Rachsüchtige Mumien, ein toter Professor und viele weitere spannende Fälle aus dem alten Wien!
,,Das Mädchen und der Totengräber“ ist der zweite Kriminalfall für Inspektor Leopold von Herzfeldt und Totengräber Augustin Rothmayer von Oliver Pötzsch, der am 31. März 2022 im Ullstein-Verlag erschienen ...
,,Das Mädchen und der Totengräber“ ist der zweite Kriminalfall für Inspektor Leopold von Herzfeldt und Totengräber Augustin Rothmayer von Oliver Pötzsch, der am 31. März 2022 im Ullstein-Verlag erschienen ist. Das charmante und gleichzeitig chaotische Ermittlerduo hat hier wieder mit vollem Einsatz gezeigt, dass im alten Wien, Ende des 19. Jahrhunderts, nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Nachdem ein hoch angesehener Professor für Ägyptologie im Kunsthistorischen Museum in Wien tot als Mumie aufgefunden wird, werden gleichzeitig junge Männer brutal ermordet. Doch als wenn dies nicht schon genug wäre, wird im neu eröffneten Tierpark ein Tierpfleger von einem Löwen angefallen und ebenfalls tödlich verletzt. Herzfeldt glaubt nicht an einen Fluch von Mumien, die auf Rache aus sind und so ermittelt er heimlich auf eigene Faust weiter, nachdem die Ermittlungen in diesem Fall für ihn unzufrieden abgeschlossen werden. Gleichzeitig wird ihm bewusst, dass im Fall der Strichermorde auch nicht mit rechten Dingen ermittelt wurde. Deshalb sucht er Hilfe und Rat beim kauzigen Totengräber Rothmayer. Während die Protagonisten mit einer ausgiebigen Mördersuche beschäftigt sind, hat der Autor mich gleichzeitig tief in die vergangene Zeit des alten Wiens eintauchen lassen.
Der schrullige Totengräber, der von außen wie eine harte Nuss wirkt, zeigt in einigen Momenten seinen weichen Kern. Vor allem dann, wenn es um seine Ziehtochter Anna geht. Denn die ständigen Besuche vom Jugendamt stressen ihn ungemein und er verhindert mit allen Mitteln, dass sie ihm weggenommen wird. Auch in dieser Geschichte ist er damit beschäftigt, ein neues Buch zu schreiben. Regelmäßig gibt es deshalb zu Anfang eines neuen Kapitels kurze Ausschnitte aus ,,Totenkulte der Völker“. Diese fand ich unheimlich interessant, aber auch ansonsten wurden in diesem historischen Kriminalroman viele interessante Informationen zu geschichtlichen Hintergründen eingestreut. Dieser Roman, der auf den ersten Blick eine Mumiengeschichte zu sein scheint, bietet im weiteren Verlauf weitaus viel mehr. Mehrere Fälle ergeben nach und nach einen gut durchdachten, spannenden und schlüssigen Plot, der mit hervorragend, schwarzen Humor gewürzt ist. Ebenfalls gelungen finde ich auch die Anfänge der Kriminalistik, die sehr interessant beschrieben werden.
Nicht zu vergessen ist die Rolle von Julia, der Freundin von Herzfeldt. Sie ist Tatortfotografin und schaut so in die tiefsten Abgründe, die sie einfach nicht loslassen und immer mehr psychisch zusetzen. Deshalb versucht sie, mehr Zeit mit ihrer taubstummen Tochter Sisi zu verbringen, während ihr der mysteriöse Fall aus dem Tierpark keine Ruhe lässt. Ihre Hartnäckigkeit hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ihre Beziehung zum charmanten Herzfeld nicht die stabilste ist. So ergeben der Totengräber Rothmayer, Inspektor Leopold von Herzfeldt und Anna ein taffes und interessantes Team, welches der Handlung immer wieder neue Wendungen verleiht. Jeder einzelne ist gut ausgearbeitet und da abwechselnd aus dessen Perspektiven geschrieben wurde, konnte ich mich sehr gut in verschiedene Gedankengänge und Handlungen hineinversetzen. Wer Probleme mit dem Verstehen einiger Wörter aus dem alten Wien hat, dem ist am Ende mit „Wienerisch für Piefkes (negative Bezeichnung für einen Deutschen)“, einer Auflistung und Übersetzung von einigen Wörtern, geholfen. Anfangs gibt es auch noch eine Auflistung der wichtigsten Charaktere, die hier regelmäßig vorkommen. Gerade für Neueinsteiger ist diese Liste sehr hilfreich.
Die Atmosphäre von Wien zum Ende des 19. Jahrhunderts ist hervorragend eingefangen, sodass ich oftmals wirklich gedacht habe, ich wäre mitten im Geschehen. Die Protagonisten sind sehr interessante Persönlichkeiten, besonders der Totengräber mit seinen Ecken und Kanten. Meistens sind die Dialoge im Wiener-Dialekt geschrieben, was die ganze Geschichte noch authentischer rüberbringt. Das einzige, was mich gestört hat, war das hin und her springen der verschiedenen Fälle, die zwar alle sehr spannend waren, mich ab und zu jedoch etwas überrumpelt haben. Außerdem hätte ich mehr über die Beziehung zwischen Rothmayer und seiner Anna gelesen, da der Titel des Buches ja darauf hinausläuft. Die historische Geschichte ist flüssig und sehr realistisch geschrieben, deshalb gibt es von mir gute vier Sterne!