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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.05.2022

Spannend und vielschichtig

Wo die Wölfe sind
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Schottlands wenige verbliebene Wälder sind arg in Mitleidenschaft geraten durch den Rotwildverbiss. Abschuss oder eine naturnahe Lösung, die ökologisch gesehen, der ganzen Region zugutekommen würde? Aber ...

Schottlands wenige verbliebene Wälder sind arg in Mitleidenschaft geraten durch den Rotwildverbiss. Abschuss oder eine naturnahe Lösung, die ökologisch gesehen, der ganzen Region zugutekommen würde? Aber da sind sture Bauern, die das nicht einsehen wollen. Wölfe sind und bleiben der Feind. Die Bauern fürchten um ihr Vieh, um die Kultur der Highlander die von Wölfen bedroht wird, Kinder jammern, die Wölfe würden Bambi umbringen, usw. Fazit: Wölfe sind wilde gefährliche Bestien und haben in Schottland nichts verloren. Eine Gruppe von Naturwissenschaftlern wollen aber Wölfe hier wieder ansiedeln. Was sich in Yellowstone Naturreservat in den USA und auch in Deutschland (siehe Lausitz) hervorragend bewährt hat, sollte, so die Meinung der Biologen, auch in Schottland funktionieren. Unter den Wissenschaftlern ist Inti Flynn, die eine besondere Begabung (oder Fluch, wie man es nimmt) hat. Inti ist ein Mirror-Touch-Synästhet. Sie kann die Schmerzen ihrer Mitmenschen aber auch von Tieren oder Bäumen spüren.
Zusammen mit Aggie, Inties Zwillingsschwester sind die Mädchen das Jahr über in Australien, bei der Mutter und in den Sommerferien in Kanada, bei dem Vater. Der Vater ist sehr naturverbunden und vermittelt diese Naturverbundenheit auch seinen Töchtern. Wie die Mädchen zwischen den Eltern aufwachsen, wie sie ihre Kindheit und Jugend verbringen, Aggies katastrophale Ehe mit Gus, all dies erfahren wir in Rückblicken, während Inti am Wolfsprojekt weiterarbeitet.
Der Widerstand gegen die Wölfe in einem Teil der Bevölkerung wächst, Inti macht sich den Bauern Stuart zum Feind. Inti fordert Stuart heraus, bezichtigt ihn vor allen Leuten seine Frau zu schlagen. Etwas, von dem alle wussten, aber solange es nicht ausgesprochen wurde, war ja nichts passiert, wird nun offen zu Tage gezerrt. Die Bedrohungen gegen die Wölfe und gegen Inti nehmen zu. Die Lage spitzt sich zu, bis Inti beschließt einzugreifen, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. In einer stürmischen Nacht geht Inti hinaus, in die Berge und muss den Wolf töten, der Schafe und auch zwei Menschen angefallen hat. Diese Nacht ist an Dramatik kaum zu überbieten.
Inti ist der Mittelpunkt des Romans. Die Liebe zwischen Inti und ihrer Schwester, zwischen Inti und Duncan, zwischen Inti und den Wölfen, alles steht in einem tiefen Zusammenhang, wie die Bäume des zitternden Riesen, „… ich spürte den Herzschlag unter und über mir und ringsherum, die älteste Sprache von allen“ (S. 125). Diese älteste Sprache ist die Liebe, die alles zusammenhält und der sich Inti zu keiner Zeit entziehen will.
Das Buch liest sich in weiten Teilen wie ein Buch über Naturschutz und Wolfsverhalten, aber auch wie eine Liebesgeschichte und wie ein Krimi, eigentlich ist es von allen etwas. Und das macht das Buch so spannend.
Der Stil ist sehr fesselnd: normalerweise fließt die Erzählung so vor sich hin, versieht uns mit den nötigen Informationen, um im Geschehen voranzukommen, doch dann plötzlich, am Ende eines Absatzes oder eines Kapitels fällt eine kurze Bemerkung oder ein Satz, der das vorhin gesagte relativiert, es in einem anderen Licht erscheinen lässt. Dann muss man das erst verarbeiten, die Worte eindringen lassen, das Kapitel oder den Absatz noch einmal überdenken.
Genau wie im Vorgängerroman spürt man die tiefe Naturverbundenheit der Autorin, merkt dass die Wölfe (oder die Zugvögel) nicht nur Mittel zum Zweck sind für ein gutes Buch, sondern dass McConaghy sich mit Naturschutz und allem was dazu gehört, eindringlich auseinandergesetzt hat.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Schalom!

