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Veröffentlicht am 22.12.2022

Sprachlich hervorragender Roman über die Kraft von Literatur und Kultur

Unsre verschwundenen Herzen
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Der Roman "Our Missing Hearts" (Originaltitel) spielt in einer (beängstigend) nahen Zukunft in den USA. Nach einer schweren Wirtschaftskrise hat man Asien und vor allem China als Schuldigen dafür ausgemacht ...

Der Roman "Our Missing Hearts" (Originaltitel) spielt in einer (beängstigend) nahen Zukunft in den USA. Nach einer schweren Wirtschaftskrise hat man Asien und vor allem China als Schuldigen dafür ausgemacht und eine Unterdrückungsmethode namens PACT entwickelt, die vor allem den asiatisch-stämmigen Amerikanern das Leben schwer macht. Man soll sich jetzt auf die alten amerikanischen Werte besinnen, patriotisch sein und schädliche Elemente meiden und melden. Davon ist auch der 12 jährige Bird betroffen, dessen Mutter chinesisch-stämmige Amerikanerin war und vor Jahren aus seinem Leben verschwunden ist. Sein Vater hat seinen Job als Dozent in Harvard verloren, arbeitet jetzt als Hilfskraft in der Bibliothek und lebt mit seinem Sohn in zwei Zimmern im Studentenwohnheim. Das Leben ist karg und die Devise ist: Nicht auffallen. Denn oft werden Kinder von nicht-systemkonformen Eltern aus den Familien genommen. Dies erfährt Bird über seine Schulfreundin Sadie, die in einer Pflegefamilie lebt aber unbedingt zu ihren Eltern zurück will. Als dann noch ein Brief mit Zeichnungen bei Bird ankommt, beschließt er, auf die Suche nach seiner Mutter zu gehen.....und erfährt so, warum und wie ein Gedicht seiner Mutter mit dem Titel "Our Missing Hearts" zum Symbol für den Widerstand werden konnte.

Dieser Roman ist keine leichte Kost. Sehr anspruchsvoll, sowohl vom Thema also auch von der Sprache her. Wobei das Buch sich gut lesen lässt. Wenn man zwischendurch nicht einfach aufhören muss, weil alles zu beängstigend realistisch und nah erscheint. Wenn man die Situation in den USA, die Präsidentschaft von Trump, den Handelskrieg mit China und die Entwicklungen in Deutschland mit Reichsbürgern, Querdenkern usw. betrachtet, dann sind wir ganz ganz nah dran an einer solchen Situation.

Zum Glück gibt es im Buch auch Lichtblicke. Denn es gibt Widerstand und Hilfen für die verlorenen Kinder. Organisiert auch und vor allem durch Bibliotheken, Künstler und Kulturschaffende. Damit eröffnet die Autorin (leicht) positive Ausblicke und Hoffnungen.

Dies war auch das Resümee am Ende einer Veranstaltung im Literaturhaus Köln, als ich die Autorin live erleben durfte. Widerstand und Menschlichkeit kommen oft aus der Kultur. Kann uns das Hoffnung geben? Ich hoffe es sehr.

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Veröffentlicht am 22.12.2022

Das ideale Buch für die Winterzeit

Kalt und still
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Dieser Krimi ist der Auftakt zu einer neuen Reihe. Hatte die Autorin mich bisher durch ihre Kriminalfälle, die auf Sandhamn in den Stockholmer Schären spielen, begeistert, so geht es jetzt hoch in den ...

Dieser Krimi ist der Auftakt zu einer neuen Reihe. Hatte die Autorin mich bisher durch ihre Kriminalfälle, die auf Sandhamn in den Stockholmer Schären spielen, begeistert, so geht es jetzt hoch in den Norden. Are ist Schwedens wohl bekanntester Wintersportort. Dorthin verschlägt es die Kommissarin Hannah Ahlander, also sie durch Intrigen von Kollegen und Vorgesetzen ihren Job bei der Polizei in Stockholm verliert und darüber hinaus noch von ihrem Lebensgefährten verlassen wird. Hannahs Schwester stellt erst einmal ihr Chalet in Are zur Verfügung. Hier sollte Hannah eigentlich zur Ruhe finden. Doch dann wird eine Leiche im Skilift gefunden und da die örtliche Polizei hoffnungslos überlastet ist, hilft Hannah aus und bringt sich selbst in Gefahr....

