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Sidny

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Veröffentlicht am 23.08.2017

Exzentrische Figuren tummeln sich in skurriler Geschichte

Töte mich
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Die Nevilles sind bankrott, und der geliebte Familiensitz muss nun endgültig veräußert werden. Die jüngste Tochter, die 17-jährige Sérieuse, reißt eines nachts von zuhause aus, wird aber von einer Wahrsagerin ...

Die Nevilles sind bankrott, und der geliebte Familiensitz muss nun endgültig veräußert werden. Die jüngste Tochter, die 17-jährige Sérieuse, reißt eines nachts von zuhause aus, wird aber von einer Wahrsagerin wieder eingefangen. Eigentlich wollte sie auch nur die Nacht im Freien verbringen und am Morgen wieder nach Hause gehen, wie sie ihrem Vater Henri mitteilt. Als wäre das alles nicht schlimm genug, sagt die Wahrsagerin dem Grafen auch noch voraus, dass er beim letzten großen Fest, das auf dem Schlösschen gefeiert werden soll, einen seiner Gäste töten wird. Für Henri ein Sakrileg, ist ihm der Gast doch heilig.

Ich fange mal mit dem Wermutstropfen an: für einen durchschnittlichen deutschen Geldbeutel ist dieses Buch haarsträubend teuer. Für stolze 20 Euro erhält man 111 Seiten in kleinem Format (etwas kleiner als DIN A5), also in etwa eine Stunde Leservergnügen. Sogar ein 3D-Blockbuster im Kino wäre demnach günstiger zu haben, und unterhält einen auch länger. Andererseits kann ich mich aber auch nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal ein neues, leinengebundenes Buch in den Händen hielt. Man bekommt für den stolzen Preis also ein hochwertiges Hardcover, in einer Machart, die ansonsten fast schon vom Aussterben bedroht ist - zumindest, was Belletristik anbelangt.

Nun aber zum Wichtigsten, dem Inhalt: Lohnt es sich, dieses Buch zu lesen? Das würde ich ganz entschieden mit einem lauten "Ja!" beantworten, denn dieser kurze Roman hat mich großartig unterhalten.
Hier tummeln sich eine Menge undurchsichtige Exzentriker, die ironisch-humorvolle Gespräche führen, die Dialoge wirken nie platt, sondern oft hintersinnig und manchmal geradezu philosophisch - aber ohne den Leser mit übertriebener Bedeutungsschwere zu überfordern oder zu erschlagen. Nothombs Stil hat mich begeistert, das ganze Buch wirkt wie eine Komposition, jedes Wort sitzt an der richtigen Stelle, und jeder Satz wird knackig auf den Punkt gebracht. Obwohl stilistisch anspruchsvoll (ich hab sogar ein neues Wort gelernt ;)), gerät der Lesefluss nie ins Stocken, und man kann diesen Roman tatsächlich "in einem Rutsch" (oder wie im Rausch) durchlesen.

Die Geschichte selbst ist ziemlich abgedreht, man kann hier sicher nicht behaupten, man hätte sowas schon diverse Mal in ähnlicher Form gelesen. Wirklich frisch und skurril - ich mag solche Bücher sehr. Für mich war es das erste Buch von Amélie Nothomb, aber es wird nicht das einzige bleiben.

Veröffentlicht am 12.08.2017

Eine Frau wird zur Waffe

Das Reich der Sieben Höfe – Flammen und Finsternis
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Feyre ist mit Tamlin an den Frühlingshof zurückgekehrt und die beiden planen nun ihre Hochzeit. Doch die Zeit an Amaranthas Hof und die Greuel, die sie dort erlebt haben, haben bei beiden Spuren hinterlassen. ...

Feyre ist mit Tamlin an den Frühlingshof zurückgekehrt und die beiden planen nun ihre Hochzeit. Doch die Zeit an Amaranthas Hof und die Greuel, die sie dort erlebt haben, haben bei beiden Spuren hinterlassen. Jeder kämpft für sich alleine gegen die Schrecken und Alpträume, als Rhysand zum ersten Mal auftaucht, um Feyre an den Hof der Nacht zu holen - schließlich haben die beiden eine Vereinbarung getroffen...

