Ein Buch mit einer wilden Jagd nach literarischen Schätzen
Die wilde Jagd nach der Monströsen DameInhalt:
In das Leben von Mary Jekyll, Beatrice Rappaccini, Catherine Moreau, Justine Frankenstein und Diana Hyde ist Ruhe eingekehrt, nachdem sie gemeinsam mit Sherlock Holmes und Dr. Watson die Whitechapel-Morde ...
Inhalt:
In das Leben von Mary Jekyll, Beatrice Rappaccini, Catherine Moreau, Justine Frankenstein und Diana Hyde ist Ruhe eingekehrt, nachdem sie gemeinsam mit Sherlock Holmes und Dr. Watson die Whitechapel-Morde aufgeklärt haben – zumindest soweit ein Haushalt mit fünf monströsen Damen und ihren besonderen Bedürfnissen als ruhig bezeichnet werden kann. Als sie ein Hilferuf aus Budapest ereilt, beginnt eine Jagd quer durch Europa, um eine weitere monströse Dame – Lucinda van Helsing – vor der skrupellosen Alchemistengesellschaft zu retten…
Meinung:
Vorab kann ich schon einmal festhalten: Es war mir ein wahrhaftiges Lesevergnügen.
Ein großer erster Pluspunkt sind die ganzen farbenfrohen und toll ausgearbeiteten Charaktere der Geschichte. Hierzu zähle ich nicht nur den Athena-Club, also die Protagonistinnen, die bereits im ersten Band ihren Auftritt hatten, sondern auch neu hinzustoßende Figuren wie Irene Norton. Sie ist cool, emanzipiert und voller Geheimnisse, die als amerikanische Spionin in Wien lebt und bei mir Milady-de-Winter-Vibes ausgelöst hat. Generell strotzt die Geschichte vor faszinierenden weiblichen Charakteren, die ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen und stark auftreten.
Ein weiterer Pluspunkt und gleichzeitig Besonderheit des Buches sind Einschübe bestehend aus Gesprächsfetzen der Protagonistinnen in dramatischer Form. Hier streiten sie sich, äußern Anmerkungen oder Kritik an der Erzählung. Das war für mich einfach nur herrlich zu lesen und hat die Lektüre ungemein aufgefrischt. (Außerdem sind diese kurzen Ausbrüche aus der Geschichte eine intelligente Art, künstlich Absätze und Möglichkeiten für Lesepausen zu schaffen, da die Kapitel insgesamt doch recht lang sind.)
Was ich aber an diesem Buch am meisten liebe – und genauso ging es mir bereits mit dem ersten Band – sind die ganzen Querverweise auf die englische Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts. So werden beispielsweise literarische Figuren – wie Irene Norton und Graf Dracula – sowie vermehrt auch historische Persönlichkeiten – wie Sigmund Freud und Arminius Vámbéry – in die Geschichte eingestreut. Es ist ein kleines bisschen wie Goldschürfen. Man wühlt sich zwar nicht durch Sand und Wasser, aber durch Kapitel und Zeilen, bis ein Name, den man schon einmal gehört hat, wie ein Goldklümpchen auftaucht. Dadurch wird jede Seite zu einem Hinweis zu einer literarischen Schatzsuche.
Anzumerken ist, dass das Buch ein ordentlicher Schinken ist, der nicht zu kurz abgeschnitten wurde. Manch eine:r mag das Buch an einigen Stellen vielleicht langatmig finden, aber ich habe die Länge und das damit einhergehende Detailreichtum in den Settings und Charakteren irgendwie genossen. Würde man die Geschichte kürzen wollen, würde meiner Meinung nach ein wenig vom Reiz und der Atmosphäre verloren gehen. Aber das dürfte ein klarer Fall von Geschmackssache sein. Schwierig ist es tatsächlich nur, den Taschenbuchwälzer zu halten, ohne Leserillen in den Buchrücken zu hacken…
Und zu, Schluss: Nicht mit einem Wimmern, sondern mit einem Knall geht die Geschichte zu Ende. So platzt am Ende noch eine Bombe (im metaphorischen Sinne), es werden komplett neue Handlungsstränge und Möglichkeiten aufgeworfen, Fragen offen und weitere Ereignisse in den Einwürfen der Protagonistinnen angeteasert, die ungemein neugierig auf den dritten und letzten Band machen, der verspricht, noch richtig spannend zu werden.
Fazit:
Klare Leseempfehlung. Und wer den ersten Band noch nicht gelesen hat: Lies den ersten Band, den es – wie Catherine stets zu bemerken pflegte – für zwei Schilling an jeder Ecke. Wer Lust auf eine Schatzsuche literarischer Art hat, findet in diesem Buch quasi den Einen Ring (aber ohne gollumifizierende Nebenwirkungen). Fünf von fünf Sterne!