Was du nicht weitergibst, ist verloren. (Rabindranath)
1982 Italien. Die Turiner Radiojournalistin Gianna Perrin hat beruflich gerade ziemlich zu kämpfen und auch ihre Ehe ist zerbrochen. Deshalb folgt sie der Einladung der 82-jährigen Mafalda Amoretti, einer ...
1982 Italien. Die Turiner Radiojournalistin Gianna Perrin hat beruflich gerade ziemlich zu kämpfen und auch ihre Ehe ist zerbrochen. Deshalb folgt sie der Einladung der 82-jährigen Mafalda Amoretti, einer Cousine ihrer verstorbenen Mutter Maria Lanteri, sie in Sant’Amato an der Riviera zu besuchen, wo Gianna schon als Kind die Ferien verbracht hat. Gianna soll dort einen von ihrer Mutter hinterlassenen Koffer sichten, die im 2. Weltkrieg in der Resistenza als Partisanin gekämpft hat und deren Kriegstagebuch noch heute in italienischen Schulen als Lektüre auf dem Lehrplan steht. Maria wurde nicht nur als Nationalheldin verehrt, sie hat sich auch eine Karriere als erste Bürgermeisterin von Turin aufgebaut, doch das Verhältnis zu ihrer Tochter war immer schwierig. Als Gianna den Koffer in Augenschein nimmt, findet sie dort auch einige alte Tagebücher, die dem Inhalt nach dem Veröffentlichten völlig entgegenstehen. Je mehr Gianna sich in den Inhalt der mütterlichen Notizen vertieft, umso mehr kommt ihr Maria als Mensch näher…
Grit Landau hat mit „Gran Paradiso“ einen sehr fesselnden historischen Roman vorgelegt, der den Leser erneut in den kleinen Ort Sant‘Amato an der italienischen Riviera entführt, um dort gemeinsam mit Gianna in die berührende Vergangenheit von Maria Lanteri einzutauchen. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser an Giannas Seite gleiten und mit ihr nach Sant’Amato reisen. Die Handlung erstreckt sich abwechselnd über zwei Zeitebenen, wobei die Geschichte von Gianna im Jahr 1982 den Rahmen zur Geschichte von Maria bildet, die sich während des Jahres 1944 zugetragen hat. Während Gianna sich bei ihren Verwandten in Sant’Amato etwas Abstand von ihrem Turiner Leben verspricht und die Hinterlassenschaften ihrer Mutter in Augenschein nimmt, heftet sich der Leser an Marias Fersen, die sich dem italienischen Widerstand anschließt und als eine von wenigen Partisaninnen mit der Waffe gegen die Nazis kämpft. Die Autorin hat sehr akribisch recherchiert und den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung verknüpft. Die lebhaften Beschreibungen lassen den Leser alles hautnah miterleben, denn sie entfachen ein lebendiges Kopfkino und schicken ihn gleichzeitig mit einer emotionalen Geschichte durch eine Achterbahn der Gefühle, denn auch eine unbekannte Liebe kommt an die Oberfläche. Sehr gekonnt lässt Landau den Leser miterleben, wie Gianna ihre Mutter Maria von einer ganz neuen Seite kennenlernt, die sie bisher als unterkühlt und ihr gegenüber gleichgültig wahrgenommen.
Die Charaktere sind liebevoll und facettenreich ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Mit ihren menschlichen Ecken und Kanten können sie den Leser schnell in ihren Bann ziehen, der sich nur zu gern unter sie mischt, um hautnah dabei zu sein und mitzufiebern. Gianna ist eine Frau, deren Leben momentan nicht gerade rosig verläuft. Sie wirkt entmutigt und auch verunsichert, doch im Verlauf der Geschichte geht eine Veränderung in ihr vor, die sie kraftvoller und entschlossener auftreten lässt. Maria ist eine Kämpfernatur, offen, mutig und mit dem Herzen am rechten Fleck. Mafalda ist fröhlich, fürsorglich und warmherzig, aber auch John Stiller ist liebenswert und mit wunderbarem Humor gesegnet.
„Gran Paradiso“ ist ein wunderbarer Mix aus Familiengeschichte, Liebe, Geheimnissen, Schicksalen und damaligem Zeitgeschehen, der wunderbar gefühlvoll und fesselnd erzählt wird. Landau beweist erneut auf eindrucksvolle und tiefgründige Art, wie sehr sie den Leser mit ihren Geschichten in den Bann ziehen kann. Absolute Leseempfehlung für einen wunderbaren Roman!