Endlich hat das Warten ein Ende und die Fortsetzung zu Das Reich der sieben Höfe - Dornen und Rosen ist in deutscher Übersetzung erhältlich. Dem Erscheinungstermin hatte ich schon sehnsüchtig entgegengefiebert, denn nach der letzten Konfrontation gab es noch einige angedeutete Ausblicke auf die Fortsetzung, die zumindest bei mir ihren Zweck voll erfüllt und mich extrem neugierig auf den nächsten Teil gemacht haben.

Ein Manko des Vorgängerbandes war, dass der Einstieg doch sehr lange brauchte: in der ersten Hälfte des Buches lernte man zuerst einmal Feyre und Tamlin, den High-Lord des Frühlingshofes, sowie seine Heimat Prythian, das Land der Fae, sehr ausführlich kennen, bevor die Handlung dann erst im letzten Drittel rasant Fahrt aufnahm. Dieses letzte Drittel hatte es allerdings wirklich in sich: Die Ereignisse überschlugen sich förmlich, und ich konnte das Buch einfach nicht mehr vor dem großen Finale aus der Hand legen.

Flammen und Finsternis startet nach der Rückkehr zum Frühlingshof, und in den ersten Kapiteln stehen die Hochzeitsvorbereitungen im Fokus, es wirkt auf den ersten Blick also alles wieder recht gemächlich. Doch diesmal steigt die Spannungskurve sehr viel rasanter an, spätestens mit Feyres erstem Ausflug an Rhysands Hof der Nacht, war ich gefesselt von der Handlung und komplett abgetaucht in diese völlig andere Welt, von der man in der Fortsetzung neue Gegenden und Höfe kennenlernt.

Auf frische Figuren darf man sich ebenfalls freuen, denn auch Rhysand hat natürlich Gefolgsleute, die eine wichtige Rolle spielen: seine Cousine Mor(rigan), die beiden Illyrianer Azriel und Cassian, und die sehr undurchsichtige Amren.
Bei Rhysand hatte ich von Anfang an das Gefühl, einen sehr eigenen, vielschichtigen Charakter vor mir zu haben, daher hat es mir besonders gefallen, dass er in diesem Buch eine wichtige Rolle spielt, die im Vergleich zum Vorgängerband sogar noch deutlich ausgebaut wird.
Schon im ersten Band hat Sarah J. Maas mit ihrer Figurenzeichnung überzeugt, und auch diesmal gelingt es ihr wieder charismatische Charaktere zu erschaffen oder weiterzuführen, die schwer einzuschätzen sind, und teilweise wirklich verblüffende, aber dennoch nachvollziehbare Entwicklungen durchmachen. Besonders Feyre ist mir im zweiten Band noch sehr viel sympathischer geworden, sie wirkt um einiges erwachsener, und es gelingt ihr, sich völlig neu zu erfinden.

Ein Wort noch zur Covergestaltung: schon beim ersten Buch hat die mich umgehauen (jeder, der das Buch im Regal stehen hat, weiß vermutlich, was ich meine), und die Machart wird hier mit etwas abgewandelter Gestaltung und Farbwahl wieder aufgenommen. Inzwischen habe ich mir auch die Originalcover angesehen, und möchte daher noch kurz mein Kompliment an den DTV loswerden: Eure Cover sind um Welten schöner als die amerikanischen und passen richtig gut zur Geschichte. Toll gemacht!

Auch dieses Buch hat natürlich wieder sein "großes Finale", das extrem spannend geschrieben ist und für mich am Ende noch ein paar überraschende Wendungen und echte Aha-Momente bereithielt.
Im dritten Band steht wohl wieder eine große Konfrontation bevor, man darf also schon jetzt gespannt sein, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird.

Veröffentlicht am 22.07.2017

Die Fassade bröckelt...