Der letzte Schrei
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Der blutrote Lippenstift wie eine Gewehrkugel ist ein großartiges Titelmotiv für einen Krimi. Der Eyecatcher schlechthin.
Ein direkter Einstieg in die Handlung macht es dem Leser nicht gerade leicht, auch ...

Der blutrote Lippenstift wie eine Gewehrkugel ist ein großartiges Titelmotiv für einen Krimi. Der Eyecatcher schlechthin.
Ein direkter Einstieg in die Handlung macht es dem Leser nicht gerade leicht, auch hier einzusteigen. Ein Fohlen, das Wölkchen ausstößt? Und wieso ist Oded vor dem Türsteher so schüchtern und versucht ihn trotzdem anzumachen? Und welche Rampe ist gemeint? Aber halt. Wir sind in Israel, mit der Selektion auf der Rampe kann nur die schreckliche Selektion des Lagerführers beim Eintritt in das KZ gemeint sein. Oder der Satz: „Und ich hätte in Ausschwitz keine Kartoffelschale mit dir geteilt…“ (S. 334), ist auch einer jener Sätze die mir die Luft zum Atmen nehmen. Aber: Wir sind in Israel. Die dürfen darüber Witze reißen, die sich für uns wie ein Schlag in den Plexus anfühlen. Und beim Weiterlesen wird klar: wir sind nicht ausschließlich im Hetero-Milieu. Da tummeln sich Homosexuelle, Transgender und andere sexuell um- und neuorientierte in den Seiten des Buches.
Über allen residiert, operiert, bedroht und erpresst der halbseidene und steinreiche Binyamin Direktor die Menschen. Oded Chefer soll für ihn herausfinden, was mit Carine Carmeli, einem Internetsternchen los ist, die seit ein paar Wochen depressiv wirkt. Schnell findet Oded heraus, dass da mehr dahintersteckt als eine verschmähte Teenie-Liebe und dass womöglich eine Verbindung zu einem transgender Mann besteht, der/die seit der Party bei Binyamin verschwunden ist. Oded entdeckt immer mehr Übereinstimmungen zwischen dem Verschwinden von Gabriele auf der Party und einem anderen jungen Transgender, Prince, der seit ein paar Wochen wie vom Erdboden verschluckt ist.
Zu den Recherchen kommen noch Odeds private Probleme hinzu, seine unglückliche Liebe zu Stas, Binyamins Bodyguard, die Probleme mit der Familie. Und trotzdem wird Oded die Fälle lösen.
Die Dialoge sind gewitzt und durchtrieben, man könnte diesen Leuten (ist das geschlechtsneutral genug?) ewig zuhören, mit ihren Sticheleien und Eifersüchteleien. Da wird verbal mit harten Bandagen gekämpft. Allem Anschein nach ist das Transvestiten und Transgender Milieu nichts für zartbesaitete. Für uns Leser ist dieser permanente Schlagabtausch mit seinem Sarkasmus und Ironie genussvolle Lektüre. Bis wieder eine Anspielung auf den Holocaust fällt, das mir das Lachen vergeht.
Wer während dieser Dialoge richtig schwer arbeiten musste, ist Markus Lemke, der geniale Übersetzer. Aus dem Neuhebräischen diese Repliken so ehrlich und manchmal auch brutal zu übersetzen war bestimmt nicht einfach.

