Eindringlich, aufrüttelnd und erschreckend realitätsnah – ein wichtiger gesellschaftskritischer Roman!
Die Kinder sind Könige„Die Kinder sind Könige“ von Delphine de Vigan ist als gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag und Lesebändchen im März 2022 beim DuMont Buchverlag erschienen.
Der Roman hat einen Umfang von 320 Seiten und ...
„Die Kinder sind Könige“ von Delphine de Vigan ist als gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag und Lesebändchen im März 2022 beim DuMont Buchverlag erschienen.
Der Roman hat einen Umfang von 320 Seiten und wurde ins Deutsche übersetzt von Doris Heinemann.
Das Cover ist geheimnisvoll gestaltet und lässt Raum für Interpretationen und Empfindungen. Der Klappentext macht unendlich neugierig auf diesen Roman, der die Möglichkeiten und die Gefahren der sozialen Medien so schonungslos und erschütternd aufdeckt.
Zum Inhalt: Mélanie träumte schon als Teenager davon, eines Tages berühmt zu sein. Sie ist absolut gefesselt von den neuen TV-Formaten und Reality-Shows a la Big Brother und geht als Erwachsene voll darin auf, ihre Kinder ständig zu filmen und die Videos dann auf öffentlichen Kanälen zu posten, um ihr Ziel zu erreichen. Bis Kimmy eines Tages verschwunden ist…
Meine Meinung: Delphine de Vigan hat einen Schreibstil, der sehr offen und direkt ist und die Dinge schonungslos auf den Punkt bringt. Dabei lässt sie den Leser wenig Nähe zu ihren Protagonisten aufbauen, es entbrennen keine besonderen Sympathien. Die größte Emotion, die beim Lesen entsteht, ist -neben dem Mitleid mit den Kindern und einer gewissen Abscheu gegenüber den Eltern- somit der Schrecken über die lawinenartigen Dimensionen, die das unablässige Heischen nach öffentlicher Aufmerksamkeit nach sich ziehen kann …
Die Geschehnisse werden relativ nüchtern, bisweilen gar empathielos anmutend, geschildert. Was auf den ersten Blick gefühllos wirkt, ist allerdings eher das Gegenteil – die Autorin lässt dem Leser auf diese Weise genügend Spielraum für seine eigenen Empfindungen.
Spannend fand ich die wechselnden Erzählperspektiven, so bekommt man einen umfassenden Einblick über die Sichtweisen der einzelnen Charaktere. Hauptsächlich erleben wir die Handlung aus der Sicht von Mélanie und Clara serviert, die Einblicke in die Gefühlswelt der Kinder kommt hingegen etwas kurz. Gegen Ende des Buches wird dann aber noch in die Zukunft geblickt und man erfährt, was aus den beiden Kindern wurde – das sollten alle Eltern lesen, die ihre Kinder so schonungslos der Öffentlichkeit preisgeben, damit es ihnen die Augen öffnet…
Mélanie geht, indem sie ihre Kinder Tag für Tag filmt und die Videos auf YouTube und Instagram veröffentlicht, ihren eigenen Weg wie mit Scheuklappen und ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei macht sie dies nicht böswillig, sondern ist so sehr in ihrem Streben nach Anerkennung gefangen, dass sie gar nicht merkt, was sie ihren Kindern damit antut. Wichtig ist nur das Image, außerdem muss die Anzahl der Likes unbedingt höher sein als die der Konkurrenz. Dabei werden Privatsphäre oder Unlust der Kinder vollkommen außer Acht gelassen. Und Bruno zieht mit. Was aus Kimmy und Sam wird, fällt erst durch die tragische Entführung Kimmys auf. Dadurch, dass so lange keinerlei Forderungen der Entführer kamen, war die Hoffnung groß, das Kind unbeschadet wiederzubekommen. Der alsbald zugesandte Fingernagel dagegen lässt das Schlimmste befürchten…
Clara ermittelt und sucht mit ihrem Team fieberhaft nach den Entführern. Sie hat mit der Thematik der Influencer bislang wenig Erfahrung und muss sich dahingehend einarbeiten. Dabei erkennt sie, wie auch der Leser, das Ausmaß der Gefahr durch den fahrlässigen Umgang mit den sozialen Netzwerken und Medien umso besser. Außerdem ist es nahezu unmöglich, einen Täter zu finden, der das Kind bis zum Zeitpunkt der Entführung vermutlich lediglich virtuell kannte…
Mein Fazit: Delphine de Vigan hat hier einen eindringlichen Roman geschrieben, der erschreckend realitätsnah ist, spannende Krimielemente beinhaltet und durchaus erschüttert und aufrüttelt.