Bourbon Sins
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Es ist wirklich schwierig, an dieser Stelle einen Einblick in die Geschichte zu liefern, denn er wäre voller Spoiler zu den Geschehnissen im ersten Band Bourbon Kings - und es wäre schade, wenn jemand ...

Es ist wirklich schwierig, an dieser Stelle einen Einblick in die Geschichte zu liefern, denn er wäre voller Spoiler zu den Geschehnissen im ersten Band Bourbon Kings - und es wäre schade, wenn jemand zuerst über dieses Buch stolpert und dann die Schlüsselereignisse in zwei Nebensätzen verraten werden.
Daher also lieber kurz, knapp und kryptisch: Durch die Geschehnisse in jüngster Vergangenheit ist das Bourbon-Imperium in eine schwere Schieflage geraten, und auch der Ruf der Baldwines hat so einige Kratzer abbekommen. Der jüngste Spross der Familie, Lane Baldwine, eigentlich Playboy und Profi-Pokerspieler, kämpft mit allen Mitteln um den drohenden Ruin abzuwenden...

Bereits seit Anfang des Jahres habe ich sehnsüchtig auf die Fortsetzung dieser Familiensaga aus Kentucky gewartet, denn das erste Buch war extrem spannend und endete auch mit einem ziemlich fiesen Cliffhanger.

Alle Vorzüge des Vorgängers findet man auch in diesem Buch wieder: Das Setting in der High-Society von Kentucky lässt einen in eine völlig andere Welt eintauchen, der von J. R. Wards authentischen Figuren Leben eingehaucht wird. Die Charaktere, die man hier trifft, wirken zwar wirklich nicht so, als könnte man ihnen auf der Straße über den Weg laufen (hey, sie gehören immerhin zu den Superreichen), aber trotzdem kann man sich mit ihnen identifizieren.
Im Mittelpunkt stehen wieder Landschaftarchitektin Lizzy King, Lane Baldwine, sein Bruder Edward und seine Schwester Gin. Die drei Baldwine-Nachkommen machen in diesem Band schwere Veränderungen durch. Lane muss wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben Verantwortung übernehmen, Gin steht vor Problemen, die sich nicht mit einer Kreditkarte lösen lassen und Edward muss endlich sein Trauma überwinden. Die neuen Umstände gehen nicht spurlos an den dreien vorüber, und der Leser wird mit der ein oder anderen überraschenden Entwicklung konfrontiert.

Mein sehnlichster Wunsch bereits für den Vorgängerband war ein Personenregister, da sich hier wirklich viele Figuren tummeln, und in diesem Band ist tatsächlich ein solches vorangestellt. Allerdings würde ich empfehlen, nur bei Bedarf nachzuschlagen, da doch der ein oder andere Ausblick auf die kommende Handlung in den kurzen Steckbriefen verarbeitet ist. Ich habe es tatsächlich nicht gebraucht, weil mir ein halbes Jahr nach den Bourbon Kings die Figuren noch so vertraut waren, dass ich sofort wieder in die Geschichte abtauchen konnte.

Mein einzigen beiden Kritikpunkte sind eher Details, die keinen Einfluss auf meine Bewertung hatten, und beide mit der Namensgebung zu tun haben:
Man startet in Kapitel 1 mit Lane Baldwine in die Handlung, in den Kapiteln 2 und 3 wird er dann plötzlich zu "Lane Bradford", um sich dann für den Rest des Romans wieder in Lane Baldwine zurück zu verwandeln. Baldwine ist natürlich richtig, und es ist auch im zweiten Band immer noch etwas irritierend, dass die Firma und die Familie unterschiedliche Namen tragen - was aber unvermeidbar ist. Von daher ist es schade, dass dieses Detail in der Übersetzung und / oder im Lektorat durchgerutscht ist.
Im Klappentext ist die Rede von den "Geschwistern Lane, Edward und Ginny" - hat da im Vorfeld jemand Harry Potter gelesen? Lanes Schwester ist eine erwachsene Frau mit dem Namen Virginia Elizabeth, die von ihrer Familie Gin gerufen wird - kein Mensch sagt jemals "Ginny" zu ihr...?!

