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Veröffentlicht am 06.04.2022

Wichtiges Buch über Arbeitsmigration in Deutschland

Dschinns
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Die Arbeitsmigranten, die seit den 60er Jahren aus Südeuropa und der Türkei nach Deutschland kamen, hier nur begrenzt bleiben sollten, werden erst langsam ein Thema für die deutsche Literatur.

Ein wichtiges ...

Die Arbeitsmigranten, die seit den 60er Jahren aus Südeuropa und der Türkei nach Deutschland kamen, hier nur begrenzt bleiben sollten, werden erst langsam ein Thema für die deutsche Literatur.

Ein wichtiges Werk dazu hat jetzt Fatma Aydemir geschrieben. "Gastarbeiterkind" der Folgegenerationen. Ja, denn Gastarbeiter wurden die Türken genannt, die aufgrund eines bilateralen Abkommens mit der Türkei nach Deutschland kamen, um hier das Wirtschaftswunder mit zu gestalten, Geld zu verdienen ... und dann wieder zu gehen. Es kam anders. So auch bei Hüseyin, dem Vater der Familie, der als erstes beschrieben wird. Aber nur kurz. Denn er stirbt in Istanbul. Gerade, als er in Rente gegangen ist und sich seinen Lebenstraum einer Eigentumswohnung in Istanbul erfüllt hat. Das dieser Traum nicht der Traum seiner Familie war, zeigt sich, als die Familienmitglieder nach und nach in der Wohnung ankommen. Jedem Familienmitglied wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Und jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Da ist Sevda, die älteste Tochter, noch in der Türkei aufgewachsen und erst spät und ohne Schulbildung nach Deutschland gekommen. Mit einem Ausweis, der eigentlich für das erste Kind der Familie ausgestellt wurde, das ein Jahr vor ihr geboren wurde. Welche Bedeutung der Verlust dieses Kindes für das fragile Familienkonstrukt hatte, wird im Laufe des Romans dann noch sehr deutlich. Es gibt aber noch andere Probleme: Ümit, der Jüngste, hat sich in einen Fußballkumpel verliebt, Peri, die jüngste Tochter hadert mit dem Tod eines Geliebten und fühlt sich fremd an der Uni, als erste aus der Familie, die Abitur gemacht und studiert hat. Sevda wiederum musste sich ohne Schulbildung aus einer unglücklichen Ehe befreien und hat sich zu einer erfolgreichen Restaurantleiterin hochgearbeitet. Und Hakan, der älteste Sohn, ist so ein typisches Beispiel für einen jungen Deutsch-Türken, der Autos verkauft und auch ein paar dubiose andere Dinge und nur weiß, dass er mehr Geld verdienen will und, dass er auf keinen Fall in eine Fabrik will.

Und Emine, die Mutter? Sie ist nie angekommen in Deutschland, spricht kaum die Sprache und hat vor allem Sevda nie eine Chance zur Ausbildung gegeben.

Ein wenig ist jeder der Protagonisten somit auch ein wenig ein Klischee. Die Autorin beschreibt die Personen mit all ihren Stärken und Schwächen jedoch so individuell, dass dies weniger negativ auffällt. Trotzdem waren es mir im Endeffekt ein wenig zu viele Klischees, Stereotypen und Probleme zu viel. Ich kann ja verstehen, dass ein Brandanschlag auf Migranten ein wichtiges Thema ist. Allerdings muss diese Familien doch von Homosexualität, Transgender, mangelnder Bildung oder wahlweise Aufstieg durch Bildung über Kurdenproblematik und dem typischen Bild eines jungen türkischen Mannes ohne Perspektiven nicht alle Probleme dieser Welt abbekommen. Das war mir persönlich etwas zu viel. Weniger hätte hier eindrücklicher gewirkt.

Trotzdem bewerte ich diesen Roman sehr hoch. Er zeigt nämlich ein wichtiges Thema und einen wichtigen Teil der Geschichte der Bundesrepublik auf. Die Auswirkungen der Arbeitsimmigration müssen noch prägnanter benannt werden, um richtig verarbeitet werden zu können.

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Veröffentlicht am 07.08.2021

Vanlife - Realistisch & unterhaltsam beschrieben

Happy Road
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Fernweh ist quasi mein zweiter Vorname. Schon als Kind träumte ich von Reisen in fremde Länder, von neuen Erlebnissen. So ging es auch Sarah Kringe, der Autorin von "Happy Road". Aber während ...

Fernweh ist quasi mein zweiter Vorname. Schon als Kind träumte ich von Reisen in fremde Länder, von neuen Erlebnissen. So ging es auch Sarah Kringe, der Autorin von "Happy Road". Aber während ich mit Anfang zwanzig begann, im Ausland zu studieren und dort als Reiseleiterin zu arbeiten, hat die Autorin einen ganz anderen Weg genommen. Mit Anfang 30 ist sie aus dem normalen Leben ausgebrochen und hat sich für eine Auszeit entschieden. Ein Jahr in einem umgebauten Camper. Die heißen allerdings heute "Van" und entsprechend ist das Leben dort "Vanlife" - auf Instagram ein Hype.

