Bissig, philosophisch und witzig. Wer hätte gedacht, dass eine Diskussion über Religion und Glauben so unterhaltsam sein kann?
Ich habe gestern „Shylock“ von Howard Jacobson beendet und bin positiv überrascht! Dies ist Jacobsons Version vom „Kaufmann von Venedig“, die im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts erschienen ist. ...
Ich habe gestern „Shylock“ von Howard Jacobson beendet und bin positiv überrascht! Dies ist Jacobsons Version vom „Kaufmann von Venedig“, die im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts erschienen ist. Es war irgendwie etwas komplett anderes als erwartet, aber trotzdem hat es mir richtig gut gefallen. Doch erst mal zum Inhalt: Es geht generell um drei jüdische Männer, die alle drei ihre jeweiligen Töchter vor den Gefahren der Welt (speziell: der Goi [Nicht-Juden]; spezieller: der Christen) bewahren möchten, und das um jeden Preis. Wir lernen Peter Shalcross und seine Tochter Plurabelle kennen, den leicht wahnsinnigen Simon Strulovitch und seine Tochter Beatrice, und Shylock, dessen Tochter Jessica bereits vor ihm geflüchtet ist. Shalcross begeht Selbstmord und hinterlässt Plurabelle Forderungen an die Männer, die an ihr Herz (und ihre Wäsche) wollen. Erzürnt davon, ignoriert Plury diese und stellt ihre eigenen Anforderungen für Bewerber auf. Auf einem jüdischen Friedhof „erscheint“ dem nachdenklichen Strulovitch Shylock, und die beiden beginnen ein Gespräch, das quasi das gesamte Buch lang fortgeführt wird: Was macht einen guten Juden aus? Ist das Christentum tatsächlich so anders als das Judentum? Und am Allerwichtigsten: Wie kann er (Strulovitch) verhindern, dass seine Beatrice mit einem Goi durchbrennt? Als diese dann tatsächlich einen solchen, nämlich den etwas dümmlichen Fußballschönling Gratan, mit nach Hause bringt, ist Strulovitch außer sich vor Zorn. Aus Angst, Beatrice komplett zu vergraulen, bemüht er sich, Fassung zu behalten, stellt Gratan aber trotzdem eine Forderung: Um seinen Segen zu bekommen, muss er zum Judaismus konvertieren – inklusive Beschneidung.
Was geschieht mit mir?, dachte Strulovitch. Werde ich zu einem jener Juden, die sich dauernd beleidigt fühlen? Gott behüte. So ein Mensch beleidigt nur sich selbst. Ich werde nicht so, versprach er sich. Ich werde es mir nicht erlauben, mich selbst noch vom Rascheln einer Maus beleidigt zu fühlen. Und wenn die Maus bösartig war? Eine bösartige, mürrische, menschenfeindliche Mamser-Maus?
„Shylock“ hat mir von der Handlung her ziemlich gut gefallen, obwohl ich mit der Ausführung anfangs Schwierigkeiten hatte: Am Anfang des Buches war ich von der Erzählweise und vor allem von der hochgestochenen Sprache noch nicht überzeugt, da es mir sehr so vorkam, als hätte sich Howard Jacobson bewusst so gewichtig ausgedrückt, damit man es möglichst schwer hat, allen Gedankengängen und Gesprächen der Charaktere zu folgen. Aber im Verlauf kommt man gut rein und vor allem der Humor lockert alles ein wenig auf. Die Gespräche zwischen Shylock und Strulovitch sind interessant, wenn auch nicht zwingend realistisch. Es dreht sich generell immer um die Frage, wie sehr sich Juden und Christen unterscheiden. Strulovitch vertritt einen sehr fragwürdigen Standpunkt, da er gewissermaßen zwischen dem Jüdischsein und Nicht-Jüdischsein hin- und hergerissen ist: Zum einen verachtet er Bräuche und Rituale der Juden, zum Beispiel der wöchentliche Gang in die Shul. Noch während er an den Kirchgängern vorbeigeht, schimpft er darüber und schnaubt verächtlich, weil sie es anscheinend nicht richtig machen. Er ist besessen davon, nicht an jüdischen Traditionen festzuhalten, indem er beispielsweise auf ebendiese Gebräuchlichkeiten verzichtet, gleichzeitig kritisiert er aber alle, die diesen seiner Meinung nach nicht korrekt nachgehen. Er möchte für seine Tochter auch nicht zwingend einen Juden als Mann an ihrer Seite, zwingt nun aber diesen Goi Gratan dazu, zum Judentum zu konvertieren, da er sonst nicht gut genug für sie sei.
Die komplette Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com