Auch mit Bourbon Sins hatte ich wieder spannende, unterhaltsame Lesestunden, die in einem Zwischen-Showdown gipfelten, der die Vorfreude auf Bourbon Lies, den Abschlussband der Trilogie, bereits geweckt hat - jetzt heißt es also wieder: Geduldig warten bis zum 24. November 2017!
Obwohl es eigentlich auf der Hand liegt, soll es trotzdem noch kurz erwähnt werden: Wer die Reihe noch nicht kennt, sollte für den Anfang auf jeden Fall zum Vorgänger Bourbon Kings greifen, die volle Sogwirkung aus Liebe, Hass, und Intrigen entfaltet sich am besten, wenn man von der ersten Seite an mit dabei ist - es lohnt sich, versprochen!

Veröffentlicht am 30.05.2017

Ein Kaleidoskop voller kleiner Augenblicke

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Anthony Peardew sammelt fast sein ganzes Leben lang verlorene Dinge ein, um den größten Verlust seines eigenen Lebens zu überwinden. Doch es gelingt ihm nicht, die rechtmäßigen Eigentümer ausfindig zu ...

Anthony Peardew sammelt fast sein ganzes Leben lang verlorene Dinge ein, um den größten Verlust seines eigenen Lebens zu überwinden. Doch es gelingt ihm nicht, die rechtmäßigen Eigentümer ausfindig zu machen, und so beschränkt er sich darauf, seine Fundstücke zu katalogisieren und zu archivieren, und sich Geschichten über ihre Herkunft auszudenken, mit denen er seinen Lebensunterhalt verdient.
Niemand weiß von seiner Sammelwut, nicht einmal Laura, die seit einigen Jahren seine Assistentin ist und ihm auch den Haushalt führt. Umso überraschter ist sie, als Anthony ihr sein unvollendetes Lebenswerk nach seinem Tod hinterlässt.

Obwohl "Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge" ein eher ruhiges Buch ist, hat es mich dennoch vom ersten Satz an gefesselt. Die Geschichte ist ungewöhnlich aufgebaut, es gibt mehrere Erzählstränge: Zum einen geht es zu Beginn um Anthony und die Ursprünge seiner außergewöhnlichen Sammlung, später nimmt Laura seinen Platz ein, die die ihr gestellte Sisyphusaufgabe zu bewältigen hat. Der dritte Strang beinhaltet Rückblenden in das Leben von Eunice, die für einen Verleger arbeitet, und eigentlich nur vor langer Zeit einmal für einen Augenblick Anthonys Weg kreuzte.
In diese Rahmenhandlung werden regelmäßig die Geschichten einzelner Fundstücke, und der Menschen, die sie verloren haben, eingestreut. Diese kurzen Einblicke sind völlig unterschiedlich: mal amüsant, mal traurig, mal düster oder einfach nur anrührend. Mir hat dieser Erzählstil überraschend gut gefallen, er machte das Buch sehr abwechslungsreich und lebendig.

Die Protagonisten des Romans sind allesamt fein und detailliert gezeichnet, man lernt sie im Lauf der Handlung gut kennen und ich konnte mich mühelos in ihre Gefühlswelt versetzen. Selbst Nebenfiguren, die nur im Zusammenhang mit einem Fundstück einen kleinen Auftritt haben, hinterließen bei mir einen bleibenden Eindruck, und trotz der Kürze dieser Einschübe konnte ich mir ein Bild von ihrem Charakter machen.

Dieser Roman ist das Erstlingswerk der Autorin, und ich finde, er ist ihr ausnehmend gut gelungen. Die Art, wie Ruth Hogan Mr. Peardews Geschichte erzählt, birgt die Gefahr, vom Leser als eine Art Flickenteppich wahrgenommen zu werden, weil einfach so viele kleine Geschichten eingeflochten werden, die nicht unbedingt immer in einem direkten Zusammenhang zur Rahmenhandlung stehen.
Aber dennoch hinterlässt das Buch am Ende einen "runden" Eindruck und es wird mir sicher schon alleine (aber nicht nur!) aufgrund des ungewöhnlichen Aufbaus im Gedächtnis bleiben.

