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Veröffentlicht am 28.05.2022

Ein spannender, wendungsreicher Thriller

Schreib oder stirb
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Inhalt: Der Literaturagent David Dolla erhält einen Anruf aus einer psychiatrischen Klinik: Carl Vorlau, ein Patient, behauptet, für die Entführung der siebenjährigen Pia verantwortlich zu sein. Er will ...

Inhalt: Der Literaturagent David Dolla erhält einen Anruf aus einer psychiatrischen Klinik: Carl Vorlau, ein Patient, behauptet, für die Entführung der siebenjährigen Pia verantwortlich zu sein. Er will Dolla erzählen, wo er Pia versteckt hält – unter der Voraussetzung, dass Dolla ihm einen Exklusivvertrag (inklusive einer Millionen Euro Vorschuss) bei einem Verlag verschafft. Falls Dolla ablehnen sollte, werde, so Vorlaus Drohung, niemand Pia finden können. Zugleich müsse sich aber auch Dolla selbst auf drastische Konsequenzen gefasst machen…

Persönliche Meinung: „Schreib oder stirb“ ist ein Thriller, der in Koproduktion von Sebastian Fitzek und Micky Beisenherz entstanden ist. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bisher noch keinen Fitzek-Thriller gelesen habe 😅. „Schreib oder stirb“ ist also meine Fitzek-Premiere. Daher kann ich keine Vergleiche zu anderen Thrillern ziehen und „Schreib oder stirb“ nur für sich allein betrachten. Erzählt wird der Thriller aus der Ich-Perspektive von David Dolla, einem erfolgreichen Literaturagenten mit einer gehörigen Portion (auch schrägem) Humor. Dolla nimmt in der Handlung die Funktion der Ermittlerfigur ein, die versucht, den geheimen Ort, an dem Pia versteckt ist, ausfindig zu machen. Dabei helfen ihm sowohl seine Freunde als auch seine Klienten (die im Übrigen teilweise schön skurril ausgestaltet sind). Zu der Handlung möchte ich gar nicht so viel vorwegnehmen: Die Spannungskurve ist hoch, die Handlung sehr wendungsreich (stellenweise geht die Handlung von einem Moment auf den nächsten völlig unerwartete Wege), das Ende schön twistig. Der Thriller wird außerdem rasant erzählt; durch die eher kurzen Kapitel ist das Tempo hoch. Ein wichtiger Bestandteil von „Schreib oder stirb“ ist der Humor, von dem der Thriller durchzogen ist. Generell – unabhängig vom Buch – ist es mit Humor/Witz ja so eine Sache. Während die eine Person bestimmte Dinge urkomisch findet, findet die andere Person die gleichen Dinge flach oder albern. Für mich gab es in „Schreib oder stirb“ einige wirklich witzige Stellen (besonders die ironischen Einblicke in den Literaturagenten-Alltag), andererseits gab es aber auch viele Passagen, die für mich zu kalauernd erzählt worden sind. Aber wie gesagt: Geschmäcker sind verschieden und meine Meinung ist nur eine unter vielen. Insgesamt haben diese Passagen, deren Humor mir eher weniger gefallen hat, mein Lesevergnügen auch nicht sonderlich getrübt, weshalb sie für mich nicht so sehr ins Gewicht fallen. Der Schreibstil von Fitzek/Beisenherz lässt sich sehr flüssig und angenehm lesen, was – gemeinsam mit dem hohen Tempo der Handlung – dazu führt, dass man nur so durch die Seiten fliegt. Insgesamt ist „Schreib oder stirb“ ein spannender, wendungsreicher Thriller mit skurrilen Figuren. Auch hat „Schreib oder stirb“ mir als Fitzek-Neuling Lust darauf gemacht, endlich mal seine älteren Thriller zu lesen.

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Veröffentlicht am 11.05.2022

Ein tiefgründer Roman mit einem interessanten Figurengeflecht

Als hätte jemals ein Vogel verlangt, dass man ihm ein Haus baut
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Inhalt: Die hochschwangere Iona steht vor dem Haus von Tahvo, ihrem Vater, den sie noch nie getroffen hat. Doch auf ihr Klingeln reagiert niemand. Kurzerhand bricht sie in das Haus ein. Allerdings bleibt ...