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Veröffentlicht am 19.04.2022

Schön und spannend ohne allzu viel Blutvergießen

Tiefes, dunkles Blau
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Zürich und der Zürcher See sind nicht nur Kulissen in diesem Krimi. Diesen Eindruck gewann ich von den ersten Seiten an. Beide spielen eine zentrale Rolle. So wie die Stadt und der See von Kobler beschrieben ...

Zürich und der Zürcher See sind nicht nur Kulissen in diesem Krimi. Diesen Eindruck gewann ich von den ersten Seiten an. Beide spielen eine zentrale Rolle. So wie die Stadt und der See von Kobler beschrieben werden, fast wie zentrale Gestalten, muss man ihnen auch Beachtung schenken.
Für einen modernen Krimi kommt Seraina Kobler mit nur einer Leiche und einem Mordversuch aus. Es muss nicht immer Blut in Strömen fließen, um einen Krimi gut werden zu lassen. Dafür aber gibt es ein brisantes Thema: die Genschere die erst vor ein-zwei Jahren entdeckt und entwickelt wurde, und die Frage, ob Forschung geheim bleiben soll oder offen zugänglich. Vor allem wenn es sich um solch wichtige Themen handelt, wie das Eingreifen in das genetische Erbgut der Menschen. Gut dokumentiert, sowohl was die Genforschung betrifft, als auch wie Polizeiarbeit verläuft, (schade, nichts mit Special Victims Unit oder Criminal Minds, zwinker-seufz) wirkt alles in diesem Buch glaubwürdig: Thema, Handlung, Charaktere und das besondere Setting.
Der Stil von Seraina Koblenz ist auf den ersten Blick etwas langatmig, gewinnt dadurch aber an Tiefe.
Diogenes hat dem Buch ein wunderschönes Titelbild mit einer herrlichen Aussicht auf Zürich verpasst. Ein Grund zum Buch zu greifen oder die Koffer zu packen. Gruezzi!

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Veröffentlicht am 19.04.2022

Spannendes Wiedersehen mit John Alderney

Die andere Schwester
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Das Autorenduo setzt die spannende Serie um John Alderney fort. Sein alter Widersacher aus den Staaten hat ihn in Schweden ausfindig gemacht, Trevor, sein ehemaliger Freund und Kollege taucht unerwartet ...

Das Autorenduo setzt die spannende Serie um John Alderney fort. Sein alter Widersacher aus den Staaten hat ihn in Schweden ausfindig gemacht, Trevor, sein ehemaliger Freund und Kollege taucht unerwartet in Karlstadt auf und gesteht ihm, dass er die nigerianische Mafia auf den Fersen hat. Wenn John Alderney ihm nicht hilft, wird Ganiru aus dem Gefängnis in Baltimore heraus sie beide und seine Familie in den Staaten töten lassen. Aber dies ist nur die eine Seite des Krimis. Andererseits muss John im Fall einer jungen ermordeten Geschäftsfrau ermitteln. Bald taucht noch ein zweiter Toter auf. Und noch einer. John hat alle Hände voll zu tun zwischen seinen Ermittlungen und der Flucht vor den Killern Ganirus. Hinzu kommt noch seine junge Nichte die bei einer gar nicht so netten Pflegefamilie untergebracht wurde.
Fesselnd geschrieben und mit glaubwürdigen Charakteren, fiebern wir mit Alicia, der Schwester mit den Narben im Gesicht und mit John, der seinem ehemaligen Freund nicht mehr trauen darf und es dennoch tut, mit. Alicia und Stella, die zwei Schwestern verbindet eine Hassliebe seit ihrer Kindheit. Stella ist manipulativ und berechnend, sie weiß, dass sie ohne Alicias Kenntnisse und Fähigkeiten im IT-Bereich nie ihre Dating-App aufziehen könnte. Ihr grausamer Tod setzt eine Kettenreaktion im Gang, die es letztendlich John Alderney ermöglicht, seine Verwicklungen mit Ganirus Auftragskillern mit Stellas Tod zu verbinden und das Ganze in Einklang zu bringen. Spannend konstruiert erscheint die Lösung des Falls plausibel aus dem einfachen Grund: damit ist allen Seiten gedient. Dass die Wahrheit zurechtgebogen werden musste, nehmen wir hin, einfach weil Alicia und John uns sympathisch sind und wir finden, sie sind mit ihren Schicksalen schon genug gestraft. Dass John sich am Ende um seine kleine Nichte kümmert, lässt ihn in unseren Augen noch achtenswerter erscheinen. Genaugenommen hat er aus Notwehr getötet, wie eigentlich Alicia auch. Und damit müssen die beiden leben und wir auch.

