Die 50-jährige Friederike Andermann, genannt Fred, ist alleinstehend und seit fast 20 Jahren als im diplomatischen Dienst tätig, wo sie sich Schritt für Schritt die Karriereleiter hinausgearbeitet hat. Bisher war Bagdad ihre Wirkungsstätte, doch nun beginnt sie ihre neue Aufgabe als Botschafterin in Montevideo/Uruguay. Mitten in den Vorbereitungen zur Feier des 3. Oktobers, dem Tag der deutschen Wiedervereinigung, erhält sie über einen Anruf Kenntnis davon, dass eine junge deutsche Reisebloggerin vermisst wird, die sich in Uruguay aufhielt. Fred spendet dem Fall nicht genügend Aufmerksamkeit, so dass sie ins türkische Istanbul „strafversetzt“ wird. Dort setzt sie sich für gefährdete Kurden ein und hilft ihnen bei der Flucht nach Griechenland, bis die Krankheit ihrer Mutter sie wieder in ihre Heimatstadt Hamburg bringt…
Lucy Fricke hat mit „Die Diplomatin“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der das Leben einer Frau im Auswärtigen Dienst unter die Lupe nimmt und den Leser dabei an deren persönlicher Entwicklung teilhaben lässt. Der flüssige, lakonische und sehr pointierte Erzählstil lässt den Leser Fred kennenlernen, die sich mit viel Fleiß und großem Ehrgeiz die Karriereleiter im diplomatischen Dienst hinaufgearbeitet hat und nun in Uruguay die Landesvertretung Deutschlands leitet. Ihr Dienstpersonal lässt sie gleich zu Beginn im Stich, der Fall einer vermissten Bloggerin und Tochter prominenter Eltern bringt Freds Laufbahn gefährlich ins Wanken, so dass sie sich als Konsulin in Istanbul wiederfindet. Hat sie vorher streng nach Protokoll gearbeitet, so findet anhand der politisch brisanten Fälle, die nun auf ihrer Tagesordnung stehen, ein Umdenken bei ihr statt. Fred fängt an, eigene Entscheidungen zu fällen, die sie in eine brisante Lage bringen, doch sie merkt, dass sie sich damit wesentlich wohler fühlt, als sich hinter ihren Vorgesetzten oder dem Protokoll zu verstecken, was sie aber auch an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit bringt. Die Autorin hat gut recherchiert und ihre Geschichte mit einigen aktuellen Tatsachen garniert wie Verhaftungen aufgrund von nebulösen Anschuldigungen, Menschen, die von jetzt auf gleich verschwunden sind sowie die doch recht harten Repressalien und Verfolgungen, die so mancher in der Türkei aufgrund seiner Abstammung oder seiner Einstellung erleiden muss. Gerade die Aktualität macht diesen Roman so interessant und spannend, gewährt er doch einen Einblick in die diplomatischen Verwicklungen und den Balanceakt auf dem Drahtseil, der hier für zusätzlichen Druck auf alle Beteiligten sorgt.
Die Charaktere sind liebevoll und realitätsnah in ausgestaltet und in Szene gesetzt, ihre glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften können den Leser von Beginn an überzeugen, der er ihnen nur zu gerne folgt. Fred ist eine selbstsichere, ehrgeizige Frau, die sich aus einfachsten Verhältnissen im diplomatischen Dienst hochgearbeitet hat. Hat sie bisher streng nach Protokoll gearbeitet, lässt ein Vorfall sowie die Versetzung nach Istanbul sie plötzlich alles in Frage stellen, woran sie vorher vorbehaltlos selbst geglaubt hat. Gerade diese Gradwanderung und die Zweifel Freds lassen sie dem Leser sehr ans Herz wachsen. Aber auch Protagonisten wie Philipp, David, Christoph, Baris oder Meral spielen eine wichtige Rolle innerhalb dieser Geschichte.
„Die Diplomatin“ ist ein gelungener Einblick in die komplizierte Welt diplomatischer Beziehungen, der vor allem jetzt nicht aktueller sein könnte. Verdiente Leseempfehlung für eine tolle Geschichte, die haarscharf die Realität im Blick hat!