Inhalt: Die hochschwangere Iona steht vor dem Haus von Tahvo, ihrem Vater, den sie noch nie getroffen hat. Doch auf ihr Klingeln reagiert niemand. Kurzerhand bricht sie in das Haus ein. Allerdings bleibt der Einbruch nicht lange unbemerkt: Tine, eine Nachbarin, die eine besondere Beziehung zu Tahvo hat, wird bei Iona vorstellig. Da Tahvo verschwunden bleibt, begeben sich die beiden auf Spurensuche. Und ehe sie es sich versehen, schließt sich eine dritte Frau der Suche an…

Persönliche Meinung: „Als hätte jemals ein Vogel verlangt, dass man ihm ein Haus baut“ ist ein Roman von Marie Malcovati. Erzählt wird die Handlung von einem auktorialen Erzähler, der wechselweise Leben und Gedankenwelt der drei weiblichen Figuren (Iona, Tine und Karolin), die Tahvos Verbleib nachspüren, beleuchtet. Gerade zu Beginn der Handlung ist die Beziehung der drei suchenden Frauen, die gewissermaßen eine Schicksalsgemeinschaft bilden, eher durch rivalisierende Gedanken geprägt. Einziger gemeinsamer Bezugspunkt ist zunächst allein die Suche nach Tahvo, der Abdrücke in jedem der drei Leben hinterlassen hat. Je weiter der (unfreiwillige) Road-Trip jedoch voranschreitet, desto stärker entwickeln sich Sympathien zwischen den dreien. Was Iona, Tine und Karolin bewegt, was genau sie antreibt, bleibt anfangs eher offen und wird erst sukzessiv deutlich: Nach und nach, in Vergangenheitssequenzen, werden die Hintergrundgeschichten der drei weiblichen Figuren erzählt, wodurch sich eine latente Spannung durch den Roman zieht. Tahvo, gewissermaßen das Ziel der Handlung, ist im Vergleich zu den Protagonistinnen schemenhaft gezeichnet. Er agiert fast nur in den Vergangenheitssequenzen und bleibt – bis zuletzt – in einem diffusen Licht. Nicht Tahvo ist Kern des Romans, sondern die Lebenslinien von Iona, Tine und Karolin, die sich an einem bestimmten Punkt mit Tahvos Linie überschnitten. Auch der Erzählstil von Marie Malcovati hat mir sehr gut gefallen. Er ist immer klar und deutlich, zugleich poetisch und psychologisch-sezierend. So werden vergangene und gegenwärtige Problemlagen der Figuren geöffnet, innere Konflikte ausgefochten, Brüche im Leben thematisiert und traumatische Ereignisse behandelt. Dabei finden sich immer wieder tiefgründige Gedanken, die auch jenseits der Denke der einzelnen Figuren Relevanz besitzen. Insgesamt ist „Als hätte jemals ein Vogel verlangt, dass man ihm ein Haus baut“ ein sprachlich schöner, tiefgründiger Roman mit einem interessanten Figurengeflecht.

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Eine bunte Mischung

Frühlingsgedichte
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„Frühlingsgedichte“, ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, versammelt 51 Gedichte, die sich thematisch mit dem Frühling beschäftigen. Der Gedichtband ist in drei Rubriken unterteilt. ...

