ist nicht „gruselig“ im klassischen Sinne, aber die Grundstimmung ist durchweg bedrückend und unangenehm, man ist die ganze Zeit angespannt und kann sich nur schwer von den Seiten lösen.
Die Autorin schreibt so, wie die Protagonistin denkt, was anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber dann dafür sorgt, dass man sich umso besser in sie hineinversetzen kann.
Das Ende ging mir allerdings dafür, dass zuvor jedes Detail beschrieben wurde, viel zu schnell. Da hätte ich es besser gefunden, wenn die Autorin das anders eingeteilt hätte, deshalb den halben Punkt Abzug.
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.03.2022

Lieblingsband der Reihe

After Hours
0

Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie auch schon in meiner Rezension zum Vorgänger ...

Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie auch schon in meiner Rezension zum Vorgänger erwähnt, finde ich die Cover dieser Reihe besonders gelungen, weil sie zusammen die schwedische Skyline zeigen. Mit diesem Buch ist mir aber aufgefallen, dass auch die Buchrücken zusammen einen Farbverlauf bilden, was im Regal natürlich (sofern man kein Rainbowshelf hat) ein Hingucker ist!
Aber auch hier muss ich wieder die Titelwahl bemängeln. Während der deutsche Titel des zweiten Bandes „Office Affair“ noch irgendwie zum Inhalt passt, sehe ich bei diesem Teil überhaupt keinen Zwischen Titel und Inhalt. Zwar treffen sich die Protagonisten auch hin und wieder mal abends zum Drink oder machen Überstunden, aber für den Großteil der Handlung spielen die „After Hours“ eben keine Rolle.
Der Originaltitel „Satsa Allt“ bedeutet übersetzt „Aufs Ganze gehen“, was inhaltlich SO viel Sinn ergibt – anders als „After Hours“. Warum sich darauf dann nicht bezogen wird, entzieht sich meinem Verständnis. Wenn man denn unbedingt einen englischen Titel haben möchte, weil es vielleicht mehr Leserschaft anzieht, dann kann man doch einen wählen, der sich darauf bezieht, bspw. „All In“ oder so?
Ähnliches gilt im Übrigen für den Reihentitel, aber das habe ich in der anderen Rezension schon angesprochen.


Meine Meinung:
Auch wenn ich den Titel von allen dreien am schwächsten finde, gefällt mir dieser Band der Reihe inhaltlich am besten!
Ähnlich wie beim Vorgänger konnte mich zwar die Beziehung nicht hundertprozentig mitreißen und auch die Konflikte waren für mich im Prinzip alle vorhersehbar.
Die Autorin hat mit ihrer „Free Falling“-Trilogie das Romance-Rad nicht neu erfunden und es gibt sicherlich Romane, die in puncto Emotionalität viel mehr überzeugen können als diese Bücher.

Was die Bücher in meinen Augen allerdings lesenswert macht, ist das Setting. Einerseits ist, ganz allgemein, Stockholm als Hauptort der Handlung so malerisch und einladend beschrieben, dass man sofort Fernweh bekommt und am liebsten gleich den nächsten Flieger nach Schweden nehmen möchte. Tatsächlich hat mich vorher nie irgendetwas in die schwedische Hauptstadt gezogen (hauptsächlich, weil es mir dort einfach zu kalt ist), aber nachdem ich diese Bücher gelesen habe, ist Stockholm weit oben auf meiner Reise-Bucket-List gelandet.

