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Veröffentlicht am 06.04.2022

Japan, kulinarisch; Japan, sexistisch

Butter
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Rika (Journalistin) lebt in Tokio. Sie will ein Exklusivinterview mit Manako Kajii. Diese sitzt als angebliche Serienmörderin ein (sie soll mehrere Männer, die sie mit ihrer Kochkunst verführt hat und ...

Rika (Journalistin) lebt in Tokio. Sie will ein Exklusivinterview mit Manako Kajii. Diese sitzt als angebliche Serienmörderin ein (sie soll mehrere Männer, die sie mit ihrer Kochkunst verführt hat und dazu gebracht ihr den Lebensunterhalt zu finanzieren, ermordet haben). Manako hat bisher jegliche Interviewanfragen abgewehrt. Rika schafft es zu Manako vorzudringen, indem sie vorgibt an ihren Rezepten interessiert zu sein. Doch innerhalb kurzer Zeit wird daraus eine Faszination für Manako und auch für die Rezepte. Manako Kajii erwartet von Rika ein gewisses Eingehen auf ihre Lebensphilosophie. Dadurch hinterfragt Rika zunehmend ihr eigenes Leben und das der japanischen Gesellschaft (was ist wichtig, was will ich als Frau in meiner Gesellschaft, etc.).

Es geht nicht mehr darum, hat Manako diese Männer ermordet, sondern es geht zunehmend darum, was macht die Gesellschaft in Japan aus den Frauen.
Die Einblicke in die japanische Kultur können schockieren: Fleiß und Gehorsam stehen an erster Stelle (sich für die Firma fast umbringen, eine Frau muss schlank sein, diszipliniert und eher dem alten Ideal einer Geisha entsprechen). Bodyshaming ist in Japan noch schlimmer als in Europa.

Bei den interessanten Gesprächen über Essen und dem Austausch der Rezepte erwischen den Lesenden natürlich auch Hungerattacken. Nicht umsonst heißt das Buch ‚Butter‘, denn die Butter spielt eine große Rolle. So wie der Roman keine leichte Lektüre ist und durchaus seine Pausen braucht, so gibt es dann die anderen Pausen, um zwar die Rezepte nicht unbedingt nachzukochen, aber doch etwas Japanisches zu sich zu nehmen. Also man decke sich rechtzeitig mit genügend Butter, Reis, Sojasauce und den anderen Köstlichkeiten der japanischen Küche ein.

Der ungewöhnliche Titel macht neugierig, ebenso das Aufsehen erregende Umschlagsbild. Den Einstieg in den Roman fand ich etwas schwierig - denn so wie sich die ersten Personen, die einem im Roman begegnen, benehmen – da hat sich bei mir zuerst einmal alles gegen das Buch gesträubt. Anscheinend ist der Roman ein Buch, was es der Leserschaft nicht einfach macht: Manche lehnen den Roman ab, andere sind ganz vernarrt in ihn. Ich stehe wohl dazwischen, schwieriger Einstieg, tolle Rezepte, fremde Kultur, unverständliches Verhalten aus (meiner) europäischen Sicht.

Bei den zahlreichen kulinarischen Ereignissen musste ich jedoch passen, weil mir diese Gerichte und Zutaten unbekannt sind. Wer Lust an der Kulinarik hat, muss vieles nachschlagen. Es sind Begriffe, die wohl in Fernost üblich sind, bei uns eher unbekannt. Der Roman eignet sich als Vorbereitung für eine Japan-Reise, um kulinarisch, aber auch gesellschaftlich sich darauf einzustellen, was einem in Japan erwartet.

Es ist ein modernes Buch über Japan, das noch ziemlich in seiner traditionellen Warteschleife hängt. Angesichts der Tatsache, dass die Selbstmordrate in Japan, vor allem unter jungen Leuten, hoch ist – sollte wohl ein Umdenken beginnen. Vielleicht können solche Bücher wie das von Asako Yuzuki dazu verhelfen.

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Veröffentlicht am 30.03.2022

Eine Großstadt und ihre geheimen Ecken

Großstadtgeheimnisse
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Eine Stadt, so wie Berlin, besteht aus vielen Facetten. Und Geheimnissen, verworrenen Ecken und Irrgängen. 26 Kurzgeschichten, die von der Tristesse einer solchen Großstadt erzählen. Berlin ist bestimmt ...