Die Autorin springt allerdings nicht auf diesen Schönwetter-Hype auf, sondern Sie berichtet realistisch von den Sonnen- und Schattenseiten einer solchen Reise. Toilettenschaufeln, Außenduschen, Kälte, Enge und die ewige Suche nach einem guten und kostenlosen Stellplatz werden ebenso erwähnt, wie die hin und wieder aufkommenden Probleme mit ihrem Mitreisenden Mathias. Die Beziehung ist noch frisch, als die beiden aufbrechen. Aber, soviel sei verraten, die beiden haben alle Herausforderungen gemeistert.

Ich habe schon einige Bücher von Aussteigern gelesen, die mit Fahrrad oder ähnlichem unterwegs waren. Meist war der Stil eher so wie früher ein Aufsatz (...dann standen wir auf, dann putzten wir Zähne, dann....) Die Autorin hier kann dagegen schreiben. Sie war ja nicht umsonst in ihrem "alten" Leben PR-Referentin bei einem Bundestagsabgeordneten.
Das Buch ist in Abschnitte von angenehmer Länge (mit tollen Fotos) unterteilt und berichtet nur über Auszüge der Reise. Manchmal über Highlights - manchmal über genau das Gegenteil. Das macht die Lektüre spannend und unterhaltsam und man bekommt trotzdem einen guten Einblick in das wirkliche Leben in einem Van.

Wer also schon länger vom Vanlife träumt, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Aber auch alle anderen. Denn ich selbst wusste schon vorher, dass ich für diese Enge (einmal Wohnmobil, das ist viel größer, hat mir gereicht) nicht gemacht bin. Und für nur hin und wieder Duschen auch nicht. Außerdem hätte ich diese Route nie gewählt (Balkan - seitdem ich einmal von Deutschland nach Bulgarien mit dem Auto gefahren bin, um dort als Reiseleiterin zu arbeiten, habe ich mir geschworen, da niiiieee mehr entlang zu fahren...und dann noch Nordkap im Winter....). Aber es war so spannend so lesen. Wenn auch Nordkap im Winter wohl nicht die beste aller Ideen ist.....

Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn es irgendwann weitere Bände über die Reisen von Sarah und Mathias gäbe.

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Veröffentlicht am 28.02.2021

Gelungene Mischung aus Coming-of-age und typisch amerikanischem Roman

Big Sky Country
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Big Sky Country heißt die Landschaft im Südwesten von Montana. Dorthin kommt August, der Protagonist, nach der Trennung seiner Eltern. Und dort wird er endgültig erwachsen werden. Doch am Anfang ...

Big Sky Country heißt die Landschaft im Südwesten von Montana. Dorthin kommt August, der Protagonist, nach der Trennung seiner Eltern. Und dort wird er endgültig erwachsen werden. Doch am Anfang des Buches lernen wir August kennen, als er noch nicht geboren ist. Seine Eltern sind jung und sitzen an einem See in Michigan und reden über den Namen ihres ungeborenen Kindes - und einigen sich auf August. Die beiden sind jung und verliebt. Das nächste Mal erleben wir August dann mit 12 Jahren. Er ist auf der Farm seiner Eltern aufgewachsen und fühlt sich wohl bei der Stallarbeit. Wie sein Vater. Der ist glücklich, eine Farm und ein großes Haus zu haben - er kommt aus eher ärmlichen Verhältnissen. Die Farm kommt aus der Familie der Mutter, die etwas wohlhabender war. Deshalb hatte die Mutter vor August auch angefangen, aufs College zu gehen und erwartet mehr vom Leben. Die Eltern entfernen sich also immer weiter voneinander, die Mutter zieht in ein anderes Haus auf der Farm und der Vater stellt eine junge Helferin ein, die später ganz einzieht. Und August und seine Mutter gehen zunächst in die Großstadt - wo die Mutter ihr Studium beendet - und ziehen dann nach Montana, wo die Mutter eine Stelle als Bibliothekarin erhält. August ist schon sein Leben lang eher ein Einzelgänger, findet aber ein paar Freunde in der Highschool, spielt Football und macht seine ersten sexuellen Erfahrungen. Die Sommer verbringt er bei seinem Vater. Dieser hätte gerne, dass der Sohn später die Farm übernimmt. Und die Mutter wünscht sich ein Studium für ihren Sohn. Und August? Er sucht noch nach seinem Weg und wird zunächst keinen der Wünsche erfüllen....
Typisch Coming-of-age eben - aber mit viel Anklang an die Themen der großen amerikanischen Romane: Der Zug nach Westen (von Michigan nach Montana), die Großartigkeit der Natur und der Berge, die Weite und die Einsamkeit. Und dazu die weniger Möglichkeiten auf dem Land, die Langeweile, die kleinen Orte, die wenigen Vergnügungen (die auf ein paar Rodeos hinauslaufen), die harte Arbeit in der Landwirtschaft. Und die Sprachlosigkeit zwischen Männern, die oft in Schlägereien umschlägt (und danach sitzt man wieder auf der Ladefläche des Pickups und trinkt Bier) und die Beschäftigung mit dem Thema Frauen - wobei Frauen wohl eher Mangelware oder unerreichbar sind.
Obwohl in diesem Buch eigentlich gar nicht so viel passiert - eben nur das normale Erwachsenwerden auf dem Land in den USA - hat mir das Buch immer mehr gefallen, je mehr ich gelesen habe. Dieser lakonische Schreibstil, hat mich berührt. Die Beschreibung einfacher alltäglicher Dinge, die die Situation so gut illustriert. Die Landschaftseindrücke, die weit weg von Romantik sind - und doch so eindringlich.
Ein typisch amerikanischer Roman für alle, die auch die ruhigen Töne zu schätzen wissen.