Andererseits ist primär das Kanzleisetting das, was die Reihe von anderen Büchern hervorhebt. Aufgrund meines Studiums suche ich immer wieder nach Büchern, in denen die Protagonisten irgendetwas mit Jura zu tun haben (meistens sind es ja doch Medizin- oder Literaturstudenten…), einfach weil mich mein Fach begeistert und ich überzeugt davon bin, dass es auch anderen so geht! :D
Während Band 2 mich in dieser Hinsicht etwas enttäuscht hat, liefert „After Hours“ hier wieder voll ab. Der Fall, um den es hier geht (Parisa wird beschuldigt, die Investoren ihrer Firma betrogen zu haben), nimmt einen wesentlichen Teil der Handlung ein, es werden juristische Themen diskutiert und auch die Kanzlei und der Anwaltsberuf an sich sind wieder mehr im Vordergrund – all das aber, ohne gleichzeitig den Fokus zu verlieren oder allzu fachspezifisch zu werden. Die Autorin findet hier also die perfekte Balance zwischen Romantik und Juristerei, wobei man gleichzeitig auch merkt, dass sie selbst vom Fach ist und also Ahnung hat.

Darüber hinaus hat mir an „After Hours“ besonders gut gefallen, dass hier über Parisas Firma, die ein Testverfahren zur Erkennung von Endometriose entwickelt, ebendiese Krankheit angesprochen und ausgeführt wird. Die Protagonistin leidet selbst an Endometriose, sodass man sich auch als nichtbetroffene Leserin zumindest ungefähr vorstellen kann, wie es sein muss, mit dieser Krankheit zu leben. Ich würde von mir schon behaupten, dass ich ein bisschen über Endometriose weiß, aus Interesse und weil ich auch eine Frau bin. Trotzdem denke ich, dass ich durch „After Hours“ einen noch besseren Einblick bekommen und einiges erfahren habe, von dem ich noch nichts wusste. Gerade aus diesem Grund finde ich es wichtig, dass über solche Themen auch in Romance-Literatur geschrieben und sich fundiert damit auseinandergesetzt wird – was wie man deutlich merkt, die Autorin definitiv getan hat.

„Erst küsste er sie vorsichtig auf die wunderbar zarten Lippen, schmeckte Zuckerwatte und das Salz von den Pommes frites. Dann schmeckte er etwas, was er nie zuvor geschmeckt hatte. Es war gleichzeitig süß, zart und absolut himmlisch. Der Geschmack von ihr.“ (S. 230)

Parisa selbst ist eine tolle Protagonistin, zu der ich gleich auf Anhieb Zugang gefunden habe. Sie ist stark und intelligent, scheut sich nicht davor, ihre Meinung zu sagen und für ihren Standpunkt einzutreten, ist gleichzeitig aber auch sehr besonnen und denkt nach, bevor sie handelt. Sie war mir durchweg sympathisch und ich konnte mich super in sie hineinversetzen.
Ähnliches gilt für Johannes, der mir von allen drei männlichen Protagonisten der Trilogie sogar am besten gefallen hat. Er ist zwar eher still und zurückhaltend, aber das heißt nicht, dass er nicht wie auch Parisa für das einsteht, was ihm wichtig ist. In seiner Vergangenheit hat er einiges erlebt, wie man nach und nach erfährt. Zwar kann man sich davon einiges bereits früh denken, aber es ist trotzdem spannend, wie mit fortlaufender Handlung seine Geheimnisse gelüftet werden.
Johannes und Parisa passen wunderbar zusammen und ihre Chemie ist greifbar, was unter anderem auch daran liegt, dass man in Form einer wunderbar in die Geschichte eingefügten Rückblende miterlebt, wie die beiden sich in ihrer Kindheit kennen- und lieben gelernt haben.


Fazit:
Inhaltlich hat Helene Holmström mit „After Hours“ das Romance-Rad nicht neu erfunden, Vieles ist sehr vorhersehbar und die Geschichte folgt einem Muster wie viele Bücher des Genres. Auch die Emotionen der Figuren konnte ich nicht immer zu 100 % nachempfinden, da haben mir einfach das gewisse Etwas und die nötige Nähe gefehlt.
Trotzdem führen diese beiden Aspekte letztlich nur zu einem Abzug eines halben Punktes, denn der Rest ist einfach stimmig. Parisa und Johannes sind zwei tolle Figuren, denen man gerne folgt, die Autorin spricht wichtige Themen auf fundierte Weise an und das juristische Thema der Geschichte liegt wieder stärker im Fokus, ohne dabei das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.
Damit ist „After Hours“ mein Lieblingsband der Trilogie!
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2022

Grandioser Humor und fast ein Highlight!

