200 Jahre Italienischer Geschichte auf 500 Seiten
An den Ufern von StellataAnfang des 19. Jahrhunderts kommt eine Gruppe des Fahrenden Volkes in ein Dorf am Ufer des Pos. Schnee, Eis und Kälte zwingen sie in besagten Dorf zu überwintern. Der schwermütige Gagé Giancomo verliebt ...
Anfang des 19. Jahrhunderts kommt eine Gruppe des Fahrenden Volkes in ein Dorf am Ufer des Pos. Schnee, Eis und Kälte zwingen sie in besagten Dorf zu überwintern. Der schwermütige Gagé Giancomo verliebt sich Viollca, eine wilde Schönheit mit Fasanenfedern in ihrem unbändigen schwarzen Haar. Und damit nimmt das Schicksal der Familie ihren Lauf. Alle Nachfahren der beiden teilen sich in zwei Gruppen ein: die dunkelhaarigen, denen die mystische Gabe der Weissagung gegeben ist, und die blonden, die Träumer, denen droht, von diesen in den Untergang gezogen zu werden.
Für mich vereint dieses Buch so vieles wunderbares in sich. Zunächst einmal der wunderbar klare und direkte Schreibstil, der zielstrebig keinen Raum für Interpretationen zulässt. Und trotzdem ist es nicht so, dass das italienische Dorf blass und farblos erscheint. Vielmehr ist der sprachliche Stil eine Regieanweisung, die den Leser:innen ein untrügliches Bild in den Kopf setzt. Darüber hinaus entführt Daniela Raimondi mit diesem Buch ihre Leserschaft in zweihundert Jahre bewegter italienischer Geschichte. Sie eröffnet interessante und nahbare Einblicke in Aspekte dieses Landes, die im Geschichtsunterricht leider viel zu oft ausgespart werden. Die Einigungskriege, Armut und Binnenmigration, oder auch radikaler Kommunismus im Italien der Nachkriegsjahre. Gleichzeitig wird das italienische Landleben recht gut geschildert. Hautnah bekommt man beim Lesen mit, wie Fortschritt und neue politische und gesellschaftliche Ideen in Stellata Einzug halten.
Womit mich die Autorin aber auch voll und ganz überzeugen konnte, sind die Protagonist:innen. Diese erscheint trotz übernatürlicher Elemente spannend, authentisch und facettenreich. So sind diese dermaßen gut und einzigartig gestaltet, dass es mir persönlich leicht fiel, diese auseinander zu halten. Dennoch gibt es im Buch eine Hilfestellung, und so kann bei Bedarf jederzeit im Stammbaum nachgeschlagen werden. Und auch die magischen Elemente faszinierten mich nachhaltig. Zwar versprach der Klappentext schon einige mysteriöse Momente, doch fiel es mir vor dem Lesen schwer, diese einzuschätzen. Und so war ich definitiv positiv überrascht, dass diese doch einen so bedeutenden Part in der Handlung einnehmen, und doch dezent gestreut sind und sich unauffällig im Hintergrund hielten. Ein warmes Gefühl von magischem Realismus.
Diese perfekte Mischung ist es, die das Buch auf seinen Seiten niemals langweilig werden lässt, und mich in seinen Bann zog. Definitiv eine große Leseempfehlung und ein Jahreshighlight.