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Veröffentlicht am 07.04.2022

Ein Familienausflug in den Diplomatendschungel

Die Diplomatenallee
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Heike, jetzt verheiratet und Mutter zweier Kleinkinder, wurde einst von Professor Buttermann, seines Zeichens Experte für Graphologie, aus schwerer Kindheit gerettet und in die Geheimnisse der Handschriftenkunde ...

Heike, jetzt verheiratet und Mutter zweier Kleinkinder, wurde einst von Professor Buttermann, seines Zeichens Experte für Graphologie, aus schwerer Kindheit gerettet und in die Geheimnisse der Handschriftenkunde eingeführt. Nach einem tragischen Zwischenfall im Institut, in den auch Heikes Bruder involviert ist, gibt sie ihre Karriere auf und zieht sich ganz ins Private zurück, wo sie mit ihrem Mann Peter einen Schreibwarenladen führt, der im Politikerviertel von Bonn gelegen ist. Solange bis sowohl der BND als auch die Stasi um Heikes überragende Fähigkeiten als Graphologin buhlen, geht es doch darum, dass die Ständige Vertretung der DDR in Bonn, die 1974 gegründet wird, ihre Mitarbeiter mit Hilfe ihrer Handschrift auf Loyalität überprüfen lassen will. Und der BND hat berechtigtes Interesse daran, mögliche Spion in den Reihen der StäV zu ermitteln. Heikes Familie und auch ihr Bruder werden zum Spielball der Machenschaften von Agenten. Und welche Rolle spielt dabei Professor Buttermann?
Die historischen Hintergründe und auch das Bonner Lokalkolorit stellen für mich die lesens- bzw. liebenswerten Seiten des Romanes dar. Die Rolle der StäV und der Graphologie in der BRD der 70er Jahre sind – wie die Autorin im kurzen historischen Nachwort selbst schreibt – eher unbekanntes Terrain und damit sehr reizvoll als Romanhintergrund.
Was für mich nicht so ganz passt und von daher bisweilen – unfreillig (?) - eine komische Wirkung erzielt, ist die Gestaltung der Figuren, die hier auf die harte Welt der Agenten trifft. Nehmen wir z. B. den Mann von Heike, Peter, auch von sich selbst als „Pipimädchen“ bezeichnet, der seine Familie beschützen will, in einen dubiosen Unfall einer Mitarbeiterin der StäV verwickelt wird und dann sogar in ein Handgemenge mit Schusswaffe, bis er sich schließlich zu seinem recht skurilen Freund Ilja zurückzieht. Auch Heike, ein durch ihre Kindheitserlebnisse traumatisierte Frau, die Angst vor ihrer eigenen Handschrift hat und sich nur nach Familiennormalität sehnt, will nicht recht zu der Frau passen, die als Doppelagentin agiert und zum Schluss bei nächtlichen Oberservationen im Eingang eines Parkhauses der Wohnblocks in der Pariser Straße, in der die Mitarbeiter der StäV Quartier genommen haben, fast ums Leben kommt.
Die Agentenstunts in dieser Roman fügen sich nicht wirklich in das Geschehen. So war ich mir beim Leser oft unsicher, ob ich in einem Agententhriller gelandet bin oder in einer Persiflage – gewollt oder eben unfreiwillig.

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Veröffentlicht am 04.04.2022

Wein, Weib und Gesang

Gretas Erbe
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Wein: Greta wird groß auf dem Weingut der Familie Hellert, das stets um seine Existenz ringt und in Konkurrenz zu dem Weingut der Freudenbergs steht, dem das Glück sehr viel holder zu sein scheint. Wer ...

Wein: Greta wird groß auf dem Weingut der Familie Hellert, das stets um seine Existenz ringt und in Konkurrenz zu dem Weingut der Freudenbergs steht, dem das Glück sehr viel holder zu sein scheint. Wer wird am Ende die Nase vorn haben?

Weib: Nicht nur als Frau, sondern auch als uneheliches Kind und als Waise, da ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben und der Vater unbekannt ist, hat Gretas es schwer. In der Familie Hellert, weil sie eher Dienstmagd, Kindermädchen und Arbeiterin ist, denn Ziehtochter. In der Gesellschaft der 70er Jahre, weil diese den Frauen, die Selbstbestimmung, beruflichen Aufstieg, finanzielle Unabhängigkeit und eine eigene Meinung für sich einforderten, mehr als kritisch gegenüberstanden. So darf Greta doch nicht das lang erstrebte Abitur machen, sondern wird von ihrem Ziehvater zur Weinbauschule geschickt, um der Familie als billige Fachkraft zu dienen. Denn wirklich dazu gehören tut Greta nicht. Erst am Ende des ersten Teils dieser Reihe scheint sich ihr Schicksal zu wenden: was wird sie anfangen mit der ersehnten Freiheit?

