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Veröffentlicht am 20.04.2022

schutzlos ausgeliefert

Was im Verborgenen ruht
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Die Polizistin Teodora Bontempi wird bewusstlos in ihrer Wohnung aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht, wo sie erst ins Koma fällt und dann verstirbt. Bei der Autopsie ergibt sich, dass sie einen Schlag ...

Die Polizistin Teodora Bontempi wird bewusstlos in ihrer Wohnung aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht, wo sie erst ins Koma fällt und dann verstirbt. Bei der Autopsie ergibt sich, dass sie einen Schlag auf den Kopf abbekommen hat, der zu einem Schädelbruch geführt hat, sodass es sich um Mord handeln muss. Die Ermittlungen führen DS Thomas Lynley in den Norden Londons, wo Teo in der nigerianischen Gemeinde ermittelt hat. In dem persönlichen Umfeld von Teo scheint fast jeder ein Geheimnis zu haben und auch Teo hatte etwas zu verbergen. Die Aufklärung gestaltet sich schwieriger als gedacht.

Als erstes möchte ich den außergewöhnlichen Aufbau des Buches erwähnen, denn auf den ersten fast hundertfünfzig Seiten werden die Ermittler nicht einmal erwähnt. Erst einmal werden die beteiligten Personen vorgestellt und diverse Handlungsstränge begonnen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Das schürt die Neugier und befeuert meine Phantasie. Als klar wird, dass ein Verbrechen vorliegt, werden zwar einige Fragen beantwortet, dafür aber meine Vermutungen und Verdächtigungen immer wieder in andere Richtungen gesteuert, was ich unglaublich spannend finde. Mein Kopfkino läuft auf Hochtouren und ich bin total begeistert darüber, wie die einzelnen Puzzleteile ineinander greifen und passend zueinander finden.

„Das ist entsetzlich, grauenhaft, unmenschlich, entwürdigend, abstoßend, abscheulich, verachtenswert. Aber Sie haben recht, man kann es mit Worten nicht beschreiben, sagte die Ärztin.“ (Seite 207)

Womit wir beim Thema des Buches wären, denn auch mir fehlen fast die Worte, um zu beschreiben, was ich beim lesen gefühlt habe und immer noch fühle. Es geht um Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen. Dabei handelt es sich um diverse Formen von operativen Eingriffen mit kulturellem Hintergrund. Bei diesen Eingriffen werden die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane teilweise oder ganz entfernt. Ich wollte hier noch die extremste Variante beschreiben, Infibulation genannt, sehe davon aber ab, weil es so fürchterlich, so barbarisch ist, dass es fast nicht zu glauben ist, dass diese Praktiken auch heute noch gang und gäbe sind. Immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen, war entsetzt, erschüttert und mehr als einmal den Tränen nahe. Tatsächlich kam ich hier ganz oft an meine Grenzen und das passiert mir sonst nicht so schnell.

„Die Beschneidung ist etwas, worum in den meisten Familien ein Riesengeheimnis gemacht wird. Die Mütter sagen ihren Töchtern nicht die Wahrheit: dass es sich de facto um eine Verstümmelung handelt. Die Mädchen werden eines Teils ihres Körpers und damit ihrer selbst beraubt, weil eine ignorante Tradition bestimmt, dass sie nichts empfinden dürfen. (…) Die Verstümmelung beraubt sie ihrer Identität, sie macht sie zur käuflichen Ware.“ (Seite 500)

Vieles habe ich nicht gewusst, von manchen Sachen wünschte ich fast, ich hätte sie nie erfahren. Aber es ist wichtig und unumgänglich, dass noch viel mehr darüber berichtet und aufgeklärt wird. Die Autorin schafft es, dieses Thema mit viel Feingefühl in den Kriminalroman einzubauen und dabei großartige Aufklärungsarbeit zu leisten. Für diesen Mut und das Können ziehe ich ganz tief meinen imaginären Hut. Der Fall selbst war interessant, die Ermittlungsarbeit spannend und authentisch dargestellt, die Auflösung überraschend und schlüssig. Trotz des schwierigen Themas, das aufrüttelt und erschüttert, war das für mich Unterhaltung auf dem höchsten Niveau, einfach meisterlich und verdient die volle Punktzahl.

