Klappentext:
„Dreißig Jahre hat Hüseyin in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Nur um am Tag des Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach. Fatma Aydemirs großer Gesellschaftsroman erzählt von sechs grundverschiedenen Menschen, die zufällig miteinander verwandt sind. Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Was sie jedoch vereint: das Gefühl, dass sie in Hüseyins Wohnung jemand beobachtet. Voller Wucht und Schönheit fragt „Dschinns“ nach dem Gebilde Familie, den Blick tief hineingerichtet in die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte und weit voraus.“
Da spart man für seinen großen Traum und dann hat man zum Schluss überhaupt nichts mehr davon. Autorin Fatma Aydemir nimmt sich hier einem besonderen und wichtigem Thema an welches uns alle angeht. Keiner weiß, wann der Tag der Tage bei uns kommen mag und vor allem, was und wie es mit den Hinterbliebenen weitergeht. Aydemir lässt in ihrer kraftvollen und sehr emotionalen Geschichte Hauptfigur Hüseyin sterben. Der Vater stirbt und Frau und Kinder bleiben, genau wie die neu erworbene Wohnung (Hüseyins größter Traum). Wir Leser werden gleich zu Beginn von Aydemir richtig ins kalte Wasser geschmissen und das war einfach nur perfekt. Wie soll man den sonst ein Ableben darstellen? Es passiert einfach und es tut weh und schockiert. Trauer sitzt tief und jeder geht damit anders um. Der Verlauf der weiteren Geschichte ist von ihr brillant gelöst - jedes Kapitel behandelt ein Familienmitglied bzw. eine verwandte Person und so lernen wir die Hinterbliebenen besser kennen. Jeder hat seinen eigenen Lebensrucksack zu tragen und jeder hat seinen Traum, genau wie ihn Hüseyin hatte. Dieses zarte Gebilde ist aber so fragil und die Frage ist, auf welchen Pfeilern steht es nun. Die Mutter ist nun das Oberhaupt, aber schafft sie das? Kann sie das? Was passiert mit den Kindern? Jeder von ihnen hat sein Leben. Aydemir packt in ihren Roman so viele wichtige Parts, dass das Buch gewaltig nachhallt nach jedem Kapitel. Hier und da entsteht Drama, da wiederum ist eine tiefe Trauer und woanders gibt es Menschen die erstmal alles realisieren müssen. Sie schreibt so herrlich vielseitig und dennoch trifft sie ihren Tenor auf den Punkt. Ihre Worte sind klar und präzise und sie zeichnet ein sehr klares Bild ab, welches des öfteren auch polarisiert. Es tauchen unweigerlich viele Fragen auf und das liegt nicht an der Religion, sondern die betreffen jeden von uns. Aydemir beleuchtet ebenfalls die Themen Migration, Integration, Gastarbeit, Völkerverständigung, andere Religionen und Kulturen, Weitsicht, Umsicht, Familie uvm. und schlussendlich packt sie alles sehr gekonnt und wohl dosiert in diesen Roman. Kann man kaum glauben, aber es passt alles perfekt. Ihr Sprachverlauf ist packend und fesselnd und wir verstehen viele Situationen immer besser. Wie heißt es aber immer so schön?: „Das Beste kommt zum Schluss“ und genau so ist es auch hier. Das Ende ist einfach nur wow und kam so völlig unerwartet. Gut, es war hier und da ein wenig viel Drama, aber es passte. Die Geschichte ist so wirklich rund und gelungen, da darf auch ein wenig mehr Drama rein.
„Dschinns“ ist eine echter Lesegenuss und erhält von mir verdiente 5 von 5 Sterne.