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Veröffentlicht am 18.01.2021

Spannung pur im Baskenland

Baskische Tragödie
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Die Aquitaine-Krimis von Alexander Oetker bieten normalerweise viel Frankreich-Flair, viel Savoir-Vivre - und zusätzlich eine spannende Krimihandlung. Diesmal ist es viel mehr Spannung - mehr Thriller ...

Die Aquitaine-Krimis von Alexander Oetker bieten normalerweise viel Frankreich-Flair, viel Savoir-Vivre - und zusätzlich eine spannende Krimihandlung. Diesmal ist es viel mehr Spannung - mehr Thriller als in den vorherigen Bänden. Mir persönlich war es schon fast zu heftig - aber es war so spannend, dass ich einfach nicht aufhören konnte, zu lesen. Was dann doch für die Qualität spricht. Diesmal gibt es weniger Wein, weniger gutes Essen - dafür mehr Drogen, Mafia und organisierte Kriminalität. Und einen Fall aus der Vergangenheit von Commissaire Luc Verlain, der ihn jetzt einholt. Handlungsort ist diesmal weniger das Aquitaine - die südliche Atlantikküste von Frankreich - sondern es geht über die Grenze, nach San Sebastian. Und das wird so gut beschrieben, dass es eigentlich fast ein Reiseführer ist. Ich muss jetzt dahin - gutes Essen, Wein und Altstadt. San Sebastian hat wohl die meisten Michelin-Sterne in Europa - oder so. Aber ich will Pinxtos essen - so nennt man die Tapas dort. In einer der vielen urigen Bars, in denen der Luc Verlain ermittelt.

Und dann das Buch noch einmal lesen. Denn es hat so viele spannende Wendungen (gerade zum Schluss hin), das muss ich noch einmal in Ruhe genießen.

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Veröffentlicht am 11.01.2021

Cold Case in Lappland

Kaltes Gold
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Es geht wieder einmal spannend zu beim neuen Fall von Olivia Rönning & Tom Stilton. Diesmal wird eine Leiche im schwindenden Dauerfrost in Lappland gefunden. Olivia stürzt auf dem Weg dorthin mit dem Helikopter ...

Es geht wieder einmal spannend zu beim neuen Fall von Olivia Rönning & Tom Stilton. Diesmal wird eine Leiche im schwindenden Dauerfrost in Lappland gefunden. Olivia stürzt auf dem Weg dorthin mit dem Helikopter ab. Aber das ist noch nicht alles an Problemen, die sich der Lösung des Falls in den Weg stellen.

Es beginnt eine wilde Ermittlung, die nicht nur wiederholt in Schwedens hohen Norden führt, sondern auch nach Spanien und Gambia und Tom Stilton wird extra aus seinem Retreat in Thailand anreisen, um Olivia zu helfen. Und auch Mette Olsäter ist - obwohl eigentlich Rentnerin - wieder mit von der Partie. Und Abbas natürlich auch. Und natürlich hat Olivia wieder etwas Liebesprobleme (die ich persönlich ein wenig überzogen fand) und natürlich ist Tom weiter auf der Suche nach Erlösung von den Problemen seiner Kindheit (die hier aber nicht weiter thematisiert werden) und natürlich langweilt sich Mette etwas als Rentnerin und Marten (ihr Mann) spielt wieder den aufmerksamen Gast- und Ratgeber. Ach, ich mag diese Krimi-Reihe einfach. Die Autoren können wirklich gut schreiben, wirklich gut Geschichten konstruieren und wenn man denkt, alles ist geklärt, ist das Buch noch längst nicht zu Ende - es kommt immer noch eine Überraschung. Natürlich dürfen auch aktuelle Themen nicht fehlen (Klimawandel, Atommüll, Problematik der Entwicklungsländer...) und ein wenig Liebe gibt es auch immer - diesmal trifft es mal Abbas - was ganz schön ist, wenn man die Vorgängerbände gelesen hat und weiß, wie schwer er es hatte.

Alles in allem ein rundes unterhaltsames Lese-Vergnügen - auch wenn ich es weiterhin ein wenig übertrieben finde. wie oft Olivia pro Fall in Lebensgefahr gerät - der Helikopterabsturz ist erst der Beginn....

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