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Veröffentlicht am 13.04.2022

Erinnere dich

Die Wahrheit und andere Erinnerungen
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Nicole ist elf Jahre alt, als ihre Mutter Tina einen Unfall baut, bei dem Nicole und ihre zwei Jahre jüngere Schwester mit im Auto sitzen, aber kaum verletzt werden. Darüber, ob Tina an dem Tag betrunken ...

Nicole ist elf Jahre alt, als ihre Mutter Tina einen Unfall baut, bei dem Nicole und ihre zwei Jahre jüngere Schwester mit im Auto sitzen, aber kaum verletzt werden. Darüber, ob Tina an dem Tag betrunken war, streitet sich die Familie noch Jahrzehnte später, denn Tina hat ein Alkoholproblem. Kurz danach trennen sich die Eltern, Nicole bleibt bei Tina, die jüngere Samantha zieht ein wenig später zu ihrem Vater Craig und dessen neuer Frau. Nun ist Tina gestorben und alte Wunden brechen auf, Geständnisse folgen und Erinnerungen kommen ans Licht. Was ist damals passiert am Unfalltag und war vielleicht doch alles ganz anders?

Die Gegenwart, sechsunddreißig Jahre später, wird unterbrochen durch Rückblenden, die zeigen, wie unterschiedlich Nicole und Samantha sich erinnern. Beide wurden geprägt durch das Erlebte, zueinander finden sie dadurch aber nicht. Die Beziehung der beiden Schwestern zueinander ist reines Gift, keine der beiden ist ehrlich zur anderen; wie denn auch, die beiden schaffen es ja kaum, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Verlustängste bestimmen das Leben der beiden Frauen, was sich auf die Beziehung mit anderen, besonders aber auf die der Schwestern untereinander auswirkt. Das empfand ich als besonders tragisch, denn tief innen dachten beide anders darüber, aber keine von ihnen war bereit, über ihren Schatten zu springen, geschweige denn, den ersten Schritt in die Richtung ihrer Schwester zu tun. Zwei Frauen, Produkte ihrer Kindheit und der Erlebnisse in ihrer Jugend, gefangen in sich selbst, nicht fähig, Liebe zu geben oder zu empfangen.

Ich wusste gar nicht mehr, was ich wollte oder brauchte, so lange hatte ich anderen geholfen, das zu erreichen, was sie wollten oder brauchten. Seite 270

Anfangs hat mich das Buch kalt gelassen, der Schreibstil seltsam hölzern und ungelenk. Mit jeder gelesenen Seite war es aber so, als ob die Autorin sich frei schreiben würde, als ob die Story sie fände und nicht umgekehrt. Plötzlich war sie da, die Geschichte, mit ganzer Wucht, Kraft und Macht. Ganz tief bin ich eingetaucht, habe miterlebt, gefühlt, verstanden. Ein weiteres Highlight in diesem Jahr ist dieses Buch und ich hoffe, es folgen von dieser Autorin noch viele mehr. Volle Punktzahl von mir, wie könnte es anders sein. Lest es.

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Veröffentlicht am 06.04.2022

Gehen oder bleiben

Der Papierpalast
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Elle verbringt den Sommer mit ihrer Familie, bestehend aus ihrer Mutter Wallace, ihrem Mann Peter sowie den drei gemeinsamen Kindern, wie jedes Jahr im Sommerhaus am See, das Papierpalast genannt wird, ...

Elle verbringt den Sommer mit ihrer Familie, bestehend aus ihrer Mutter Wallace, ihrem Mann Peter sowie den drei gemeinsamen Kindern, wie jedes Jahr im Sommerhaus am See, das Papierpalast genannt wird, aus Gründen, die viele Jahrzehnte zurückliegen. Elle ist glücklich, aber da gibt es auch Jonas, ihren besten Freund seit Kindertagen, mit dem sie so viel verbindet. Als Elle zufällig etwas erfährt, das ein Ereignis in ihrem Leben in einem anderen Licht erscheinen lässt, steht sie vor der wichtigsten Entscheidung ihres Lebens. Soll sie so weitermachen wie bisher, oder ihrem Herzen folgen?

