Ohne dich hat mich sehr unentschlossen zurückgelassen. Ich hoffe sehr, dass ich meine Gedanken am Ende der Rezension besser geordnet habe, denn zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nicht sagen, wie meine abschließende Bewertung ausfallen würde.
Mich hat die optische Gestaltung sehr angesprochen und als ich dann das Buch in den Händen hielt und sah, dass es sogar einen Farbschnitt hat, war ich hin und weg. Ich konnte mir auf die Zeichnungen zu Beginn noch keinen Reim machen, aber jetzt nach dem Lesen kann ich vermelden, man wird sie verstehen, sie alle, auch das Cover.
Mit dem Schreibstil habe ich mich stellenweise leider sehr schwer getan. Ich habe mich insgesamt mit dem Buch sehr schwer getan, und tatsächlich war ich mehrmals kurz davor, es abzubrechen, weil ich das Gefühl hatte, es würde meinen Erwartungen nicht gerecht, es wäre zu ausgefallen. Joshua erzählt aus seiner Ich-Perspektive und wenn ich den Klappentext vorher nicht noch einmal gelesen hätte, wäre ich bei seinem sprunghaften, unruhigen Erzählstil wahrscheinlich sehr lange nicht dahintergekommen, worum es bei ihm eigentlich konkret geht, was das große Ganze ist.
Es wird jugendlich und dem Alter des Protagonisten entsprechend geschrieben, allerdings mit vielen stilistischen Wiederholungen, abgehackten Sätzen oder ähnlichem. Ich habe mich nicht sanft an der Hand genommen und kontinuierlich durch die Geschichte geführt gefühlt, sondern als hätte man mich die ersten 50 Meter im Laufschritt hinter sich her gezerrt, dann für eine Weile stehen gelassen und dann brutal weiter gezerrt.
Joshua als Protagonist ist.. schwierig. Oft hatte ich Mitleid mit ihm, denn seine Situation ist weiß Gott nicht einfach. Aber dann wiederum hat er sich derart unsensibel aufgeführt, dass ich ihn am liebsten gepackt und geschüttelt hätte. Ich schwankte ständig zwischen „Oh ja, ich verstehe dich“ und „Was ist falsch mit dir?“. Auf der einen Seite habe ich mit ihm mitfühlen können, auf der anderen fand ich sein Verhalten aber ab und an auch wirklich unangebracht.
Als ebenso schwierig empfand ich das Verhalten seiner Mitschüler. Es gibt niemanden, der sich nicht wie ein Problemfall aufführt und mit solchen Personen umzugehen ist mühsam. Dennoch darf ich nicht außer Acht lassen, dass diese Kinder noch schlimmeres durchlebt haben als Joshua, also sollte ich wohl Milde walten lassen.
Ich rechne Joshua jedenfalls hoch an, dass er den Kopf nicht in den Sand gesteckt hat und auch gelernt hat, sich zu behaupten, das hätte ich in diesem Umfeld auf jeden Fall nicht gekonnt. Mir gefiel auch die Freundschaft, die sich langsam entwickelte, das tat echt gut zu sehen, wie Joshua Rückendeckung bekommt und auf der anderen Seite, wie die Rabauken langsam durchsichtiger und verständlicher wurden.
Der Knackpunkt in der Geschichte ist neben Joshuas Unsicherheit und seiner Angst, allein ohne Zivan zu sein, die Tatsache wegen der Zivan eigentlich weg ist. Es wird viel über die Kultur und Bräuche aus dem Irak erzählt, über die Lebensweise. Leider gehört Zivans Familie dabei zum harten Kern derer, bei denen die Frauen sich an strikte Regeln zu halten haben, Gehorsam wird groß geschrieben. Zu lesen, was das Mädchen durchmachen musste oder muss, war hart und ging mir sehr nahe, während ich mich zugleich unfähig gefühlt habe, irgendwas dagegen zu unternehmen, so gern ich das auch getan hätte. Ich hätte Zivan gern in Schutz genommen und ihr gesagt, dass sie bei uns sicher ist, ebenso wie Joshua das auch am liebsten getan hätte. Aber ich verstehe, wie schwer es sein muss, sich von der Familie loszusagen, und dass das viel Kraft erfordert, die ein junges Mädchen vielleicht nicht allein aufbringen kann. Zivans Zwiespalt wurde gut nachvollziehbar dargestellt und ausgearbeitet, wie ich finde, und ich habe mehr als eine Träne vergossen im Laufe der Geschichte. Hier wurde definitiv ein ernstes und wichtiges Thema angesprochen.
Aufgewertet und ergänzt wird das Geschriebene durch Skizzen und Zeichnungen von Joshua, die in der Geschichte eine große Rolle spielen. Dadurch kann das, wovon erzählt wird, noch besser visualisiert werden und es lockert die Kapitel meiner Meinung nach optimal auf.
Mein Fazit:
Uff. Ich bin immer noch unentschlossen, wie ich das Buch nun fand. Das Thema ist bedrückend und wichtig, ich bin emotional berührt worden und konnte phasenweise richtig mitfühlen und-fiebern. Andererseits hat mir die Schreibweise anfangs Probleme gemacht, genau das Verhalten des Protagonisten. Dennoch hatte das Buch etwas, was es mich an einem Tag hat wegatmen lassen, und etwas, woran ich mich noch länger erinnern werde. Daher werde ich mich mit mir selbst nun auf 4 von 5 Sternen einigen und hoffe, dass ich meinem Zwiespalt damit gerecht werde.