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Veröffentlicht am 08.04.2022

Cozy Urlaubskrimi mit reichlich Klischees

Der Tote im Netz
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Die Strandkorbsaison kann kommen: Mit Frauke Scheunemanns Cozy Krimi "Der Tote im Netz" haben auch Ostsee-Liebhaber den passenden leichten Lesestoff mit einer Mischung aus (nicht zu viel) Spannung und ...

Die Strandkorbsaison kann kommen: Mit Frauke Scheunemanns Cozy Krimi "Der Tote im Netz" haben auch Ostsee-Liebhaber den passenden leichten Lesestoff mit einer Mischung aus (nicht zu viel) Spannung und Unterhaltung. Wobei das Realistische ziemlich oft auf der Strecke bleibt, das zur Warnung an alle Liebhaber*innen von Krimis wie aus dem richtigen Leben vorneweg.

Als ihr designierter Interviewpartner tot in einem Fischernetz im Hafen von Peenemünde gefunden wird, wittert Lokalreporterin Franzi vom örtlichen Privatsender den großen Knüller. Während der Sender gerade vor einer Übernahme steht, könnten die Arbeitsplätze der Redakteure, allen voran ihr eigener, doch gesichert bleiben, wenn sie nah dran bleibt an den Ermittlungen und sie für eine true crime-Reportage begleitet... Der ermittelnde Hauptkommissar ist davon weniger erfreut, kommt aber nicht wirklich gegen Franzis rheinländisches Temperament an. Schnell fällt der Verdacht auf Tierschützer, die gegen den toten Fischer demonstrierten, doch auch Immobilienspekulationen auf der Insel könnten eine Rolle spielen.

Franzi lässt sich weniger von kriminalistischen Analysen als von ihrem Bauchgefühl leiten und ist den Profis dennoch so manches Mal einen Schritt voraus. Dafür darf sie dann auch mal bei einer Hausdurchsuchung oder Vernehmung im Hintergrund dabei sein. Und auch wenn der spröde, wenn auch hoch attraktive Kommissar über ihre Einmischung nicht glücklich ist, kommt er nicht umhin, ihren guten Instinkt zu loben. Ähnlich absehbar wie in einer "Traumschiff-Folge" ist, dass sich die beiden im Laufe des Buches näher kommen, wobei für Romanzen erste einmal gar keine Zeit ist. Es gilt schließlich, einen Mord aufzuklären.

Auch wenn sowohl die Medienkrise als auch Immobilienspekulationen (nicht nur) in Feriengebieten aktuelle Themen sind - die Zusammenarbeit zwischen Medien und Polizei sind hier sehr klischeeartig und realitätsfern geraten, ebenso die Beschreibung der Medienwelt. Dabei war die Autorin doch selbst mal Journalisitin und hat beim NDR volontiert.

Dass Franzi in einer Redaktion mit kleiner Besetzung tagelang abtaucht als Hobby-Ermittlerin und so gut wie keinen Beitrag produziert, konfus recherchiert und ihre Rolle als Journalistin sehr, tja, individuell auslegt, ist dann irgendwann selbst too much für das Minimum als Realitätssinn, das ich von einem Cozy Krimi erwarte. Ärgerlicher empfinde ich es, dass hier eine Mittdreißigerin sich als schnell beleidigtes, ichbezogenes, launisches und trotziges Girlie gebärdet, das mit seiner geringen Aufmerksamkeitsspanne eher an einen schwer pubertierenden Teenager erinnert, nicht aber an eine erwachsene Frau. Da tröstet es nicht, dass Hauptkommissar Kai nicht weniger als Karrikatur des spröden und korrekten Beamten daherkommt. Weniger Plattheit bei den Protagonisten hätte dem Roman gut getan. Dennoch: Als Strandkorblektüre zur reinen Unterhaltung ist der "Tote im Netz" durchaus tauglich. Manchmal will man ja einfach nur "schmökern".

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Veröffentlicht am 24.03.2022

Alter weißer Mann erzählt

Bloßes Leben
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Selbstkritische Journalisten wissen: Ihr Produkt hat in der Regel eine kurze Verweilzeit. Früher wurde in der Zeitung vom Vortag Gemüse eingewickelt, heute sind online-Texte mitunter schon nach Minuten ...

