Packend und handwerklich geschickt erzählt, Highlight!
Inhalt:
Kiều verliert an Weihnachten ihre Oma, an die sie sich kaum erinnern kann, schliesslich hat ihr Vater seit fünfzehn Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Dann aber reist Kiều mit ihren ...
Inhalt:
Kiều verliert an Weihnachten ihre Oma, an die sie sich kaum erinnern kann, schliesslich hat ihr Vater seit fünfzehn Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Dann aber reist Kiều mit ihren Eltern zu ihrem Onkel Sơn nach Kalifornien, wo sich die ganze Familie zur Testamentseröffnung treffen soll. Während sie noch mit ihrer eigenen Beziehung hadert, wird sie mit einer seltsam fremden und zugleich vertrauten Welt konfrontiert, in der sie sich zuerst zurechtfinden muss, bevor sie ihre Familie erneut kennenlernen kann.
Meine Meinung:
Ich bin sehr froh, dieses Buch in der Bibliothek gefunden zu haben, so hat nämlich mein Lesemonat gleich mit einem Highlight gestartet. Khuê Phạms (autofiktional verzerrte) Familiengeschichte, ihre liebevolle und genau beobachtende Erzählweise und die differenzierte und sehr berührende Auseinandersetzung mit sich selber hat mich begeistert. Das Buch habe ich in wenigen Tagen verschlungen und dabei hatte ich stets das Gefühl, mit am Esstisch, im Flieger oder im Zimmer zu sitzen und hautnah miterleben zu dürfen, wie eine Familie nach so vielen Jahren zusammenfindet, sich neu organisieren muss, und dabei zugleich von gefühlt unüberwindbaren Grenzen voneinander getrennt und trotzdem auch irgendwie vereint ist.
Schreibstil und Aufbau:
In einem ersten Erzählstrang erleben wir die in Berlin lebende Kiều, welche kaum Vietnamesisch spricht und vor fünfzehn Jahren zuletzt in Vietnam war und schliesslich mit ihren Eltern nach Kalifornien reist, wo sie sich zuerst im ganzen Chaos der Kulturen zurechtfinden muss. Anhand des zweiten Erzählstrangs, der Geschichte der Jugendjahre von Kiềus Vater Minh, der während des Vietnamkriegs von seiner Familie nach Deutschland geschickt wird, um Medizin zu studieren, lernen wir etwas über eine in Deutschland mit der kommunistischen Partei sympathisierende Studierendenorganisation. Während Minh realisiert, welche unterschiedliche Kriegspropaganda kursiert, wird es für ihn immer schwieriger, die Erzählungen seiner in Vietnam verbliebenen Familie einzuordnen. In einem dritten Erzählstrang begleiten wir Minhs Bruder Sơn während seiner Flucht von Saigon nach Kalifornien.
Es hat mich beeindruckt, wie Phạm diese durchaus komplexen historischen Hintergründe absolut gekonnt in ihren Roman einbaut. So oft lesen wir Berichte aus einer amerikanischen Perspektive auf diesen furchtbaren, so lange andauernden Krieg. Aber Khuê Phạm gibt ihrer vietnamesischen Familie eine Stimme und lässt tief in eine nachhaltig traumatisierte Gesellschaft blicken.
Meine Empfehlung:
Ich bin voller Lob für diesen Roman, der äusserst komplexe historische Hintergründe aber auch Themen wie Herkunft, Rassismus und Zugehörigkeit so vielschichtig und packend erzählt. Dieses Buch ist wirklich eine Entdeckung für mich und ich empfehle es euch allen weiter.