Reizvoller Weltenbau 2029, interessante Ideen, nerviger Protagonist
An den Hard-Science-Fiction-Romanen von Brandon Q. Morris mag ich die Verwendung naturwissenschaftlicher Phänomene als Impulsgeber, deren laienverständliche Einbettung in die Handlung und kurzweilige Aufarbeitung ...
An den Hard-Science-Fiction-Romanen von Brandon Q. Morris mag ich die Verwendung naturwissenschaftlicher Phänomene als Impulsgeber, deren laienverständliche Einbettung in die Handlung und kurzweilige Aufarbeitung im Nachwort und dass die geschilderten Ereignisse und Empfindungen ganz ähnlich im realen 21. Jahrhundert ablaufen könnten. Diesen Anforderungen wird auch „Die letzte Kosmonautin“ gerecht. Neuartig ist das Alternate-History-Szenario, dass die DDR im Jahr 2029 noch existiert und global einen angesehenen Status einnimmt. Es erzeugt Interesse und Spaß, Ursachen und Abweichungen zu Bekanntem zu ergründen.
Man wechselt chronologisch und im Präsens kapitelweise zwischen der DDR-Kosmonautin Mandy, die sich als einziger Mensch auf einer Raumstation im Erdorbit befindet, und dem DDR-Gesetzeshüter Tobias. Um Spannungselemente bereichernd wirken eingeschobene kurze Innenansichten weiterer Figuren.
Die Perspektive von Mandy gefiel mir über weite Strecken. Highlights bilden der verbale Schlagabtausch mit dem Roboter und das anschauliche Miterleben und Lernen rund um Leben und Überleben im Weltall, was bei mir Assoziationen zu Sandra Bullock in „Gravity“ erzeugte. Zum Ende hin wiederholen sich gefühlt das Bemitleiden rund um ihre Zwillinge und mechanische Abläufe. Mehr charakterliche Tiefe wäre drin gewesen.
Beim Protagonisten Tobias offenbart der Autor seine Schwächen in der Charakterzeichnung und bei Liebesgeschichten. Nun ist Tobias ja eigentlich ein respektabler Mann mit gutem Job und zwei erwachsenen Kindern, doch kaum trifft er auf seine heimliche Jugendliebe, benimmt er sich infantil, tölpelhaft und hörig. Abläufe wirken manchmal langatmig. Genervt überflog ich einige Absätze, ohne Wichtiges zu verpassen.
Ich würde mir wünschen, dass der Autor sprachlich mehr wagt und weniger bieder schreibt.
Von den Nebenfiguren habe ich Hardy am meisten gemocht.
Im Showdown fiel mir das Mitfiebern schwer. Der Ausgang war erwartungsgemäß.
Diesmal nur glatte drei Sterne. Auch wenn es grundsätzlich lobenswerte neue Ansätze gibt, landet für mich dieses Werk bei etwa 20 Büchern, die ich bisher von BQM gelesen habe, im schwachen Mittelfeld. Die ebenfalls eigenständigen Romane „Die Störung“ und „The Hole“ weisen m. E. mehr Unterhaltungswert, sympathische Figuren, Witz, Wendungen, Innovationskraft, Informationsgehalt und Anschaulichkeit auf.