Eine Stadt, so wie Berlin, besteht aus vielen Facetten. Und Geheimnissen, verworrenen Ecken und Irrgängen. 26 Kurzgeschichten, die von der Tristesse einer solchen Großstadt erzählen. Berlin ist bestimmt eine schillernde Stadt, aber im Nordosten, kalt, und bevölkert von vielen Menschen. Lebt es sich angenehm in so einer großen Stadt? Es gibt viel Kultur, Museen, es gibt die Politik, die Regierung, viel Internationales, es gibt aber auch die erbärmlichen Schattenseiten: Einige davon sind in dieser Kurzgeschichtssammlung vorgestellt…. Einsamkeit. Alter. Wandel. Depressionen

Es sind Geschichten vom Abschiednehmen (nach einem langen Arbeitsleben), über Einsamkeit, über Queersein, Alleinsein und doch nicht einsam sein wollen…von den Gedanken, die jemand hat, wenn man in der Nacht unterwegs ist oder einfach nur die Menschen um sich herum betrachtet. Manchmal sind die Geschichten verstörend, oft aber machen sie nachdenklich (ist mir das auch in dieser Weise schon passiert?).

Ich empfehle auf jeden Fall diese Geschichten. Das Titelbild ist natürlich schön berlinerisch – Museumsinsel im Dunkeln mit Lichtschimmer vor der Linse

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Veröffentlicht am 30.03.2022

Zukunftsszenario?

Liquid
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"... Wir saßen an einem Abend zusammen, als Anna sagte, es gäbe demnächst kein Bargeld mehr, davon sei sie überzeugt, und technisch sei es kein Problem. Technisch ist es sicher kein Problem, aber politisch ...

"... Wir saßen an einem Abend zusammen, als Anna sagte, es gäbe demnächst kein Bargeld mehr, davon sei sie überzeugt, und technisch sei es kein Problem. Technisch ist es sicher kein Problem, aber politisch kaum durchsetzbar, sagte ich damals. Sie ließ sich nicht überzeugen und paraphrasierte ein Zitat von Jean Claude Junker: Man beschließt etwas und wartet ab, welche Reaktionen es daraufhin in der Gesellschaft gibt. Die meisten wissen gar nicht, worum es genau geht und kümmern sich nicht darum. Erfolgen keine Reaktionen, macht man weiter, bis es kein Zurück mehr gibt. An dem Punkt begann ich darüber nachzudenken, wer in einer Gesellschaft an der Beibehaltung des Bargelds interessiert ist und was es für ein System bedeutet, wenn es kein Bargeld mehr gibt und wie es davon profitieren kann. So entstand dieses Buch (Danksagung des Autors)"

Im Jahr 2029 arbeitet die Biochemikerin Madeleine Alberti in einem künstlich geschaffene Agrarort in der Wüste New Mexicos, in einem Kaff namens Esperanza (fiktiv). Sie soll dort bei einem Bewässerungsprojekt neue Genstrukturen mitentwickeln. Alberti spricht Spanisch und versteht sich mit den Arbeitern gut. Taco erzählt ihr Dinge, denn an diesem Ort und seinen mexikanischen Arbeitern wird experimentiert: mit neuen, bargeldlosen Zahlungsmethoden mittels eines liquiden Chips. Einmal implantiert in den Menschen ist der gesamte Mensch transparent und kontrollierbar (als Kredit- und Informationsträger). Alberti nimmt Kontakt auf mit einer Organisation „Gedruckte Freiheit“ in Frankfurt und Richard Weigelt. Bald wird durch die permanente Überwachung bekannt, dass Albertine das System erkannt hat und sie wird zum Feind der Firma (die weltweit ein gutes Ansehen hat). Madeleine Alberti flieht über den Rio Grande nach Mexiko. Dort kann sie Tacos Kontakte nutzen, ein einheimischer Drogenboss löscht ihre alte Existenz aus (auf die üblich von solchen Kartellen benutzten Wegen) und vermittelt ihr eine neue Identität, unter der sie nach Europa reist. Ausgerechnet ein Drogenboss, aber die Kriminellen haben Geld, Verbindungen und sind skrupellos.

In diesem Roman (ein Polit Thriller!) geht es um die Abschaffung des Bargeldes und um die totale Kontrolle der Bürger:innen. Es tauchen auch Namen auf, die in der momentanen Politszene negativ bekannt sind und denen man genau solche Machenschaften auch zutrauen kann. Dass die Abschaffung des Bargeldes nicht unrealistisch ist sondern ein Fakt, zeigt die Aussage von Juncker, von Griechenland und von Schweden. Es geht um Naturkatastrophen, die den Regierenden gerade richtig kommen, denn damit kann man die Bevölkerung kontrollieren. Angesichts von Überschwemmungen, Seuchengefahren und Angst um Leib und Seele lassen sich alle impfen.

