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Veröffentlicht am 13.04.2022

Frédéric Breton - Paris und die Mörder der Liebe

Paris und die Mörder der Liebe
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Ein Unfall, wie er nicht selten vorkommt: ein Partyboot kracht in einen Pfeiler der Pont Neuf. Allerdings wird schnell klar, dass es dafür einen guten Grund gab: die Partygesellschaft, Mitarbeiter einer ...

Ein Unfall, wie er nicht selten vorkommt: ein Partyboot kracht in einen Pfeiler der Pont Neuf. Allerdings wird schnell klar, dass es dafür einen guten Grund gab: die Partygesellschaft, Mitarbeiter einer Internetfirma mit einer angesagten Dating-App, wurde durch Liquid Ecstasy betäubt und eine von ihnen hat das sogar mit dem Leben bezahlt. Ein unglücklicher Zufall oder wurde Laetitia Vicault gezielt Opfer eines Anschlags? Kommissar Gustave Lafargue begibt sich in die Welt der Dating-Apps und muss bald feststellen, dass die Liebe in seiner Heimatstadt ziemlich verkommen ist. Seine Kollegin Jinjin indes sucht nicht die große Liebe, sondern nur den schnellen Kick, nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie muss sie erst wieder zu sich selbst finden, bevor sie sich auf einen Mann einlässt. Ihre flüchtige Bekanntschaft jedoch hat eine große Anziehungskraft auf sie – viel mehr als gut ist.

Hinter dem Autorennamen Frédéric Breton verbirgt sich der Drehbuchautor Markus B. Altmeyer, der durch zahlreiche Fernsehkrimis bekannt wurde. „Paris und die Mörder der Liebe“ ist sein erster Kriminalroman, der das Flair das französischen Hauptstadt einfängt und das, wofür sie berühmt wurde, gnadenlos infrage stellt, denn mit echter Liebe ist es nicht weit her in der Geschichte. Sein etwas schrulliger, aber durchaus liebenswerter Protagonist lässt sich jedoch nicht beirren und dank seines Spürsinns kann er denn Fall auch solide lösen.

Es sind zwei Errungenschaften der Gegenwart, die den Plot befeuern: zum einen das Internet mit seinen unendlichen Möglichkeiten und vor allem den Dating-Apps, die das Kennenlernen von an kurzen oder längeren Liebesbekanntschaften Interessierten unkompliziert möglich macht. Zugleich stellt das unentwegte Füttern der virtuellen Welt mit unseren Daten eine reale Gefahr dar. Nicht minder zweischneidig die Frage danach, was durch die Entschlüsselung des Genoms heute möglich ist. Vorhersagen über potentielle Erkrankungen ebenso wie stichfeste Beweise gegenüber Tätern. Beides verknüpft der Autor in seinem rasanten Kriminalfall.

Der Kommissar kann als Figur noch wachsen, sein Sidekick Jinjin war für mich jedoch zunächst die reizvollere Figur, auch wenn ihr Handeln recht vorhersehbar und naiv angelegt war. Die Geschichte legt mehrere falsche Fährten, bevor man zum eigentlichen Kern gelangt.

Ein überzeugender, solider Krimi, der die gar nicht so schmucken Seiten der Stadt der Liebe offenbart.

Veröffentlicht am 30.03.2022

Berit Glanz – Automaton

Automaton
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Panikattacken fesseln die junge Mutter Tiff an ihre Wohnung. Schon der Weg zum Kindergarten ihres Sohnes Leon ist oftmals eine Herausforderung, an arbeiten außerhalb des geschützten Raums ist gar nicht ...

Panikattacken fesseln die junge Mutter Tiff an ihre Wohnung. Schon der Weg zum Kindergarten ihres Sohnes Leon ist oftmals eine Herausforderung, an arbeiten außerhalb des geschützten Raums ist gar nicht zu denken. Glücklicherweise findet sie auf der Internetplattform Automa immer wieder Aufträge, die zwar schlecht bezahlt sind, aber von Zuhause aus erledigt werden können. Oftmals muss sie Bilder verschlagworten, mehr und mehr jedoch sieht sie sich Überwachungskameras an und notiert, wenn dort etwas passiert. Mit ihren Kollegen, die sie nur unter ihren Pseudonymen kennt, tauscht sie sich über die Videos aus, manche Menschen und Szenerien dort tauchen immer wieder auf und scheinen fast wie alte Bekannte zu sein. Bis plötzlich ein Mann verschwunden ist.

