Informationsreiche, gut konzipierte Lektüre
MordsmannErnst Geiger hat ein in mehrerlei Hinsicht vielseitiges Buch über Jack Unterweger geschrieben. Ich war vorab schon fasziniert davon, dass der Autor der Leiter der Ermittlungen gegen Unterweger gab, denn ...
Ernst Geiger hat ein in mehrerlei Hinsicht vielseitiges Buch über Jack Unterweger geschrieben. Ich war vorab schon fasziniert davon, dass der Autor der Leiter der Ermittlungen gegen Unterweger gab, denn erwartete ich viele besondere und neue Einblicke, die man in anderen Büchern oder Artikeln zum Thema nicht findet.
Das Buch ist eine umfangreiche Kombination aus Roman, eigenen Erinnerungen, Artikeln und Dokumenten. Das ist als Mischung ungewöhnlich, funktioniert aber ausgezeichnet. Alle Mosaiksteinchen fügen sich gelungen zum Gesamtbild. Dieses ist nicht komplett, Unterwegers eigene Perspektive erfahren wir natürlich nicht und so bleibt auch am Ende die Frage, wie man diesen Menschen nun einschätzen soll. Das ist aber kein Makel des Buches, sondern im Gegenteil eine seriöse Herangehensweise. Geiger hätte leicht der Versuchung erliegen können, diesbezüglich in den Romanszenen mit dichterischer Freiheit zu agieren. Stattdessen zeigt er die Wirkung Unterwegers auf sein Umfeld, was ich für die bessere Vorgehensweise halte.
Geiger verwendet dazu sehr viele Perspektiven. Das ist zuweilen verwirrend. Gerade am Anfang haben mich die unablässig und oft schnell wechselnden Perspektiven irritiert und aus dem Lesefluss gebracht und ich konnte nicht immer alle zuordnen. Einige Charaktere bleiben durchweg blass und in einem Fall war mir nicht ersichtlich, warum ein Charakter überhaupt eingefügt wurde. Auch waren einige Szenen eher langatmig, gerade wenn es um diverse private Hintergründe und eher philosophische Gedanken ging. Am besten war das Buch für mich, wenn es sich auf die Fakten und Geschehnisse um Unterweger konzentrierte und sich nicht in Beiwerk verlor. Allerdings waren solche für mich weniger relevanten Szenen selten. Nachdem das erste Viertel der Geschichte mich aufgrund der Perspektivwechsel und einiger etwas ziellos wirkenden Szenen noch nicht vollständig gepackt hatte, war ich sehr bald schon gebannt von den Entwicklungen.
Die Fülle an Informationen war, wie erwartet, bemerkenswert. Bei Geigers eigenen Einblicken hätte ich mich über mehr Ermittlungsinformationen und weniger Privatleben gefreut, auch wenn ich seine Motivation zum Einfügen jener privaten Einblicke verstehe. Insgesamt kamen mir die Ermittlungen ein wenig zu kurz, aber das tat der Gesamtwirkung keinen Abbruch. Sehr gefreut habe ich mich über das Einfügen von Plädoyers, Gutachten und Aussagen des Prozesses. Auch die zwischendurch zitierten Zeitungsberichte komplettieren die Romanhandlung gelungen und dienten als Darstellungsweise für Fakten. Es war spannend, wie sich die verschiedenen Sichtweise ergänzten, und als Leser taucht man richtiggehend in die Geschehnisse ein, hat unmittelbar daran teil und gewinnt, auch durch den leicht lesbaren Schreibstil, einen lebhaften Eindruck. Daß Unterweger einen nachhaltigen, langfristigen und fast durchweg schädlichen Eindruck auf sein Umfeld hinterließ, wird uns deutlich aufgezeigt. Wie ihm dies gelingen konnte, wird im Rahmen des Möglichen erklärt.
Insgesamt bot das Buch eine spannende und umfassende Darstellung Unterwegers, seiner Wirkung und seiner Taten. Man merkt die Akribie, mit der Geiger das Buch konzipierte, und kann sich auch an der Sachlichkeit erfreuen, mit der er berichtet. Auf billige Schockeffekte wird verzichtet und auch das Zusammenspiel von Romantexten und Sachtexten trägt dazu bei. Eine lohnende Lektüre.