Veröffentlicht am 05.02.2017

Der Fluch der bösen Tat

Fremde Gäste
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London, 1922: Frances Wrays Familie wurde durch den Krieg stark dezimiert, die beiden Brüder sind gefallen, der Vater ist noch während des Kriegs vor lauter Gram um die verlorenen Söhne gestorben. So sind ...

London, 1922: Frances Wrays Familie wurde durch den Krieg stark dezimiert, die beiden Brüder sind gefallen, der Vater ist noch während des Kriegs vor lauter Gram um die verlorenen Söhne gestorben. So sind nur Frances und ihre Mutter übrig, die finanzielle Situation ist mehr als angespannt, da der Vater das Vermögen durch einige Fehlinvestitionen verloren hat. An den Vorkriegslebensstandard ist nicht mehr zu denken, Luxus wie Hausangestellte und hübsche Kleider schon längst nicht mehr zu finanzieren.
Um zumindest das Haus am vornehmen Champions Hill halten zu können, entscheiden sich die beiden Frauen schweren Herzens, einige Zimmer ihres viel zu groß gewordenen Hauses an "zahlende Gäste" zu vermieten. So zieht ein junges Ehepaar, Len und Lil Barber, bei den beiden Damen ein. Mrs Wray kann sich nur schwer an die fremden Menschen in ihrem Zuhause gewöhnen, doch Frances und Lil freunden sich schnell miteinander an, sie kommen sich zu nahe und ihre verbotene Liaison verursacht einen Strudel düsterer Ereignisse...

Bisher kannte ich von Sarah Waters nur den Roman "Der Besucher", den ich vor einigen Jahren gelesen habe, und der mir stark in Erinnerung geblieben ist. Als ich nun ihr neues Buch "Fremde Gäste" entdeckt habe, war ich natürlich sofort interessiert.
Und auch in diesem Buch hat die Autorin mich sofort wieder mit fein gezeichneten Figuren, ihrem wunderbaren Erzählton und dem spannenden Plot für sich eingenommen.

Der Start in die Handlung verläuft über eine weite Strecke, im Grunde den kompletten "Ersten Teil", sehr ruhig, fast schon behäbig. Als Leser kann man sich in aller Ruhe in die damalige Zeit einleben und die Personen kennenlernen, die in dem alten Haus am Champions Hill Leben.
Mrs Wray ist eine ältere Dame, und lebt nach viktorianischen Idealen. Die modernen, geschminkten Frauen mit ihren Pagenköpfen und kurzen Kleidchen sind ihr ein Gräuel. Leider ist Lil Barber, Anfang 20, ein solches Exemplar Frau. Obwohl sie schon drei Jahre mit Len verheiratet ist, ist das Paar noch immer kinderlos und besucht gerne Tanzlokale. Frances dagegen ist mit Ende 20 für die damalige Zeit schon eher als alte Jungfer einzuordnen. Vor und während des Krieges hat sie mit der Suffragetten-Bewegung sympathisiert und ihr mangelndes Interesse an der Männerwelt bereitet Mrs Wray große Sorgen. Len ist dagegen selten zuhause, wenn er nicht seiner Arbeit bei einer Versicherung nachgeht, spielt er Tennis oder geht mit seiner Frau oder seinen Freunden aus.
Mit Beginn des zweiten Teils beginnen sich die Ereignisse dagegen zu überschlagen, das Erzähltempo wird deutlich rasanter und gipfelt in einem schrecklichen Vorfall.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Folgen, die sich daraus ergeben, und deren Auswirkungen auf die Beteiligten.

Ich denke, es wird viele Leser geben, die eher einen Krimi erwarten, und denen der Einstieg in das Buch zu lange dauert. Wenn man sich aber auf das Erzähltempo von Sarah Waters einlassen kann, kann man wunderbar in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts abtauchen und sich von dem anschließenden Sog aus Betrug, Gewalt und Lügen mitreißen lassen.