Gesang: Dafür steht Robert, der zweitälteste Sohn der Hellerts, auch einer, der sich nicht in die Familien fügen will. Statt einer Banklehre macht er lieber Musik und strebt nach einer großen Karriere, sodass es zum Bruch mit der Familie kommt. Er verliebt sich in Elsa. Aber sie ist noch nicht volljährig und er finanziell nicht abgesichert. Hat ihre Liebe eine Zukunft?

Die Atmosphäre der 70er Jahre fängt der Roman gut ein, sei es gesellschaftlich – die Sternkampagne: Ich habe abgetrieben, sei es kulturell – siehe die Playlist am Ende des Buches, sei es historisch - das Attentat bei den Olympischen Spielen in München, sei es alltags- und sittengeschichtlich – so z. B. die elektrische Trockenhaube, die es der Hausfrau ermöglicht, sich die Haare bei Verrichtung ihrer hausfräulichen Pflichten schön zu machen.
Der Stil ist gut lesbar, die Figur von Greta sympathisch und die Ereignisse in der Familie Hellert mit den vier Kindern neben Greta, die zum Teil schon ihre eigenen Familien gründen vielseitig und unterhaltsam. Das Buch hält sein Versprechen auf gute, kurzweilige Unterhaltung. Am Ende kommt auf Greta eine schwere Entscheidung zu, die aber offenbleibt. Ein guter Cliffhanger zum Weiterlesen von Band 2!

Dass die Figuren insgesamt etwas sehr klischeehaft sind, vor allem die Familie Hellert mit Ausnahme von Robert, dem Musiker, und Matse, dem sehr weiblichen Nesthäkchen, allesamt geifernde Spießbürger und Sittenwächer in bigottester Art und Weise, hat eher ein komische als eine störende Note. Als ironisch übertriebenes Sittengemälde lassen sie sich herrlich komisch betrachten.

Etwas ermüdend ist die ziemlich gefühlsduselige Beziehung zwischen Robert und Greta, die sich immer gegenseitige Liebe schwören, aber doch nicht zu einander finden. Da wäre nach meinem Geschmack etwas weniger Hin und Her mehr gewesen.

Wer nach guter Unterhaltung und Abwechslung und einer Auszeit vom Alltag sucht, ist mit dem Roman „Gretas Erbe“ gut beraten. Eine Familiensaga im Winzermilieu vor dem Hintergrund der 70er Jahre ist da auch mal eine willkommene Abwechslung zu den vielen anderen Familiengeschichten in Romanform.

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Veröffentlicht am 17.06.2022

Schwierig, wenn die Sehnsucht nicht weiß, wo sie hin will

Aufbruch voller Sehnsucht
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Im zweiten Teil der böhmischen Familiensaga geht es weiter mit Erika und ihren Freunden aus
Hohenfurth. Aus der Heimat von den Tschechen als Deutsche vertrieben oder verstreut durch den
Krieg und die Kriegsgefangenschaft, ...