Mir hat dieser Krimi gut gefallen. Zwar sehr düster und zwischendurch grausam, typisch nordic-noir. Und natürlich durften auch Sozialkritik und aktuelle gesellschaftliche Themen nicht fehlen (Ausbeutung von Flüchtlingen usw.). Darüber hinaus beschäftigen sich nordische Krimis oft mehr mit den Auswirkungen der Tat als mit der Tat selbst. Das muss man mögen. Ich mag es. Trotzdem ist das Buch spannend, manchmal hart und die Figurenzeichnungen interessant. Ich werde die Reihe gerne weiter verfolgen.

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Veröffentlicht am 14.04.2022

Wohlfühlroman vor der wunderschönen Kulisse von Korsika

Sterne über Korsika
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Als Korsika-Liebhaberin musste ich bei diesem Titel natürlich zugreifen! Und ich wurde nicht enttäuscht. Die Landschaft rund um Calvi wurde wunderschön beschrieben, das Wilde, Natürliche und der besondere ...

Als Korsika-Liebhaberin musste ich bei diesem Titel natürlich zugreifen! Und ich wurde nicht enttäuscht. Die Landschaft rund um Calvi wurde wunderschön beschrieben, das Wilde, Natürliche und der besondere Reiz der korsischen Landschaft & der Bewohner wurden gut herausgestellt. Darüber hinaus gab es eine Liebesgeschichte mit Hindernissen und eine treffsichere Beschreibung von Lebenskrisen und davon, wie man im Laufe seines Lebens wachsen kann.

Aber von vorne: Viki ist Ende 30, eigentlich sehr glücklich ihrem Beruf als Grundschullehrerin und die WG mit ihrem schwulen Cousin klappt seit 20 Jahren hervorragend. Aber nun kommt Viki ins Grübeln: Was ist eigentlich mit Kindern? Will sie welche? Alleine? Denn ihre Beziehungen waren bisher eher von kurzer Dauer und sind immer gescheitert.

Viki beschließt, ein Sabbatical zu nehmen. Und durch Zufall gerät sie auf die Insel Korsika, um hier künstlerisch tätig zu werden. Dabei begegnet sie Jakob, mit dem sie sich mehr als gut versteht.... kann daraus mehr werden?

Der Roman bietet viele Verwicklungen, Liebeswirrungen und interessante Gedankenspiele, wie Beziehungen funktionieren können, wie eher nicht - und wie wichtig gute Freunde sind. Das alles vor einer wundervollen Kulisse.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es als Wohlfühlroman mit ein paar ernsthaften Einschüben sehr empfehlen.

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Veröffentlicht am 03.01.2022

Scandic Noir vom Feinsten

Was wir verschweigen
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Ein Wochenendhaus im Meer in Finnland im November. Draußen ist es kalt und regnerisch, drinnen säuft sich eine Gruppe von Menschen seit Tagen um den Verstand. Menschen kommen und gehen, keiner hat mehr ...

Ein Wochenendhaus im Meer in Finnland im November. Draußen ist es kalt und regnerisch, drinnen säuft sich eine Gruppe von Menschen seit Tagen um den Verstand. Menschen kommen und gehen, keiner hat mehr den Überblick und die leeren Flaschen stehen überall herum.

Dann entdeckt ein Mann einen anderen Mann. Er geht in die Küche, holt ein Messer - und kurze Zeit später ist jemand auf der Flucht durch Regen und Dunkelheit - mit Blut an den Händen.