„Frühlingsgedichte“, ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, versammelt 51 Gedichte, die sich thematisch mit dem Frühling beschäftigen. Der Gedichtband ist in drei Rubriken unterteilt. Den Anfang macht „Frühlingsboten“. Die Gedichte, die in dieser Rubrik zusammenkommen, handeln vom beginnenden Frühling, der aufkeimenden Natur und der langsam einsetzenden Wärme, die den Winter vertreibt. So beschäftigt sich bspw. das Gedicht „Vorfrühling“ von Ernst Stadler mit den frühlingshaften Winden und was diese mental im lyrischen Ich auslösen; „Frühling“ von Selma Meerbaum-Eisinger beschreibt, wie die Frühlingssonne schrittweise den Winter verdrängt. Die erwachende Tier- und Pflanzenwelt spielt in den Gedichten von Detlev von Liliencron („Märztag“) und Rainer Maria Rilke („Wenns Frühlings wird“) eine Rolle. Den Weg ins Grüne thematisieren Johann Anton Friedrich Reil („Das Lied im Grünen“) und Johann Wolfang von Goethe („Osterspaziergang“). Die zweite Rubrik „Des Lenzens Widerspruch“ handelt vom Schein des Frühlings. Dass der Winter keineswegs schon gebannt ist, die Eisheiligen vor der Türe stehen, steht im Fokus der Gedichte „Der wilde April“ (Georg Britting), „Die Eisheiligen“ (Max Herrmann-Neisse) und „Die drei Eisheiligen“ (Carl Zuckermayer). Die gesellschaftskritischen Gedichte „Über das Frühjahr“ von Bertold Brecht und „Der März in der Luft des Hochhauses“ von Jürgen Becker beschäftigen sich mit der Entfremdung des (modernen) Menschen von der Natur. Die letzte Rubrik „Wonnemonat Mai“ zentriert den fünften Monat des Jahres. Hier finden sich ausgelassene Gedichte wie Goethes „Mailied“ oder „Der Mai“ von Friedrich von Hagedorn. Der Tag der Arbeit spielt in Brechts „Mailied der Kinder“ eine Rolle; Melancholie strahlt das Gedicht „Maienregen“ von Else Lasker-Schüler aus. Insgesamt ist der Ton der Gedichte meist feierlich, fröhlich und – da die wärmere Jahreszeit ansteht – euphorisch; teilweise ist er – besonders in der zweiten Rubrik – aber auch betrübt bis depressiv. In der Sammlung „Frühlingsgedichte“ finden sich außerdem experimentelle Lyrik wie H. C. Artmann oder Ernst Jandl („frühlingsbeginn“) und humorvolle Gedichte (Robert Gernhardt: „Osterballade“). Insgesamt sind die in „Frühlingsgedichte“ ausgewählten Texte eine schöne Mischung aus Klassikern des 18. und 19. Jahrhunderts, der Moderne und der Nachkriegs-/Gegenwartsliteratur.

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Veröffentlicht am 16.04.2022

Eine rasant erzählte Neuinterpretation des Tell-Stoffes

Tell
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Inhalt: Gemeinsam mit seinem Sohn Walter begibt Wilhelm Tell sich auf Bärenjagd. An einer schroffen, alpinen Felswand treffen die beiden auf den neuen habsburgischen Landvogt Hermann Gessler, der gemeinsam ...

Inhalt: Gemeinsam mit seinem Sohn Walter begibt Wilhelm Tell sich auf Bärenjagd. An einer schroffen, alpinen Felswand treffen die beiden auf den neuen habsburgischen Landvogt Hermann Gessler, der gemeinsam mit dem Soldaten Harras die Berge durchstreift. So zufällig die Begegnung der vier ist, so groß sind ihre Auswirkungen auf die Zukunft.

