100 Seiten zwischen Bestreben zur Normalität, Monotonie und Wahnsinn
Patrick Süskind schafft hier ein kleines Wunderwerk: Auf 100 Seiten erzählt er von einem schicksalsträchtigen Tag im Leben des Jonathan Noel, der seit 30 Jahren zurückgezogen und für sich in einer klitzekleinen ...
Patrick Süskind schafft hier ein kleines Wunderwerk: Auf 100 Seiten erzählt er von einem schicksalsträchtigen Tag im Leben des Jonathan Noel, der seit 30 Jahren zurückgezogen und für sich in einer klitzekleinen Ein-Zimmer-Wohnung lebt. Begegnungen mit Nachbarn und Mitbewohnern des Hauses meidend, ist er gern allein und hat seine Ruhe. Er geht einem relativ langweiligen Job als Wachposten einer Bank nach, bei dem nichts tut, außer den ganzen Tag auf einer Treppe vor ebendieser positioniert zu stehen. Sein geordnetes Leben und seine innere Ruhe und vor allem seine Monotonie werden eines Tages jedoch zerstört, als er auf dem Weg zur Etagen-Toilette eine Taube vor seiner Tür stehend vorfindet. Mit ihren „toten, blicklosen“ Augen schaut sie ihn an und die Panik über das hereingebrochene Chaos durchfährt ihn blitzartig. Immer tiefer driften seine Gedanken in eine Richtung ab, die nicht mehr normal erscheint, die Taube wird zum Symbol für Anarchie und Chaos. Er schafft es gerade noch zur Arbeit, scheinbar von Pech und Unglück verfolgt, mit dem festen Vorhaben im Kopf, nie wieder zurückzukehren, sein Apartment zurückzulassen, da „dort, wo eine Taube lebt, kein Mensch mehr leben kann“.
Eine kleine Reise durch die Gedankenwelt eines Mannes, dessen Leben durch das Erscheinen einer Taube komplett durcheinander geworfen wird. Eine sehr entzückende Geschichte, die trotz ihrer Kürze, die uns das Gedankegewirr offenlegt, das uns befallen kann, wenn es zu einer unerwarteten Situation kommt. Man hegt trotz seiner Verrücktheit Sympathien für den Protagonisten, der zwar den Clochard um seiner Freiheit willen in gewissen Situationen beneidet, aber doch stets zu seinem gewohnten Trott, seinem behüteten Leben zurückkehrt.
Diese und andere Rezensionen findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com