Selbstkritische Journalisten wissen: Ihr Produkt hat in der Regel eine kurze Verweilzeit. Früher wurde in der Zeitung vom Vortag Gemüse eingewickelt, heute sind online-Texte mitunter schon nach Minuten überholt, jedenfalls in breaking news Situationen. Und doch gibt es immer wieder, gerade in der literarischen Reportage, Texte, die bleiben und ihren eigenen Wert haben. Man denke nur an Altmeister Kisch. Doch gilt das auch für die Reportagesammlung "Bloßes Leben" von Andreas Altmann? Ich fürchte, nein. Einige der Texte scheinen schon mehrere Jahrzehnte alt zu sein. Das nimmt den Ortsbeschreiibungen nicht ihre Farbigkeit, es zeigt sich jedoch ein Blickwinkel, der deutlich aus der Zeit gefallen ist. Boshaft formuliert: Ein alter weißer Mann erzählt.

Seinerzeit war Altmann zu Zielen unterwegs, die für die meisten Menschen äußerst exotisch und eher unerreichbar waren. Mexiko, der Himalaya, gar die Nubaberge während des sudanesischen Bürgerkriegs. Da konnte die Selbstdarstellung ruhig noch ein bißchen kräftiger geraten, es war ja keiner da, der womöglich Zweiefel üben könnte, ob sich der Autor tatsächlich schon nach einem Tag "wie ein Einheimischer" in den Souks von Kairo, den Gassen von Mumbai etc bewegte.

Ärgerlicher stößt beim Lesen eine Haltung auf, die heute nur für Befremden sorgen kann - das Frauenbild etwa, die Reduzierung auf Äußerlichkeiten, streng heteronorme Sichtweise, das Gaffen auff Busenwunder, die Exotisierung von Menschen, denen Altmann auf seinen Reportagen begegnete, Formulierung wie "Mohrenhirse" und N-Wort. Das mögen diejenigen genießen, denen Debatten um Diversität und Pluralismus zu anstrengend erscheinen, aber man muß kein woke-Verfechter sein, um zu bemerken: das liest sich im Jahr 2022 ziemlich angestaubt.

Vielleicht ist es auch dem Umstand geschuldet, dass Fernreisen, gerade solche abseits ausgetretener Pfade, vor einigen Jahrzehnten noch sehr selten waren - aber so mancher Text verharrt an der Oberfläche und huscht hastig zur nächsten Episode weiter, wenn ich als Leserin eigentlich auf der Suche nach Details, nach Stimmungen, nach Emotionen bin: Wie ging es denn nun zu beim illegalen Hahnenkampf, was trieb die Wetter und Hahnenbesitzer dorthin, welche Bedeutung hat das blutige Schauspiel für sie? Hier wäre weniger mehr gewesen, hätte zusätzliche Tiefe und der genaue Blick dem Text gut getan. Denn das bloße Leben ist nun mal zu vielfältig und bunt, um derart oberflächlich abgetan zu werden.

Veröffentlicht am 23.03.2022

Der Tod als Irrtum

Der große Fehler
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Dieser Freitag der 13. im Jahr 1903 war zweifellos kein Glückstag für Andrew Green, Anwalt und Vater des New York der fünf Burroghs, wie wir es heute kennen. Mit 83 Jahren ist der Tod vielleicht nicht ...

Dieser Freitag der 13. im Jahr 1903 war zweifellos kein Glückstag für Andrew Green, Anwalt und Vater des New York der fünf Burroghs, wie wir es heute kennen. Mit 83 Jahren ist der Tod vielleicht nicht gänzlich unerwartet, aber vor dem eigenen Haus erschossen zu werden, damit rechnet ein Gentleman des Fin de Siecle doch wohl eher nicht. Warum musste Andrew Green, Begründer der New York Public Library und des Central Park (unter anderem) sterben? dieser Frage geht der britische, in den USA lebende Autor Jonathan Lee in seinem Roman "Der große Fehler" nach.