Berit Glanz greift in ihrem zweiten Roman „Automaton“ gleich mehrere aktuelle Gesellschaftsthemen auf. Zum einen ist ihre Protagonistin durch ihre Psyche stark in ihrem Leben und ihren Möglichkeiten eingeschränkt, was jedoch außer ihrem unmittelbaren Nachfeld niemanden zu interessieren scheint. Zum anderen prekär bezahlte Arbeit und die Reichweite des Internets in den normalen Alltag der Menschen. Eine Geschichte, die sich am Rand unserer Gesellschaft abspielt und diesen sichtbar macht.

Tiffs Situation ist in jeder Hinsicht schwierig. Die finanziellen Probleme, mit denen die alleinerziehende Mutter zu kämpfen hat, und die dem Wunsch gegenüberstehen, dem Sohn auch etwas zu bieten, was durch die Panikattacken zudem erschwert wird. Auch wenn sie glaubt, Leon eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen zu können, wird doch immer wieder klar, dass der Junge trotz seines Alters sehr wohl spürt, wie die Lage seiner Mutter ist und seine Bedürfnisse zurückstellt. Ein Schicksal, dass Leon mit vielen Kindern teilt, die von klein auf Verzicht kennen und ihre Eltern nicht noch mehr belasten wollen durch eigene Wünsche.

Die online Jobs, die Tiff übernimmt, scheinen zunächst zur Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz zu dienen. Sie sind von Monotonie geprägt, doch die Menschen hinter den Bildschirmen lassen sich nicht auf automatische Reaktionen reduzieren, sondern werden umso humaner, als sie den Verdacht eines Verbrechens hegen. Die globale Vernetzung wird plötzlich zur Chance, vom heimischen Computer aus etwas zu bewegen und sich des mechanischen Daseins zu entledigen.

Berit Glanz spielt geschickt mit der Ambivalenz zwischen stupiden Arbeitsabläufen und einförmigem Alltag und dem Wunsch nach Ausbruch und einem lebenswerten Leben. Im Hinterhof kann Tiff plötzlich etwas gestalten, während sie gleichzeitig an Wohnung und Computer gefesselt ist. Äußere und innere Freiheit konkurrieren im Roman und lösen bisweilen scheinbare Widersprüche auf.

Veröffentlicht am 23.03.2022

Jonathan Lee - Der große Fehler

Der große Fehler
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Er war der Mann, der Greater New York zu dem gemacht hat, was es heute ist. Und doch ist der Erschaffer des Central Parks, der New York Public Library und des Metropolitan Museum of Art weitgehend unbekannt, ...

Er war der Mann, der Greater New York zu dem gemacht hat, was es heute ist. Und doch ist der Erschaffer des Central Parks, der New York Public Library und des Metropolitan Museum of Art weitgehend unbekannt, nur eine winzige Plakette an schwer zugänglicher Stelle im Central Park erinnert an ihn und ein Gemälde, das jedoch nicht öffentlich zugänglich ist. Jonathan Lee beginnt die Geschichte des größten Bauherrn der Stadt mit dessen Todestag. An dem unheilvollen Freitag, dem 13. November 1903 wird Andrew Haswell Green vor seinem Haus in der Park Avenue von Cornelius Williams mit fünf Kugeln erschossen.

Wie auch in seinem Roman „Wer ist Mr Satoshi?“ lässt Jonathan Lee die Geschichte von einem Ende her erzählen, das jedoch zahlreiche Fragen aufwirft. Während sich Inspector McClusky auf die Erforschung der Gründe für den Mord macht, erfährt der Leser, wie aus dem armen Farmerjungen aus Massachusetts der Mann werden konnte, der das Bild des Big Apples für immer prägen sollte. Im Wechsel taucht man ein in die Lebensgeschichte Greens und die Ermittlungen, die trotz der Festnahme des Tatverdächtigen nur langsame Fortschritte machen.

Am prägendsten für Green war sicher die Freundschaft mit Samuel J. Tilden, Rechtsanwalt und späterer Gouverneur von New York und Präsidentschaftskandidat. Er nahm den damaligen Lehrling unter seine Fittiche, ermöglichte den Aufstieg und ermutigte ihn auch, seine Träume zu verfolgen.