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Veröffentlicht am 26.03.2022

Die Frau spricht mir aus der Seele

Einatmen, ausrasten
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Das blühende Leben mit all seinen Hochs und Tiefs schlägt uns aus diesem Buch entgegen. Ich habe mich gleich angesprochen gefühlt. Vom Titel allemal und, nach der Lektüre, verstehe ich auch das schräge ...

Das blühende Leben mit all seinen Hochs und Tiefs schlägt uns aus diesem Buch entgegen. Ich habe mich gleich angesprochen gefühlt. Vom Titel allemal und, nach der Lektüre, verstehe ich auch das schräge Titelbild besser. Manche Szenen sind mir ans Herz gewachsen, so z. B., wenn Eliza das Lamm von der Autobahn rettet und der Fahrer vom anderen Auto sie als „Crazy Lady“ betitelt.
Seien wir doch ehrlich, Mädels. Sobald wir den 50 Geburtstag passiert haben, werden wir unsichtbar. Kein Mann dreht den Kopf mehr nach uns um, kein Bauarbeiter pfeift uns hinterher, und einen Sitzplatz in der U-Bahn kriegen wir auch nicht, entweder weil wir eben uninteressant sind oder noch nicht alt genug, nach Meinung der Männer.
Und Eliza Finch packt das Leben bei den Hörnern. Sie lässt sich nicht unterkriegen. Sie kämpft für die Menschen, die sie liebt, für die Dinge, die ihr wichtig sind. Sie kapert das Boot ihres Mannes, um es vor dem Verkauf zu retten, weil das Boot für ihren Mann Paddy sein ein und alles ist. Eliza setzt sich für ihren autistischen Sohn ein, hilft ihrer Tochter in Herzensangelegenheiten, kämpft dabei gegen die schlimmen Nebenerscheinungen ihres Alters, wehrt sich gegen die Unsichtbarkeit, ist weiterhin attraktiv und sexy. Am Ende des Buches besteht sie alle Krisen, findet Lösungen, um die Probleme ihrer Kinder zu lösen und vor allem: sie findet sich selbst wieder attraktiv und zeigt es auch. Auch das vorher etwas angespannte Verhältnis zu Paddy normalisiert sich, sie finden zu ihrer Liebe zurück.
Der humorvolle Stil, die verbalen Schlagabtausche genannt Dialoge, zwischen den Familienmitgliedern, die abstrusen Abenteuer in denen Eliza wider Willen hineingerät, all dies lassen die Lektüre zu einem wahren Vergnügen werden und täuschen nicht über das ernste Thema hinweg. Denn ja, für uns Frauen ist das Klimakterium ein sehr ernstes Thema.
Dies ist ein Trostbuch für alle Frauen ab 49. Und für die jüngeren ist das Buch ein Ratschlag: Bloß keine Angst vor den Wechseljahren. Die kommen eh, ob wir es wollen oder nicht. Hauptsache wir leiden nicht daran, sondern segeln erhobenen Hauptes durch sie hindurch.

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