Es ist ein Roman, der mit Spannung aufrütteln soll. Denn das ist kein Zukunftsszenario, sondern es passiert jetzt und könnte noch schlimmer werden. Auch pandemische Momente wurden in den Roman eingearbeitet. 2019 hat sich noch niemand vorstellen können, dass das passiert, was passiert ist. Doch das mit dem Impfen ist so eine Sache, denn Impfen hilft (wer mit Polio kämpft, wäre dankbar gegen Polio geimpft worden zu sein. Wer im Mittelalter dem Schwarzen Tod erlag, wäre dankbar gewesen gegen diese Zoonose, von Eichhörnchen übertragen denen man das Fell über die Ohren gezogen hatte, geimpft worden zu sein). Besser ist natürlich der Natur ihren Raum zu lassen. Doch mit acht Milliarden Menschen weltweit…
Schlusskapitel: ... und trotz der grauen Unausweichlichkeit der Situation, auf die das Land und große Teile der Welt zutreiben, verspürte jeder von ihnen etwas wie einen Anflug unbändiger Unabhängigkeit. Sie waren erregt und dachten an das, was vor ihnen lag und jeder malte sich aus, wohin die Reise sie führen könnte …

(es besteht also noch Hoffnung… )

Teilweise ist der Romanablauf nicht nachvollziehbar, warum passieren bestimmte Abläufe in dieser Weise? Manchmal hektisch schnell und dann wieder sehr langandauernd. Dass sich die geflüchtete Madeleine von einem Drogenboss helfen lassen muss, verursacht natürlich zuerst einmal einen ziemlichen Schluckauf. Doch der Teufel frisst in der Not auch Fliegen...

Ich habe das eBook gelesen. Fesselnd! Die angesprochenen Themen sind sehr wichtig. Daher: Augen auf, Gehirn einschalten und sich nicht unterkriegen lassen!

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Veröffentlicht am 25.03.2022

Die Forelle und der Fliegenfisch – eine Reisegeschichte

Bergers unverhoffte Reise
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„Ihr, die ihr noch am Quelle, Der sichern Jugend weilt, Denkt doch an die Forelle, Seht Ihr die Gefahr, so eilt!“ Schubertlied, Die Forelle, S.49

"Der neue Name ist nun Atlantik Fliegender Fisch"

Max ...

„Ihr, die ihr noch am Quelle, Der sichern Jugend weilt, Denkt doch an die Forelle, Seht Ihr die Gefahr, so eilt!“ Schubertlied, Die Forelle, S.49

"Der neue Name ist nun Atlantik Fliegender Fisch"

Max Berger, 22 Jahre alt, Student, erhält just in dem Moment, als ihm klar ist er muss sich verändern (örtlich), ein briefliches Angebot einer älteren Freundin: Hauslehrer zweier Grundschulkinder einer deutschen Familie in Indonesien für ein Jahr. Max, der Psychologie studiert, nimmt sich eine Auszeit, weil er frei und ungebunden sein will. Die Mutter Anne Stoll kennt er schon seit seinem 16. Lebensjahr (er schwärmt für sie). Doch er trifft sie jeweils in den Sommermonaten, wenn sie in seiner süddeutschen Heimat auftaucht, auch Anne Stoll stammt von da. Mit dem Ablegen des Schiffes beginnt auch Max Bergers Hauslehrerdasein. Die Kinder erinnern ihn ständig daran und rufen ihn ‚Hauslehrer‘. Neben der Mutter Anne Stoll sind noch weitere Passagiere auf dem Frachtschiff, und natürlich die Mannschaft. Diese Reise wird zu einem bunten Wirrwarr an Emotionen, Beziehungen, Geheimnissen und Offenbarungen. Das Schiff hat in Hamburg losgelegt, nimmt die meisten der Passagiere in Rotterdam auf und fährt durch den Ärmelkanal Richtung Atlantik. Max war aber noch nie als Lehrer tätig und muss sich zuerst darauf vorbereiten. Auf dem Schiff, dem eng begrenzten Raum, kommen sich die Passagiere näher. Der Schriftsteller, die Gräfin, das niederländische ältere Ehepaar und natürlich Anne Stoll mit ihren beiden Kindern. Dazu kommen die Offiziere und die Mannschaft, die das Schiff unterhält. In der ‚closed room‘ Situation der vier Wochen erzählen sich die Passagiere aus ihrem Leben. Jede und jeder trägt so sein oder ihr Bündel. Dass Max nicht nur freundschaftliche Gefühle für Anne Stoll empfindet, merken nach kurzer Zeit alle auf dem Schiff.
In diesem engen Raum, wo überwiegend Männer sich bewegen (die Mannschaft und die Offiziere) reizen natürlich zwei attraktive Frauen und die Frauen, enttäuscht von ihren Ehemännern, sind durchaus offen für Begegnungen der sexuellen Art. Im Laufe der Reise teilen sich die Passagiere untereinander ihre Probleme, Ängste und Sorgen mit. Manches zeichnet sich gleich zu Beginn der Erzählung ab und wird dann im Laufe der Reise ausführlicher dargestellt.