Auch wenn ein Mord im Zentrum steht, ist der Roman doch sicherlich kein Krimi – allein das Ergebnis der Ermittlung verbittet dies schon. Lee hat eine spannende Mischung aus Biografie einer Person und einer Stadt erschaffen, man spürt den Herzschlag New Yorks. Einerseits fließen vielfältige Details in die Handlung ein, dann wiederum lässt der Autor auch Leerstellen, beispielsweise wenn es um das Verhältnis von Green und Tilden geht. Er bedient damit keinen Voyeurismus, ebenso wie man kaum Greens Gedankenwelt bei der Erschaffung seiner großen Werke nachvollziehen kann.

Lee gelingt im letzten Kapitel ein grandioser Abschluss, der vielleicht am besten die schwer zufassende Figur Andrew H. Green beschreibt:

„Parks. Brücken. Große Institutionen. Kunst. Sie waren die einig erschwinglicheren Formen der Unsterblichkeit (...) Doch kam ihm hier und jetzt der Gedanke (...), dass all seine öffentliche Arbeit nicht so viel bedeutete, wie einen Freund zu haben, der seine Hand hielt, wenn er starb.“

Veröffentlicht am 14.03.2022

Delphine de Vigan - Die Kinder sind Könige

Die Kinder sind Könige
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Schon als Jugendliche hat Mélanie die Stars der Reality TV Shows bewundert und wollte sein wie sie. Doch ein kurzer Auftritt hat ihr gezeigt, dass sie dort nicht hingehört. Mit dem aufkommenden Internet ...

Schon als Jugendliche hat Mélanie die Stars der Reality TV Shows bewundert und wollte sein wie sie. Doch ein kurzer Auftritt hat ihr gezeigt, dass sie dort nicht hingehört. Mit dem aufkommenden Internet und den Social-Media-Kanälen wächst jedoch in der inzwischen zweifachen Mutter ein Plan heran. Bei anderen sieht sie, wie man mit Alltagsvideos Likes generieren und ein bisschen Berühmtheit erlangen kann. Sie ist perfekt darin, sich und die beiden Kinder Sammy und Kimmy zu inszenieren und das kommt an, Millionen Menschen folgen ihren YouTube Videos und Instagram Storys. Doch dann passiert das Schlimmste, was sich Eltern vorstellen können: Kimmy verschwindet beim Spielen. Die Polizistin Clara muss erst lernen, mit wem sie es zu tun hat und der Verdacht liegt schnall nah, dass es sich um einen Neider handeln könnte, denn davon gibt es beinahe genauso viele wie Fans.

„Die Kinder sind Könige“ ist ein Roman, der irgendwie so gar nicht in die Reihe von Delphine de Vigans Veröffentlichungen passt. Für mich liest sich die Geschichte wie eine Anklage der Sogenannten „Mommy-Influencerinnen“ und Familien-Blogger, was sie sicherlich auch ist, wirkt dadurch etwas zu sachlich und wenig fiktiv. Die Figuren treten hinter die Aussage zurück und können bei mir daher nicht die Emotionen wecken, wie es anderen von der Autorin erschaffenen Figuren gelungen ist. Nichtsdestotrotz greift sie ein wichtiges Thema auf und verpackt es geschickt in die Handlung um das Verschwinden des 6-jährigen Mädchens.

Mélanies Enttäuschung von dem ausbleibenden Erfolg im Fernsehen ist der Ausgangspunkt für ihre sagenhafte Karriere, die jedoch nur durch das Instrumentalisieren ihrer beiden Kinder möglich wird. Mehrmals pro Woche müssen sie Filme drehen, strikt nach Drehbuch, was jedoch besonders spontan und authentisch wirken soll. Es ist ein Job, Mélanie ist den ganzen Tag damit beschäftigt, die Fans zu bedienen, neuen Content zu planen und zu generieren. Dass die Kinder ausfallen, ist nicht vorgesehen und wehren können sie sich nicht, dazu sind sie zu klein.

Durch die Augen der Polizisten, denen das Business weitgehend unbekannt ist, nähert man sich auch als Leser und beginnt zu verstehen, welche Maschinerie hinter diesem Phänomen steht, das scheinbar auch sehr erträglich ist. Die Kindheit online dokumentiert zu sehen, scheint zunächst ein lustiger Spaß, ein Einblick hinter sonst verschlossene Türen, der ein wenig den Voyeurismus in uns allen bedient. Der Roman geht jedoch schwerpunktmäßig darauf ein, was dies mit den Kindern macht. Die Geschichten der Kinderstars aus dem Film- und Musikbusiness sind bekannt: der Kindheit beraubt haben nicht viele schon früh zu Drogen und Alkohol gegriffen. Doch im Gegensatz zu den Internetstars hatten sie immer eine öffentliche und eine private Seite des Lebens. Mélanie lässt keine Privatheit bei Sammy und Kimmy zu, alles wird öffentlich und veröffentlicht – unlöschbar für immer und alle verfügbar.