Für die Kriminalpolizei ist die Tat schnell erklärt: Alkohol & Gewalt, wieder einmal. Der vermeintlich Tatverdächtige wird schnell gefunden. Aber dann entdeckt der leitende Ermittler Jari Paloviita, dass der vermutliche Täter sein Freund aus Jugendtagen ist und der Tote ihr damals gemeinsamer Feind. Was soll er jetzt tun?

Währenddessen sucht sein Kollege Oksmann weiter nach Beweismitteln, denn irgendwie erscheint ihm einiges seltsam, vor allem das Verhalten von Jari. Und zusätzlich kämpft Oksmann mit seinen eigenen Dämonen. Wie auch die zweite Ermittlerin Linda, die ein großes Alkoholproblem zu haben scheint. Wie übrigens die meisten Personen in diesem Buch. Das Klischee von ständig saufenden Finnen wird hier vortrefflich bedient. Ob es wirklich so ist? Und gibt es wirklich so viel Gewalt gegen Kinder, zwischen Jugendlichen und überhaupt in Finnland? Ist wirklich alles so düster und aussichtslos? Nun, in diesem Buch ist es das. Nur wenige Lichtblicke, alle haben Probleme und funktionierende Elternhäuser scheint es auch nicht zu geben. Jeder trägt an seiner Vergangenheit. Jaris Jugendjahre werden in einer zweiten Handlungsebene erzählt. Und darin findet sich die Auflösung für den Fall. Die Vergangenheit von Oksmann wird wahrscheinlich in den nächsten Bänden Thema sein. Und irgendwann auch einmal Linda.

Obwohl alles so düster war, habe ich das Buch doch gerne gelesen. Diese psychologisch begründeten Handlungsweisen, diese tiefen Einblicke in verletzte Seelen. Die Krimihandlung bleibt dabei aber zwischendurch schon etwas auf der Strecke. Es geht mehr um die Auswirkungen von Gewalt als um die Suche nach dem Täter. Dies als Warnung an alle, die einen klassischen Krimi erwarten. Wer jedoch Scandic Noir mag, sich für psychologische und soziologische Gründe von Gewalt interessiert und eine andere Seite des doch angeblich so optimalen finnischen Staates kennenlernen will, dem sei das Buch empfohlen.

Ich werde jedenfalls den Folgeband auch lesen.

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Veröffentlicht am 13.11.2021

Ein ungemein atmosphärisches Buch

Offene See
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Nordengland 1946, kurz nach dem Krieg. Ein 16jähriger nimmt sich nach dem Schulabschluss den Sommer über Zeit für eine Art Walz. Er will zumindest einige Wochen noch in der Natur verbringen, bevor er Bergmann ...

Nordengland 1946, kurz nach dem Krieg. Ein 16jähriger nimmt sich nach dem Schulabschluss den Sommer über Zeit für eine Art Walz. Er will zumindest einige Wochen noch in der Natur verbringen, bevor er Bergmann werden soll. Das sind alle in seiner Familie und er kann wohl diesem grauen und tristen Schicksal nicht entgehen. Dabei liebt er die Freiheit und die Natur. Nach einiger Zeit mit Hilfsarbeiten gegen Kost & Logis kommt er an eine Meeresbucht und trifft dort in einem fast vollständig von der Natur überwucherten Cottage eine erstaunliche Frau. Eigenständig, offen, unkonventionell. Er führt einige Reparaturen durch und bekommt dafür für ihn neue kulinarische Köstlichkeiten angeboten. Und nicht nur diese Erfahrungen werden neu für ihn sein....

Dieses Buch ist sehr besonders. Die Handlung ist eher ruhig, es gibt viele (Natur-) Beschreibungen, eine (subtile) Kritik an der englischen Gesellschaft und das alles zusammen (mit einem kleinen Geheimnis) führt zu einer einzigartigen Atmosphäre. Ich konnte die Wiese und die Meeresbucht fast spüren und habe hautnah miterlebt, wie der Junge erwachsener und selbstbewusster wird und zu einer Persönlichkeit heranreift.

Ein Coming-of-Age Roman der etwas anderen Art. Sehr empfehlenswert.

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