Sehr schön sind die Erlebnisse auf dem Schiff (Besichtigungen, Alltag der Mannschaft, Arbeit und Abläufe) und auch die Beschreibung des Streckenverlaufes mit ihren Erlebnissen und Höhepunkten. Das ist sehr gut eingearbeitet, denn anderenfalls wäre rein die emotionalen Verwicklungen der beteiligten Personen im ‚closed room‘ langweilig.

Umschlagsbild: schlicht gehalten und das ist auch mal schön, wo es jetzt ‚en vogue‘ ist sehr bunt schillernde Umschlagsbilder (neudeutsch Cover) zu gestalten. Darauf ein Fliegenfisch.

Das Büchlein liest sich spannend und hält am Lesen, auch die Wortwahl ist gut getroffen.
Da der Autor Hans Walker im Studium ebenfalls einige Zeit als Privatlehrer in Indonesien lebte, bevor er sein Studium beendete und promovierte, dürften durchaus persönliche Erfahrungen des Autors in diesen geschickt gestalteten Roman eingeflossen sein. Doch wie viel von seiner eigenen Biografie tatsächlich im Roman steckt, bleibt das Geheimnis des Schreibenden.
Obwohl Max mir unsympathisch vorkommt (Egoist mit seinem Problem von ‚Nähe‘ und Muttersöhnchen) verbindet er gerne das Nützliche (die Mutter von Claudia ist auch seine Vermieterin) mit dem Angenehmen (Claudia war verfügbar und wohnte sogar im gleichen Haus, sie ganz oben, er ganz unten). Insofern ist diese Geschichte auch ein Zeitbild (war nicht der Spruch der 68er Männer, ‚wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Etablishment‘), man wehrte sich gegen die Bürgerlichkeit der Elterngeneration mit den Gedanken an die Nazi- und Kriegszeit. Es ist ein Männerbuch, Sicht auf Frauen aus dem Blickwinkel der Männer.

Bergers unverhoffte Reise, Hans Walker
Verlag buch&media, März 2022

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Veröffentlicht am 16.03.2022

Dror Mishani

Vertrauen
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Dror Mishani, ein in Israel bekannter Autor, schreibt Krimis über den Polizisten Avi, der es Leid ist nur solche Fälle aufzuklären, wo der Vater den Sohn umgebracht hat und der Ehemann die Mutter seiner ...


Dror Mishani, ein in Israel bekannter Autor, schreibt Krimis über den Polizisten Avi, der es Leid ist nur solche Fälle aufzuklären, wo der Vater den Sohn umgebracht hat und der Ehemann die Mutter seiner Kinder. Doch nun wird ein Baby abgelegt und dann verschwindet ein Tourist. Avi versucht in einem herunter gekommenen Hotel am Strand Hinweise auf dessen Identität zu erhalten...Aber eigentlich träumt Avi davon, dass sich CIA oder MI6 bei ihm melden. Weil er will etwas für die Gerechtigkeit in der Welt unternehmen...
Auf subtil - geniale Weise bringt Avi Informationen zusammen. Nicht umsonst wird er als einer der besten Ermittler in Israel genannt.

Zuerst einmal spannend, doch auch zwiespältig (das Leben ist ein Trümmerhaufen mit angenehmen Momenten)

Dror Mishani schafft es auf seine Weise eine gute Spannung aufzubauen, die am Lesen hält. Dabei wird man intellektuell auch gefordert. Da ich selbst in Israel lebte, hat auch vieles, was er beschreibt, einen hohen Wiedererkennungswert. Den Autor kannte ich bislang noch nicht, doch ich werde ihn mir merken!

Der Diogenes - Verlag steht für gehobene Literatur (bislang haben mich viele Bücher aus diesem feinen Verlag begeistern können). Auch mit Dror Mishani hat Diogenes gut gewählt.

Das Umschlagsbild - eine Frau, geheimnisvoll, modern - ist im Diogenes - Stil gemacht worden und passt zu dem Roman. Es braucht nicht immer schrille Bilder auf dem Umschlag.

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