Persönliche Meinung: „Tell“, verfasst von Joachim B. Schmidt, ist eine moderne Interpretation des Tell-Stoffes. Erzählt wird der Roman in fast 100 kurzen Sequenzen (meist 2-3 Seiten lang) aus der Ich-Perspektive von 20 verschiedenen Figuren (u.a. dem Dorfpriester, Bauern, Mitgliedern der Familie Tell, Soldaten). Das Erzähltempo ist dementsprechend hoch; die Handlung wird rasant erzählt, sodass man nur so durch die Seiten fliegt. Spannend ist bei diesen Perspektivierungen, dass die Sichtweise des titelgebenden Helden erst zum Schluss des Romans eingenommen wird. Wer Tell wirklich ist, was ihn antreibt und bewegt, erfahren die Lesenden daher erst zum Ende hin. Zuvor lernen die Lesenden Tell nur aus den Perspektiven der anderen Ich-Erzähler kennen. Diese beurteilen Tell meist aus der Distanz, können aber nicht zu seinem Kern vordringen. Dadurch, dass sie Tell nicht greifen können, aber trotzdem über ihn reden, nähren sie gewissermaßen den Mythos „Tell“. Tell ist eine interessant ausgestaltete Figur mit einer modernen Hintergrundgeschichte, die man in dieser Form nicht erwartet hätte: Er tritt mürrisch auf, ist verschlossen und besitzt Züge eines Anti-Helden. Insgesamt ist er eine äußerst tragische Figur, geplagt von Geistern der Vergangenheit, gefangen in einer Rolle, die er nicht einnehmen wollte. Kurzum: Ein Freiheitskämpfer wider Willen. Tell gegenüber steht der habsburgische Landvogt Gessler, der Antagonist, der eigentlich keiner ist. Ähnlich wie Tell ist er eine tragische Figur, der eine Rolle übergestülpt worden ist, wodurch Gessler an Vielschichtigkeit gewinnt. Dem unfreiwilligen Freiheitskämpfer wird ein Despot wider Willen entgegengesetzt. Doch „Tell“ geht nicht allein in der Gestaltung dieser beiden Charaktere auf. Der im Tell-Stoff angelegte Hang zum Familiendrama wird in „Tell“ weitergedacht. Ohne inhaltlich zu viel spoilern zu wollen: „Tell“ erzählt nicht nur eine moderne Version des legendären Schweizer Freiheitskämpfers, sondern thematisiert in gleichem Maße die Familie Tell, deren Vergangenheit und Gegenwart nicht reibungslos ist. Der Schreibstil von Joachim B. Schmidt lässt sich angenehm und flüssig lesen. Insgesamt ist „Tell“ eine moderne, vielstimmige und rasant erzählte Neuinterpretation des Tell-Stoffes.

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Veröffentlicht am 14.04.2022

Eine breite Sammlung literarischer Texte rund um das Osterfest

Der kleine Osterspaziergang
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„Der kleine Osterspaziergang“ ist eine Anthologie, in der Gedichte und Kurzgeschichten versammelt sind, die sich um das Osterfest und den Frühling drehen. Die Anthologie besteht insgesamt aus 17 Gedichten ...

„Der kleine Osterspaziergang“ ist eine Anthologie, in der Gedichte und Kurzgeschichten versammelt sind, die sich um das Osterfest und den Frühling drehen. Die Anthologie besteht insgesamt aus 17 Gedichten und 11 Erzählungen. Thematisch sind die Texte breit aufgestellt: So finden sich einerseits religiös angehauchte Texte (wie Anton Tschechows „Der Student“, Annette von Droste-Hülshoffs „Am Ostersonntage“ oder Matthias Claudius‘ „Osterlied“), die sich mit der Auferstehung Jesu auseinandersetzen. Auf der anderen Seite stehen Naturgedichte, die das Erwachen des Frühlings thematisieren (bspw. Emanuel Geibels „Ostermorgen“ oder Joseph v. Eichendorffs „Ostern“). Zusätzlich dazu finden sich in „Der kleine Osterspaziergang“ Texte, die eher die Realität des Osterfestes behandeln. So beobachtet man mit Adalbert Stifter die „Karwoche in Wien“; mit Hans Christian Andersen reist man nach Griechenland („Das Osterfest in Griechenland“). „Pesach“, ein Auszug aus Pauline Wengerhoffs „Memoiren einer Großmutter“, gibt einen Einblick in eines der wichtigsten Feste des Judentums. Eine weitere Rubrik beschäftigt sich – auch auf humorvolle Art – mit dem Osterei (Heinz Erhardts „Ei vor Ostern“ oder Joachim Ringelnatz‘ „Rätselhaftes Ostermärchen“). Zuletzt finden sich Märchen bzw. Texte, die legendenartige Strukturen aufweisen: Selma Lagerlöf erklärt in „Das Rotkehlchen“, woher das Rotkehlchen seine Farbe hat, Anatole France berichtet von einer besonderen Christusdarstellung („Der Christus aus dem Ozean“) und Wladimir Dal erzählt ein Märchen aus dem russischen Kulturkreis („Osterregen“). Insgesamt ist „Der kleine Osterspaziergang“ eine schöne und breite Sammlung von Texten, die auf das Osterfest einstimmen. Besonders hat mir gefallen, dass nicht nur die typischen deutschen Klassiker versammelt sind, sondern auch Klassiker aus anderen Kulturkreisen, sodass man auch neue Texte - jenseits der üblichen Verdächtigen - kennenlernt.

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