Wie schmerzhaft-schön soll das Buch sein? Sabaa Tahir: JA
So viel Zorn und so viel Liebe“So viel Zorn und so viel Liebe” - der Titel passt ein bisschen perfekt zu dem Buch, auch wenn es sich eher wie “sehr viel Zorn und ein klein bisschen Liebe anfühlt”.
Sabaa Tahir ist eine Meisterin der ...
“So viel Zorn und so viel Liebe” - der Titel passt ein bisschen perfekt zu dem Buch, auch wenn es sich eher wie “sehr viel Zorn und ein klein bisschen Liebe anfühlt”.
Sabaa Tahir ist eine Meisterin der Worte. Sie schreibt wunderschöne Sätze, die inhaltlich so unfassbar wehtun können, es ist eigentlich schon unfair. Immer wieder hab ich Sätze markiert, hab sie unterstrichen, weil sie zu schön waren, um sie nicht für immer in Erinnerung zu behalten. Sabaa Tahhir schafft es, verschiedene Kulturen, insbesondere die pakistanische, so interessant und gleichzeitig realistisch rüberzubringen, dass ich während dem Lesen ohne es zu merken für mich selbst einige Dinge gelernt habe.
“So viel Zorn und so viel Liebe” erzählt die Geschichte von Noor & Sal und davon, wie beschissen das Leben manchmal einfach ist. Wie oft das Leben einen niedertritt, wie viele Dinge und Personen und Hoffnung man verlieren kann. Sal, mit einer kranken Mutter und einem alkoholkranken Vater, woraufhin er quasi alleine da Motel betreiben muss. Noor und ihr strenger Onkel, dem sie ihr Leben verdankt, während sie zeitgleich heimlich versucht, all dem zu entfliegen. Misbah, deren Worte einen wie in einem Rückblick begleiten und das Herz gleichzeitig brechen und heilen. Und Schmerz. Viel Schmerz und Zorn, wie der Titel es schon verrät. Ein bisschen Liebe, gemixt mit Verzweiflung. Denn das kann diese Geschichte gut. Die Protagonisten zur Verzweiflung bringen. Mich beim Lesen zur Verzweiflung zu bringen.
Die Charaktere sind so echt geschrieben, dass sie mich wütend gemacht haben. Nicht nur die “Bösen”, sondern grade auch die Hauptcharaktere. Weil Sal etwas macht, was mich wahnsinnig gemacht hat - was in seiner Situation jedoch wie der einzige Ausweg erscheint. Weil es beiden schwerfällt, in manchen Dingen die Wahrheit zu sagen - was mich ebenfalls beinahe wahnsinnig gemacht hat. Und andererseits respektiere ich Noor und Sal unfassbar , weil sie immer noch da sind. Ich weiß nicht, ob ich eine der Ereignisse in ihrem Leben überstanden hätte, während es in diesem Buch wirklich von Seite zu Seite mehr weh tut. Immer wieder gibt es kleine Hoffnungsfunken, denen man am besten gar nicht erst vertrauen sollte. Weil das Leben dann weitere Schicksalsschläge für Noor und Sal auf Lager hat.
Die Geschichte ist hart und ich verstehe, wieso der englische Titel “all my rage” sich nur auf den Zorn bezieht. Und ich verstehe, warum im deutschen “So viel Zorn und so viel Liebe” die Liebe mitreinbringt. Weil immer ein kleiner Zauber von Liebe, Familienliebe, freundschaftliche Liebe und romantische Liebe dem ganzen unterliegt. Weil der Zorn ohne diese Liebe nicht auszuhalten wäre.
Ich hatte anfangs ein wenig Schwierigkeiten, irgendetwas zu fühlen. Vielleicht weil so unfassbar viel aufeinmal passiert. Weil man kaum durchatmen kann, bevor das nächste passiert. Und irgendwann hat sich ein Schalter in mir umgelegt und ich wollte dieses Buch umarmen. Die Charaktere. Hatte Tränen in den Augen und konnte nicht begreifen, wie viel Schmerz Leute (auch wenn es eigentlich nur fiktive Charaktere sind) erleiden müssen. Wenn ich krumme Bewertungen geben könnte, würde ich vielleicht nur 4,5 Sterne geben. Weil sich nicht alles immer perfekt angefühlt hat, weil es etwas mit mir und dieser Geschichte gebraucht hat. Aber es ist großartig. Wundervoll geschrieben, unfassbar interessante Charaktere, die sich weiterentwickeln, die leben und leiden und lieben. Einblicke in die traurige Realität, in Rassismus, in Alkoholismus, in familiäre Probleme und in die Ausweglosigkeit von zwei pakistanischen Jugendlichen in einem kleinen amerikanischen Kaff. Und damit ist es ein perfektes Jugendbuch, aber irgendwie doch so viel mehr