Lee zeichnet sowohl eine Lebensgeschichte Greens, der aus kleinen Verhältnissen stammte und sich zu einem der Honoratioren der Stadt hocharbeitete, als auch die Geschichte der Ermittlungen mit ihren teils skurrilen Charakteren wie der von Geisterglauben besessenen Haushälterin Greenes oder der Bordellchefin Bessie Davies, bei der der Schlüssel zum Motiv des schnell verhafteten Täters zu vermuten ist. Daneben ist so manche Ausführung zu den sozialen Schranken und dem herrschenden Rassismus zu finden. Dass Green homosexuell war, dies aber nicht auszuleben wagte, wird zwar deutlich angespielt, aber bleibt letztlich vage.

Vage bleibt auch Andrew Green als Mensch, sein Denken und seine Ziele. Vielleicht lag es daran, dass ich mit diesem Buch einfach nicht warm werden konnte. Denn Lee kann schreiben, er schafft es, den Duktus des späten 19. Jahrhunderts so zu nutzen, dass sich "Der große Fehler" zeitweise wie ein Roman von Henry James liest. Oder ist gerade dies das Problem, bei aller Sprachfertigkeit ist das Buch einfach zu wenig in die Gegenwart transportiert? Ich empfand manches als überflüssige Länge und auch wenn die Auflösung des Plots beziehungsweise des Mordes am Ende ein Aha-Erlebnis bescherte, konnte ich mich letztlich leider nicht für dieses Buch begeistern.

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Veröffentlicht am 12.03.2022

Aussteigergeschichte auf den Galapagos-Inseln

Die dritte Quelle
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Mit "Die dritte Quelle" hat Werner Köhler wohl das Gegenteil einer Coming of Age-Geschichte geschrieben. Denn sein Protagonist Harald Steen ist mit seinen 64 Jahren zwar noch nicht am Ende seines Lebens ...

Mit "Die dritte Quelle" hat Werner Köhler wohl das Gegenteil einer Coming of Age-Geschichte geschrieben. Denn sein Protagonist Harald Steen ist mit seinen 64 Jahren zwar noch nicht am Ende seines Lebens angelangt, steht aber imerhin schon außerhalb des Berufslebens. Doch dann krempelt der pensionierte Hamburger Bankangestellte sein Leben noch einmal völlig um, wird buchstäblich zum Aussteiger und beginnt auf der kleinen Insel Floreana auf dem Galapagos Archipel nicht nur ein ganz neues Leben, er suchtt auch nach den Wurzeln seiner Familie.

Das Buch beginnt vielversprechend, die Reise auf dem Containerschiff, der einsame Mann, der sein altes Leben hinter sich lässt, der Kulturschock auf der Insel, die einsamen Exkursionen in die Nebelwälder zu den Piratenhöhlen, wo sich Steen noch einmal neu erfinden will. Leiten lässt er sich von einem Buch über die einstigen deutschen Auswandererfamilien, deren Nachkommen teilweise immer noch auf Floreana leben. Doch was die sogenannte Galapagos-Affäre letztlich für die Insel bedeutete? Das Geheimnis, das Steen eigentlich lüften wollte, bleibt neubulös.

Und auch die Persönlichkeit des Aussteigers verliert zunehmend an Konturen, eine psychische Erkrankung wird angedeutet, die ihn womöghlich auch auf der Insel wieder in den Griff bekommt. Seine Abkehr von der menschlichen Gesellschaft einerseits, seine Beziehung zu einer 30 Jahre jüngeren Inselschönheit andererseits - das passt irgendwie ncht zusammen und zumindest die Liebesgeschichte ist dann wieder das klischeehafte Wunschdenken eines alten weißen Mannes.

Eindrucksvoll sind die Wildnis- und Naturschilderungen, der Kampf Steens mit der Natur, um seinen Traum vom natürlichen und autarken Leben zu verwirklichen. Dass dieser Traum auch seinen Tribut fordert, macht die zunehmende physische und psychische Zerrüttung Steens deutlich. Stellenweise liest sich "die dritte Quelle" großartig - dann aber zieht sich das Lesen gegen Ende der Erzählung häufig quälend zäh dahin. Die Versprechungen, die dieses Buch am Anfang weckt, haben sich für mich am Ende leider nicht erfüllt.

Veröffentlicht am 26.02.2022

Toxische Beziehung mit Längen

Unser wirkliches Leben
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La Boheme im 21. Jahrhundert, junge Frau und älterer Mann, Kunstszene und Finanzwelt, Unsicherheiten, Wunchvorstellungen und eine Beziehung, die keine ist: "Unser wirkliches Leben", der Debütroman von ...

La Boheme im 21. Jahrhundert, junge Frau und älterer Mann, Kunstszene und Finanzwelt, Unsicherheiten, Wunchvorstellungen und eine Beziehung, die keine ist: "Unser wirkliches Leben", der Debütroman von Imogen Crimp, hat es mir trotz vorhandenen Potentials nicht leicht gemacht, dranzubleiben. Was vermutlich daran lag, dass mich die Ich-Erzählerin Anna irgendwann ziemlich genervt hat mit ihrer Jammerei, ihrem Selbstmitleid und der ewigen Selbstbespiegelung.

Anna studiert Operngesang, sie ist talentiert, hat ein Stipendium für das Londoner Konservatorium erhalten und singt in einer Hotelbar Jazz, um finanziell über die Runden zu kommen. In dieser Bar lernt sie eines Abends den Banker Max kennen, Ende 30 und damit eine ganze Ecke älter als die 24-jährige. Was zwischen den beiden beginnt, soll unverbindlich bleiben - einvernehmlicher Sex, von Liebe ist keine Rede, Essen in teuren Restaurants, er zahlt, sie richtet ihr Leben immer mehr nach ihm aus.

Doch zunehmend ist Anna regelrecht besessen von Max, versucht mehr über sein anderes Leben herauszufinden, über seine Ehe, über das Privatleben, das er ihr verschweigt. Ihr Gesangsstudium beginnt sie zu vernachlässigen, ebenso ihre Freundschaften und das soziale Leben am Konservatorium. Zugleich belastet die Verunsicherung, was zwischen ihr und Max eigentlich läuft, zunehmend auch ihr gesamtes Leben. Sie zweifelt an ihrer Stimme, lässt Proben ausfallen, blamiert sich bei einem Vorsingen. Die Stimme will und kann nicht mehr so, wie Anna will. Ihr vielversprechender Anfang in der Opernwelt scheint früh und aprupt zu enden.

Nun gut, Künstler neigen gerne mal zur inneren Nabelschau und ein bißchen Drama. Aber je weiter das Buch voranschreitet, desto mehr nervt mich Anna mit ihrer Unfähigkeit, sich aus einer Beziehung zu lösen, die ihr nicht gut tut, während sie gleichzeitig Geld von Max annimmt oder sogar Geldscheine aus seiner Schublade klaut. Es fällt mir wirklich schwer, Mitleid zu empfinden - Anna ist keine 18, sondern 24, da kann man durchaus schon einen Realitätscheck erwarten. Und das Gejammer, dass Mitstudenten aus wohlhabenden Elternhäusern kommen und es viel leichter haben, dass ihre Freundun Laurie und sie zur Untermiete bei wenig sympatischen Leuten wohnen - meine Güte, die meisten Studenten schwimmen nicht in Geld, müssen jobben und gerade in teuren Städten wie London eine finanzielle Durststrecke irgendwie überstehen. Da ist Anna nicht die erste und nicht die letzte, der das Geld ausgeht und die nicht weiß, wie sie die Miete zusammenkriegen soll.

In der Hörbuchversion interpretiert Sandra Voss Anna mit einer dieser ziemlich hohen Stimmen, die immer mit einer Frage zu enden scheinen. Das passt zu der Figur, trägt aber nicht dazu bei, sie mir sympatischer zu machen.

Gelungen finde ich die Szenen, in denen Anna von ihrem Gesagsstudium erzählt, davon, was die Musik für sie bedeutet. wie sie ihre Stimme wie ein Instrument nutzt, daran arbeitet und immer Angst um sie hat. Die Künstlercliquen mit ihren Eitelkeiten und Träumen, Konkurrenz und gemeinsamer Liebe zu Musik - das sind die Stellen, an denen "Unser wirkliches Leben" lebt und nicht in nöliger Selbstbetrachtung verharrt. Die Beziehungsgeschichte zwischen Anna und Max hingegen hat Längen, auf die ich gern verzichtet hätte.

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