Im zweiten Teil der böhmischen Familiensaga geht es weiter mit Erika und ihren Freunden aus
Hohenfurth. Aus der Heimat von den Tschechen als Deutsche vertrieben oder verstreut durch den
Krieg und die Kriegsgefangenschaft, verläuft die Geschichte noch stärker als im erster Teil
mehrsträngig. Im Mittelpunkt stehen immer noch Erika und ihr steiniger Weg in eine Zukunft
zwischen Wien und München und wieder Wien, zwischen verschiedenen Männern aus der
Vergangenheit und Gegenwart und zwischen verschiedenen Rollen als Apothekerin, als Künstlerin,
als Mutter. Stets begleitet wird sie von treuen Freundinnen, teil aus Hohenfurth, teils aus ihrem
neuen Leben. Es geht um Familie, um Liebe, um Aufbruch, um Heimkehr, um Rache, Eifersucht
und sogar Mord. Aus der böhmischen wird eine wienersiche, dann eine münchnersiche und
schließlich wieder eine wienerische Familiengeschichte.
Und das ist letztlich, worin meiner Meinung nach das größte Problem dieser Reihe besteht. Die
Autorin kann sich genauso wenig entscheiden wie die Protagonistin. Sie möchte ihr alle
Möglichkeiten lassen und damit wird wenig stimmig. Ihren irrationalen Gefühlsschwankungen
zwischen Heimatverlust und neuer Verwurzelung, zwischen den verschiedenen Männern, häufig
innerhalb weniger Seiten, führte bei mir während des Lesens zu Erstaunen, zu Belustigung, aber
auch zu Unwillen und Ärger, weil ich mich als Leser sich nicht ernst genommen fühlte und das
Gefühl hatte, man könne mir alles vorsetzen, es werde mir im Gefühlstaumel schon nicht auffallen.
Was die Protagonistin an Widersprüchlichkeit als vermeintlichem Ausdruck von Vielschichtigkeit
zu viel hat, fehlt insbesondere den „bösen“ Gegenspielern: Diese sind zum Teil derart
eindimensional, dass sie entweder zur Karikatur ihrer selbst oder zur Groteske geraten. So wirkt die
auf verschiedene Art unglückliche Beziehung zwischen dem „schwulen“ Hanns und der Liesl, die
auf der ein Seite männermordender Vamp und zugleich bodenlos naiv ist, geradezu komisch. Liesl
dient Hanns als Alibi-Ehefrau, ohne es zu wissen, sodass er nun das Problem hat, ihr trotz seiner
homoerotischen Neigungen zu „Liebesdiensten“ zu sein, was er durch das Spielen eines
Akkordeons, das er bei Annäherungsversuchen zwischen sich und Liesl schiebt, zu verhindern
sucht!?!
Auf der anderen Seite gibt es die bösen Nazi-Schergen, die schon von ihrer Physiognomie her
abstoßend sind und darüber hinaus psychopathologische Züge tragen. So wird Dieter Kurzmann
von der Tatsache, als Junge mit der Mutter aus Mangel an Gegebenheiten das Bett teilen zu müssen,
durch dieses Kindheitstrauma in die Arme des aus Band eins schon bekannten Sadisten Coelestin
getrieben und entwickelt ein mehr als gestörtes Verhältnis zu seinen Mitmenschen, dessen Ursache
hier aus Spannungsgründen nicht verraten werden soll.
Geradezu pietätlos erscheint es, wenn dieser Kurzmann auf der Flucht vor seiner Vergangenheit in
einem Braukeller (!) in Argentinien auf alte Gesinnungsgenossen trifft, die sich in betrunkenem
Zustand mit ihren Gräueltaten in den Konzentrationslagern brüsten. Ungeachtet der Tatsache, dass
diese dunkle Zeit von unermesslicher Brutalität gegen die Opfer war und dass es sicher auch
Menschen gab, aus denen diese Zeit die dunkelsten und primitivsten Triebe hervorgelockt hat,
denke ich, dass diese Episoden weder den Tätern noch den Opfern gerecht werden. Mir auf jeden
Fall waren sie anstößig.
Auch fehlt mir häufig der historische Bezug. Zwar wird anfänglich das Leid der Nachkriegszeit
kurz eingestreut, wenn Hunger oder Kälte oder die Schwierigkeit mit den Behörden bei der
Neuregelung des Lebens erwähnt werden. Aber auch hier folgt auf Kälte eine Seite später das Sitzen
am warmen Ofen, auf Hunger wenige Zeilen weiter der leckere Braten zu Weihnachten am festlich
gedeckten Tisch im Jahre 1946 (!). So lebt der Leser sich nicht in die Zeit ein. Gleichsam mit Erika
eingesponnen in ihren Gefühlskokon fällt die Geschichte sehr häufig aus der Geschichte. Etwas
besser gelingt es da schon mit der Beschreibung der verschiedenen Schauplätze, die dem Leser
recht lebendig vor Augen stehen. Auch gibt es Erzählabschnitte, die sich ansprechend lesen lassen:
das Buchprojekt von Erika und Robert, die Pianistenkarriere von Jakub sind Beispiele dafür. Auch
gibt es neben den unsymphatischen Figuren, der eifersüchtigen Helene, der immer keifenden Tante
von Erika, die irgendwann sang- und klanglos verschwindet, sympathische Charaktere, wie Emmie,
einer von Erikas ältesten Freundinnen, oder Dora, die Erika auf der Flucht kennenlernt.
Aber dies trägt nicht durch 600 Seiten, sodass 600 Seiten stellenweise ganz schön lang werden
können.

