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Veröffentlicht am 16.04.2022

Literatur aus Japan

Das Leben eines Anderen
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Japanische Literatur interessiert mich sehr, oft ist sie aber auch von einer gewissen Zurückhaltung im Ausdruck geprägt.
Auf „Das Leben eines anderen“ von Keiichiro Hirano trifft das zu. Auf der Oberfläche ...

Japanische Literatur interessiert mich sehr, oft ist sie aber auch von einer gewissen Zurückhaltung im Ausdruck geprägt.
Auf „Das Leben eines anderen“ von Keiichiro Hirano trifft das zu. Auf der Oberfläche gesehen herrscht eine Sachlichkeit vor, das man glauben könnte, man lese einen nüchteren Bericht über den Vorffall eines Identiätstausch.
Etwas genauer betrachtet ist der Roman aber keinesfalls emottionslos, das wird sensibel über die Figuren gesteuert.
Da ist z.B. Rie, die schon viel Pech hatte und deren Ehemann plötzlich verstorben ist und dann stellt sich noch heraus, dass er nicht der war, für den er sich ausgegeben hatte.
Der Rechtsanwalt Kido Akira untersucht für sie die Sache und macht sich auf die Suche nach Mister X.
Kido ist die zentrale Hauptfigur. Er ist ein ruhiger Mann, ein Japaner von koreanischer Abstammung in dritter Generation.
Man erfährt auch eine ganze Menge vom Leben der japanischen Gesellschaft.
Dazu gehört zum Beispiel die Identitätsfrage der Zainichi, also der kroeanischen Minderheit in Japan und deren Diskreminierung durch die extreme Rechte.

Für mich ist das Entwerfen der Figuren eine große Stärke des Autoren, von dem ich gerne noch weitere Bücher lesen würde.

Veröffentlicht am 15.04.2022

Maseratis Geheimnisse

Schallplattensommer
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Alina Bronskys Romane haben immer ein gewisses Niveau und das gilt auch für ihr neues Buch Schallplattensommer.
Es erinnert mich leicht an Bronskys erstes Werk Scherbenpark.
Wieder steht ein Mädchen im ...

Alina Bronskys Romane haben immer ein gewisses Niveau und das gilt auch für ihr neues Buch Schallplattensommer.
Es erinnert mich leicht an Bronskys erstes Werk Scherbenpark.
Wieder steht ein Mädchen im Vordergrund, das zwar unabhängig und eigenwillig, aber noch minderjährig ist. Maserati. Sie ist ein starker Charakter, aber sie hat auch Probleme. Nicht alles enthüllt sich gleich. Geschehnisse der Vergangenheit werden dem Leser erst nach und nach bekannt.
Thematisch scheint mir der Roman leicht überfrachtet, so wird auch nicht alles aufgelöst. Das ist mir aber auch ganz Recht so. Ein Autor muss den Lesern nicht alles abnehmen.
Was das Buch auf jeden Fall auszeichnet ist Atmosphäre, die sich zum Teil auch aus den geheimnissen ergibt, zum Beispiel das Plattencover, auf dem Maseratis Gesicht zu sehen ist und natürlich die familiäre Situation mit der Mutter, die fehlt und dann gibt es auch noch einen kleinen Bruder. Aber Maserati lebt mit ihrer Großmutter, die zwar eine gute Köchin, aber auch leicht durcheinander ist.
Fast würde ich mir eine Fortsetzung wünschen, aber besser man lässt den Roman so stehen, wie er ist.
Und doch freue ich mich schon auf den nächsten Roman von Alina Bronsky.

Veröffentlicht am 11.04.2022

Die Universität

Tage in Rebibbia
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Dieses Buch von 1983 (L’Università di Rebibbia), erstmals in Deutsch vorliegend, bietet die Möglichkeit eine bedeutende Schriftstellerin aus Italien wieder zu entdecken.

Ein gutes Vorwort, aus dem die ...

Dieses Buch von 1983 (L’Università di Rebibbia), erstmals in Deutsch vorliegend, bietet die Möglichkeit eine bedeutende Schriftstellerin aus Italien wieder zu entdecken.

Ein gutes Vorwort, aus dem die Liebe zur Literatur hervorgeht, macht eine sinnige Vorstellung und Einführung in das Buch.

Die damals als Schriftstellerin noch unbekannte Goliarda Sapienza berichtet in diesem Buch von ihren Gefängniserfahrungen. 3 Monate war sie wegen Diebstahl eingesperrt.
Mit ihr gemeinsam lernen wir die Abläufe und die anderen inhaftierten Frauen n Rebibbba kennen.

Ein autofiktionaler Text, der den Leser durch die intime Erzählstimme sofort ins geschehen zieht. Das ist durchaus beeindruckend.

Veröffentlicht am 06.04.2022

Mutter - Tochter

Wovon wir träumen
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Die Protagonistin ist in Deutschland geboren, doch ihre Mutter wanderte einst aus China aus. Jetzt kehren sie zur Beerdigung der Großmutter für kurze Zeit nach Shaoxing in China zurück.
Für mich ist das ...

Die Protagonistin ist in Deutschland geboren, doch ihre Mutter wanderte einst aus China aus. Jetzt kehren sie zur Beerdigung der Großmutter für kurze Zeit nach Shaoxing in China zurück.
Für mich ist das Buch in erster Linie eine Mutter-Tochter-Geschichte, die von der Migrationserfahrung der Mutter geprägt ist.
Sie sind stark und liebevoll miteinander verbunden, aber es gibt auch Auseinandersetzungen. Das Gefühl zwischen den Wurzeln aus China und dem Leben in Berlin zerrieben zu werden, beschäftigt die Hauptfigur und Lin Hierse drückt das auch durch Traumbeschreibungen aus. Die Träume prägen die Form des Romans stark mit, aber natürlich gibt es auch viele reale Kapitel.
Es ist sprachlich sorgfältig gestaltet.
Es gibt überhaupt viele gute Beschreibungen und der emotionale Zustand der Protagonistin wird deutlich. Es ist auch ein großes Porträt der Mutter aus Sicht der Tochter.
Ein guter Debütroman einer vielversprechenden Autorin mit bemerkenswerter Erzählstimme.

Veröffentlicht am 05.04.2022

Gerichtsdrama

Wenn unsere Welt zerspringt
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Eine furchtbare Gewalttat, bei der eine ganze Familie, darunter drei Kinder, ermordet wurde.
Das Buch folgt der Frage, wie es dazu kommen konnte.
Erzählt wird die Geschichte von Anna, der Frau des Mörders, ...

Eine furchtbare Gewalttat, bei der eine ganze Familie, darunter drei Kinder, ermordet wurde.
Das Buch folgt der Frage, wie es dazu kommen konnte.
Erzählt wird die Geschichte von Anna, der Frau des Mörders, die ebenfalls fassungslos von der Tat ist. Sie bleibt aber durchgehend sachlich und analysierend.
Die Handlung spielt lange Zeit vor Gericht mit vielen Rückblicken, die im französische Bergdorf handeln. Der Stil von Samira Sedira ist faszinierend gemacht und inhaltlich wirklich packend.

Ein Zitat von Leila Slimani über dieses Buch weckt Assoziationen zu ihrem Roman „Dann schlaf auch du“. Kein schlechter Vergleich und die Leserschaft dieses Buches könnte sich auch für „Wenn unserer Welt zerspringt“ interessieren.