Als wir Tanzen lernten
0

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Cover ist ein absoluter Blickfang und der Hauptgrund, aus dem ich das Buch überhaupt erst lesen wollte. Im Fokus ist der weiße Titel vor pinken Blumen, darunter ein Tanzendes Paar. Die beiden kommen dem ziemlich nahe, wie ich mir Evie und X vorgestellt habe. Insgesamt passt die niedliche Covergestaltung super zum Inhalt!


Meine Meinung:
Als ich das Buch angefragt hatte, habe ich hauptsächlich eine süße Liebesgeschichte erwartet. Die habe ich auch bekommen, wenn auch die Beziehung zwischen Evie und X letztlich nicht der Grund ist, aus dem mir „Als wir Tanzen lernten“ so super gefällt.
Auch wenn ich sehr überzeugt vom Inhalt bin, hat es zum Highlight leider nicht ganz gereicht, was vor allem an zwei Aspekten gelegen hat.

Zum einen war mir Evie durchweg zu passiv, manchmal auch ein bisschen zu schwarzmalerisch. Während ich über letzteren Charakterzug noch hinwegsehen konnte, weil Evie vom Wesen her schlicht sehr trocken und sarkastisch ist und ihr Pessimismus gerade in puncto Liebe durchaus seine Gründe hat, habe ich schlichtweg nicht verstehen können, wieso sie ihr Schicksal nicht einfach mal selbst in die Hand nimmt.
Das fängt an mit den Visionen: Würde ich wie sie plötzlich den Beginn, den Verlauf und das Ende von Liebesbeziehungen anderer Paare sehen können, wenn diese sich küssen, würde ich das anders als Evie nicht gleich einfach akzeptieren. Vor allem würde ich aber spätestens dann, wenn es meine Freunde oder mich selbst betrifft, alles daransetzen, dass ein negatives Ende, das ich gesehen habe, nicht eintritt. Evie weiß ja nicht einmal, dass das, was sie sieht, zwingend eintreffen wird. Sie versucht aber auch nicht, irgendetwas daran zu ändern oder irgendwie dagegenzusteuern, sie nimmt es einfach hin und wartet ab, bis sich ihre Vision erfüllt.
Gerade zum Ende hin kommt es dann zu Situationen, in denen ich sie, obwohl ich sie als Protagonistin eigentlich gernhabe, nicht verstehen kann. Das Ende selbst ist dann zwar sehr passend für den Rest der Geschichte, aber man fragt sich, ob es nicht vermeidbar gewesen wäre, wäre Evie nicht durchweg so passiv gewesen.

„Wäre er ein Einrichtungsgegenstand, wäre er ein wirklich hübscher Flokati.“ (S. 25)


Der zweite Punkt, der Sophia und mir irgendwann aufgefallen ist, ist die merkwürdige Schwerpunktsetzung. Anfangs dreht sich bei Evie alles um die Visionen – sie (und der Leser) fragt sich, woher sie kommen, was sie zu bedeuten haben, und wie Evie sie wieder loswerden kann. Dann kommt sie zur Tanzschule und einige Kapitel lang begleitet man sie und X beim Tanzenlernen. Als nächstes trägt Fifi (meine Lieblingsfigur, zu ihr später mehr :D), Evie und X auf, einander besser kennenzulernen, worum sich dann die nächsten paar Kapitel drehen.
Man erwartet eigentlich als Leser, dass diese drei Motive Evie wenn auch nicht immer gleichermaßen, dann doch wenigstens irgendwie gleichzeitig beschäftigen – zum Beispiel, dass Evie und X auch während ihrer Kennenlernphase Tanzunterricht bekommen, was vor allem angesichts des anstehenden Turniers eigentlich auch logisch wäre. Dem ist allerdings nicht so: Wenn sich die Autorin mit einem der Motive beschäftigt, geraten die anderen beiden (nahezu) vollständig in den Hintergrund. Im letzten Drittel werden die drei Themen dann nacheinander quasi „abgehakt“ und es kommt zu einer relativ einfachen, für mein Empfinden zu lapidaren Lösung für jeden Konflikt.
Das finde ich insofern schade, als dass dadurch keines dieser Motive so richtig an Tiefe gewinnt.


