Exzentrische Figuren tummeln sich in skurriler Geschichte
Töte michDie Nevilles sind bankrott, und der geliebte Familiensitz muss nun endgültig veräußert werden. Die jüngste Tochter, die 17-jährige Sérieuse, reißt eines nachts von zuhause aus, wird aber von einer Wahrsagerin ...
Die Nevilles sind bankrott, und der geliebte Familiensitz muss nun endgültig veräußert werden. Die jüngste Tochter, die 17-jährige Sérieuse, reißt eines nachts von zuhause aus, wird aber von einer Wahrsagerin wieder eingefangen. Eigentlich wollte sie auch nur die Nacht im Freien verbringen und am Morgen wieder nach Hause gehen, wie sie ihrem Vater Henri mitteilt. Als wäre das alles nicht schlimm genug, sagt die Wahrsagerin dem Grafen auch noch voraus, dass er beim letzten großen Fest, das auf dem Schlösschen gefeiert werden soll, einen seiner Gäste töten wird. Für Henri ein Sakrileg, ist ihm der Gast doch heilig.
Ich fange mal mit dem Wermutstropfen an: für einen durchschnittlichen deutschen Geldbeutel ist dieses Buch haarsträubend teuer. Für stolze 20 Euro erhält man 111 Seiten in kleinem Format (etwas kleiner als DIN A5), also in etwa eine Stunde Leservergnügen. Sogar ein 3D-Blockbuster im Kino wäre demnach günstiger zu haben, und unterhält einen auch länger. Andererseits kann ich mich aber auch nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal ein neues, leinengebundenes Buch in den Händen hielt. Man bekommt für den stolzen Preis also ein hochwertiges Hardcover, in einer Machart, die ansonsten fast schon vom Aussterben bedroht ist - zumindest, was Belletristik anbelangt.
Nun aber zum Wichtigsten, dem Inhalt: Lohnt es sich, dieses Buch zu lesen? Das würde ich ganz entschieden mit einem lauten "Ja!" beantworten, denn dieser kurze Roman hat mich großartig unterhalten.
Hier tummeln sich eine Menge undurchsichtige Exzentriker, die ironisch-humorvolle Gespräche führen, die Dialoge wirken nie platt, sondern oft hintersinnig und manchmal geradezu philosophisch - aber ohne den Leser mit übertriebener Bedeutungsschwere zu überfordern oder zu erschlagen. Nothombs Stil hat mich begeistert, das ganze Buch wirkt wie eine Komposition, jedes Wort sitzt an der richtigen Stelle, und jeder Satz wird knackig auf den Punkt gebracht. Obwohl stilistisch anspruchsvoll (ich hab sogar ein neues Wort gelernt ;)), gerät der Lesefluss nie ins Stocken, und man kann diesen Roman tatsächlich "in einem Rutsch" (oder wie im Rausch) durchlesen.
Die Geschichte selbst ist ziemlich abgedreht, man kann hier sicher nicht behaupten, man hätte sowas schon diverse Mal in ähnlicher Form gelesen. Wirklich frisch und skurril - ich mag solche Bücher sehr. Für mich war es das erste Buch von Amélie Nothomb, aber es wird nicht das einzige bleiben.