Ein aufschlussreicher Roman, der ein wichtiges Phänomen thematisiert. Erzählerisch wäre sicher noch mehr drin gewesen, man hat den Eindruck, dass der Autorin das Thema so wichtig war, dass dieser Aspekt hinter die Aussage zurücktreten musste.

Veröffentlicht am 07.03.2022

Jérôme Leroy / Max Annas - Terminus Leipzig

Terminus Leipzig
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Nach einem Alleingang mit ihrem Team, bei dem ein Kollege tödlich getroffen wird, wird die DGSE Kommissarin Christine Steiner zunächst beurlaubt. Die Zeit soll sie auch nutzen, um den Selbstmord ihrer ...

Nach einem Alleingang mit ihrem Team, bei dem ein Kollege tödlich getroffen wird, wird die DGSE Kommissarin Christine Steiner zunächst beurlaubt. Die Zeit soll sie auch nutzen, um den Selbstmord ihrer Mutter zu verarbeiten. Obwohl privat unterwegs bittet ihr Chef sie, bei einem Einsatz in Lyon zu unterstützen. Dort wurde ein älteres deutsches Ehepaar ermordet, ehemalige Mitglieder einer linksextremen Gruppierung, auf die ein deutsch-französisches rechtes Bündnis offenbar gerade Jagd macht. Als Christine den Tatort inspiziert, findet sie etwas, das sie völlig aus der Bahn wirft: ein Foto, auf dem ihre Mutter und sie als Kleinkind zu sehen sind. Ihre Mutter hatte nie darüber gesprochen, weshalb sie 1971 alle Brücken zu ihrer deutschen Heimat abgebrochen hat. Christine benötigt nicht viele Informationen, um sich schon kurz danach auf den Weg nach Leipzig zu machen und Rache zu nehmen.

Es gibt Autoren, zu deren Büchern man greift, ohne auch nur einen kurzen Blick auf den Klappentext zu werfen. Jérôme Leroy zählt für mich zu diesen, Max Annas konnte mich bislang gleichermaßen begeistern. Eine Kooperation von beiden ist daher etwas, das ich mir kaum entgehen lassen konnte. „Terminus Leipzig“ ist im Rahmen des Krimifestivals „Quais du Polar“ zwischen den beiden Autoren und ihren Verlagen Edition Nautilus aus Deutschland und Le Point aus Frankreich entstanden. Wie auch in ihren anderen Romanen wird die Handlung von gesellschaftspolitischen Ereignissen getragen, hier der gegenwärtige Terrorismus, der mit der linksextremen Gewalt in der Bundesrepublik der 1970er geschickt verbunden wird.

Als Leiterin einer Antiterroreinheit ist Christine unerschrocken und strategisch in ihrem Vorgehen. So akribisch sie sich über ihre Zielpersonen informiert, hat sie die fehlenden Informationen über ihre eigene deutsche Herkunft immer hingenommen und die Mutter nie genötigt, etwas über ihre Zeit vor dem Umzug in die französische Provinz zu berichten. Das Foto vom Tatort lässt jedoch kaum andere Schlüsse zu als dass die unauffällige Krankenschwester offenbar eine extremistische Vergangenheit hat. In Wolfgang Sonne, der ebenfalls zu sehen ist, glaubt Christine ihren Vater zu erkennen, weshalb sie sich auf den Weg zu ihm macht, um Antworten auf die bislang nie gestellten Fragen zu erhalten. Doch dafür bleibt kaum Zeit, denn gerade in Leipzig angekommen, geraten sie in das Feuer der Rächer, die Sonne ebenfalls ausfindig gemacht haben.

Ein rasanter Kurzkrimi, der sich nicht lange mit der Figurenentwicklung aufhält, sondern unmittelbar ins Geschehen einsteigt. Eine vielversprechende Zusammenarbeit der beiden Autoren, die für mein Empfinden noch stärker hätte ausgebaut werden können, denn sie reißen nur an, was sie eigentlich können. Auch die Handlung bietet noch Entwicklungsspielraum, womöglich ist dies ja in dem Cliffhanger am Ende angelegt, wünschen würde ich mir das jedenfalls.