Das klingt jetzt alles aber doch viel negativer, als ich es eigentlich meine: Sowohl Evies Passivität als auch die Schwerpunktsetzung der Autorin führen letztlich nur dazu, dass „Als wir Tanzen lernten“ nicht ganz das Highlight wird, was es hätte sein können. Denn der Rest ist absolut grandios, allem voran der Humor!
Ich habe bereits Evies trockene und sarkastische Art erwähnt, aber auch X ist sehr schlagfertig und frech unterwegs. Das macht die beiden nicht nur einzeln sehr sympathisch, auch zusammen harmonieren sie wunderbar miteinander. Die Schlagabtausche, die sie (nicht nur, aber vor allem anfangs) miteinander führen, sind sehr amüsant zu lesen!
Auch die Nebenfiguren haben alle einen tollen Humor. Bemerkenswert ist, dass jede Figur auf ihre eigene Weise Lacher beim Leser hervorruft. Vor allem Fifi, die Tanzlehrerin von Evie und X, mit ihrer herrlich direkten und unverblümten Art hat sich in mein Herz geschlichen! Zwar wirkt ihr osteuropäischer Akzent anfangs vielleicht etwas befremdlich und gewöhnungsbedürftig, aber ich denke, das liegt hauptsächlich einfach an der Übersetzung. Jedenfalls konnte ich mich schnell daran gewöhnen und mich über ihre Kommentare köstlich amüsieren.

„Sie schnaubt abschätzig. ‚Wie heißt Spruch von Pferd und Zaumzeug?‘
‚Man soll das Pferd nicht von hinten aufzäumen‘, antwortet X.
‚Ja genau.‘ Sie nickt. ‚In diesem Fall, kümmere dich nicht um Zaumzeug, weil Pferd ist vielleicht tot.‘“ (S. 103)

Auch wie die Autorin über Listen oder Einwürfe der Protagonistin mit Tropes und Erzählmustern in Romance oder Romantasy-Geschichten spielt, während sie selbst einiges davon anwendet (was dann natürlich von Evie kommentiert wird), ist sehr charmant. Hinzu kommt der sehr umgangssprachliche und nahbare Schreibstil, und man hat „Als wir Tanzen lernten“ ruckzuck beendet.

Abschließend noch ein weiterer Aspekt, der mir an dem Buch neben dem Humor sehr gefallen hat: Es geht durchweg um das Motiv „Beginn und Ende“ (oder wie auch immer man das nennen möchte). In jedem Konflikt in „Als wir Tanzen lernten“ findet es sich wieder, und mir hat die Art, wie die Autorin es auf unterschiedlichste Weise umgesetzt hat, sehr gut gefallen.


Fazit:
Auch wenn die Schwerpunktsetzung der Autorin teils seltsam ist, was dafür sorgt, dass die Auflösung der einzelnen Konflikte am Ende eher faul als geschickt wirkt, und auch wenn Evie für mein Empfinden zu passiv ist, ist „Als wir Tanzen lernten“ ein großartiges Buch, das es, wäre es nicht um diese beiden Aspekte, sogar zum Highlight geschafft hätte.
Das hat es vor allem dem hervorragenden Humor zu verdanken, mit dem „Als wir Tanzen lernten“ glänzen kann – insbesondere durch Fifi, die Tanzlehrerin der Protagonisten. Man hat beim Lesen unheimlich viel Spaß und muss mehr als nur ein paar Mal laut auflachen. Meine beiden Kritikpunkte sorgen also bloß für einen halben Punkt Abzug, und ich gebe dem Buch wohlverdiente 4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere