In die Tiefe gezogen
Unter Wasser atmenJia Jia findet ihren Mann in merkwürdiger Position kopfüber in der Badewanne. Tot. Offenbar ertrunken. Neben ihm eine Skizze eines Fischs mit Männerkopf. Was soll Jia Jia damit anfangen? Sie folgt dem ...
Jia Jia findet ihren Mann in merkwürdiger Position kopfüber in der Badewanne. Tot. Offenbar ertrunken. Neben ihm eine Skizze eines Fischs mit Männerkopf. Was soll Jia Jia damit anfangen? Sie folgt dem Hinweis und erfährt dabei viel mehr über sich selbst als über ihren verstorbenen Mann.
Es handelt sich bei dieser Geschichte um eine sehr ruhige und verträumte. Sie wird überwiegend aus Jia Jias Perspektive erzählt und lässt sich flüssig und angenehm lesen.
Die Atmosphäre ist genauso vernebelt, wie das versmogte Peking, in welchem die Geschichte hauptsächlich spielt. Schon die Kulisse wirkt ein bisschen mystisch und hält genau die richtige Mischung an Surrealismus und Wirklichkeit bereit. Denn Jia Jia hält sich seit der Entdeckung der Fischmann-Zeichnung auch nicht mehr ausschließlich in der Realität auf. Eine andere Welt, die Wasserwelt, dringt mehr und mehr in ihre ein und Jia Jia verliert immer wieder den Bezug zu ihrer eigentlichen Welt.
Der Tod ihres Mannes wirft sie in mehrerer Hinsicht vollkommen aus der Bahn. Es ist, als müsste sie sich neu entdecken, als wäre sie bisher nur ein Schatten ihrer selbst gewesen. Doch ihr fehlt plötzlich der Halt und ein Ziel, weswegen sie der Bedeutung dieser Skizze nachgehen will. Ihre Suche nach dem Sinn dieses Bildes führt sie nach Tibet, wo sie zwar noch mehr Hinweise, allerdings auch mehr Fragen als Antworten bekommt.
Während ihrer Reise und auch davor hat sie einige Zufallsbegegnungen, die wohl mehr schicksalhaft als zufällig anmuten und ihr den Weg zu ihrem neuen oder viel mehr befreiten Ich ebnen.
Kunst und Wasser spielen in diesem Werk eine bedeutsame Rolle. Ganz erfassen konnte ich diese aber nicht. Immer wieder wird Jia Jia von der Wasserwelt verschlungen, sucht aber auch aktiv einen Weg dort hinein. Es macht ihr Angst, scheint aber auch eine Art Befreiung für sie zu sein. Das Wasser zieht sie in die Tiefe, lässt sie aber auch schweben und ganz leicht werden.
Das Buch erzählt von einem ungewöhnlichen Umgang mit Trauer und Verlust, von Gefangenschaft und Befreiung, alles verpackt in surreal und mystisch erzählten Erlebnissen, die zwischen Traum und Realität hin- und herschwanken.
Ich selbst befand mich beim Lesen auch schwankend zwischen Wohlfühlen und Unbehagen. Wie Jia Jia, schwimmt man in der Geschichte manchmal ohne festen Halt und ohne zu wissen, wo das Buch sich hinbewegt.
Das Buch konnte mich berühren und beschäftigt mich nach wie vor, weil ich noch am grübeln bin, was das alles zu bedeuten hat. Ich meine, ein Buch über Identität und Selbstfindung gelesen zu haben. Mir hat vor allem der träumerische Schreibstil und der Hauch von Surrealismus gefallen. Es ist sehr symbolträchtig und voll von Metaphern, von denen mir der Sinn einiger vermutlich verschlossen bleiben wird. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Die Geschichte wird auf jeden Fall noch ein wenig nachhallen.