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Eerfüllt die Erwartungen nicht

Das Leben, das uns bleibt
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Ruth ist eigentlich keine Goldschmiedin. Sie muss ihre Lehre in der Schmuckabteilung eines Kaufhauses abbrechen, als sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern wegen ihrer jüdischen Herkunft oder ...

Ruth ist eigentlich keine Goldschmiedin. Sie muss ihre Lehre in der Schmuckabteilung eines Kaufhauses abbrechen, als sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern wegen ihrer jüdischen Herkunft oder wegen der herannahenden Russen aus Breslau fliehen muss. Dabei verliert sie nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre große Liebe. In Freiburg lernt sie dann den Sohn des Inhabers eines Juwelierladens kennen. Und weil sie es immer allen Recht und ihrer Familie keine Sorgen machen möchte, heiratet sie ihn, obwohl sie noch immer an ihre alte Liebe denken muss. Eine starke Frau ist sie also (lange) auch nicht. Im stillen Kämmerlein entwirft sie Schmuck und lässt sich nach Feierabend von einem Goldschmied a. D. Nachhilfestunden in Sachen Handwerk geben. Und natürlich ist sie es, die mit ihrem Verkaufstalent und ihren Entwürfen den Laden vor dem Untergang rettet, als Vorwürfe laut werden, ihre Schwiegervater habe den Laden einst einem Juden abgepresst.
Obwohl die Idee eigentlich viel Potential zu einem spannenden historischen Roman böte, ist dieser das schließlich auch nicht. Statt spannender Handlung arbeitet sich der Leser seitenweise durch Gefühlsergüsse der Protagonistin oder zur Abwechslung den Träumen ihrer jüngeren Schwester sowie die sozialkritischen Anwandlungen des Bruders, der sich anklägerisch an die Nachkriegsgesellschaft wendet, die die Vergangenheit zu vergessen bestrebt ist. Allein durch den sprunghaften Wechsel fällt es schwer, in der Geschichte anzukommen. Im letzten Drittel dann verhalten sich die Figuren so unmotiviert, dass es schwer fällt, das Gelesene noch Ernst zu nehmen. Figuren, die zuvor noch aus Liebesschmerz bereit waren, alles zu tun, entdecken auf einmal, dass sie sich dem eigenen Geschlecht eher zugehörig fühlen, oder vermeintlich Turtelnde offenbaren, dass dies alles nur vorgetäuscht war und in Wirklichkeit alles ganz anders.
Für Ruth erscheint quasi als deus ex machina die alte Freundin Marga aus Berlin, die die Lösung all ihrer Probleme auf einem Silbertablett serviert. Dabei gerät sie mit ihren markigen Sprüchen und Lebensweisheiten und ihrer pseudo-berliner Schnauze wohl eher unfreiwillig zur Witzfigur.
Ruth muss sich nur noch entscheiden, zu allem Ja und Amen zu sagen. Macht das eine starke Frau aus, als die sie dem Leser angepriesen wird?

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Mit Längen

Der Bornholm-Code
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Archäologische Funde vor Bornholm, die eine Verbindung zwischen der Varus-Schlacht und dem legendären Schatz der Nibelungen erahnen lassen, ziehen nicht nur Taucher und Wissenschaftler an, sondern auch ...

Archäologische Funde vor Bornholm, die eine Verbindung zwischen der Varus-Schlacht und dem legendären Schatz der Nibelungen erahnen lassen, ziehen nicht nur Taucher und Wissenschaftler an, sondern auch machthungrige Politiker, die damit die Weltherrschaft erstreben.
Insbesondere die Bezüge zwischen Varus und Siegfried bieten durchaus interessantes Potential, leider veranlassen sie die Hauptfigur zu langen, sich des öfteren wiederholenden belehrenden Vorträgen, denen zu folgen gerade in der Hörfassung schwer fällt. Diese dominieren die ersten zwei Drittel so sehr, dass die Thrillerhandlung, auch wenn sie im letzten Drittel an Fahrt aufnimmt und dabei zugegebenermaßen schon recht absurde Züge annimmt, mich als Zuhörer gar nicht mehr in den Bann ziehen konnte. Dies wird durch die recht monotone Vortragsweise, mit der sowohl die Wissensreferate als auch die Partien mit mehr Handlung (Entführung, Mordanschlag uswusf.) gleichermaßen vorgetragen werden, nicht gerade besser. Ein eher zähes Hörvergnügen.

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