Das Buch ist in fünf Teile aufgeteilt, die ersten drei sind benannt nach den drei wichtigsten Personen dieses Romans. In dem ersten Teil wechseln sich Gegenwart und Vergangenheit ab, Elle wird vor die Wahl gestellt und erinnert sich dazwischen an ihre früheste Kindheit als Baby und Kleinkind. Auch über ihre Familie erfahre ich viel, sodass ich mir ein gutes Bild machen kann. Die Rückblicke sind interessant und faszinieren mich stellenweise mehr, als die Gegenwart es vermag. Der zweite Teil behandelt gänzlich die Vergangenheit und beleuchtet Elles Jugend. Diesen Teil fand ich emotional aufwühlend, viele Stellen waren für mich sehr schwer auszuhalten. Die Andeutungen und Vermutungen aus dem ersten Teil werden hier erklärt und bestätigt, dennoch hätte ich diese Auflösung nicht erwartet. Brutal und katastrophal endet der Mittelteil und mündet in einer Tragödie.

Der dritte Teil springt wie gewohnt hin und her, behandelt aber überwiegend die Vergangenheit, wobei dies nicht immer chronologisch erfolgt. Zu keinem Zeitpunkt habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen oder nicht zu verstehen, im Gegenteil ergibt vieles endlich einen Sinn. Was ich im vierten Teil erfahre, vervollständigt die Geschichte und rundet sie ab. Es gibt viele lustige, aber auch einige traurige Stellen, die mich zum weinen bringen. All die Träume, Hoffnungen und Wünsche, erfüllte und unerreichte, Lügen und Wahrheiten, Geschichten und Geheimnisse finden ihren Platz. Der fünfte Teil führt mich wieder an den Anfang, in die Gegenwart, ins Heute. Es ist Anfang August an einem heissen Sommertag am See, der Tag der Entscheidung. Es ist, als wäre ich dort, in Back Woods, im Papierpalast.

Ich war so gespannt darauf, wie das Buch endet, von dem ich mir wünschte, es wäre nie vorbei. Ein literarischer Schatz, eine Geschichte wie ein schöner Sommertag, bei dem man möchte, dass er nie zu Ende geht. Ein weiteres Highlight für mich, das fünf Sterne verdient und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Träumereien im Paradies

Der Garten ist mein Paradies
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Ich bin ein großer Fan dieser kleinen Bändchen, die der Kampenwand Verlag herausbringt. Diese sind klein genug, um in die Tasche gesteckt zu werden, aber dennoch prall gefüllt mit schönen Gedichten und ...

Ich bin ein großer Fan dieser kleinen Bändchen, die der Kampenwand Verlag herausbringt. Diese sind klein genug, um in die Tasche gesteckt zu werden, aber dennoch prall gefüllt mit schönen Gedichten und Sprüchen. Versehen mit zauberhaften Illustrationen ergibt sich so ein schönes Werk, das man selbst behalten, aber wunderbar auch verschenken kann.

Aufgeteilt in Frühling, Sommer, Herbst und Winter hat Frank Suchland hier eine tolle Sammlung zusammengestellt, die mir beim lesen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Ob Joachim Ringelnatz, Wilhelm Busch, Heinrich Heine oder viele mir bislang unbekannte Schriftsteller, die kurzen Werke haben mir viel Freude gebracht. Volle Punktzahl für dieses zauberhafte Buch.

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Veröffentlicht am 04.04.2022

Spurlos verschwunden

Eine perfekte Familie
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Joy und Stan Delaney sind seit kurzem Rentner, nachdem sie ihre Tennisschule verkauft haben. Mit dem Rentnerdasein hadern sie ein wenig, da ihr Beruf die größte Leidenschaft in ihrem Leben war. Ihre vier ...

Joy und Stan Delaney sind seit kurzem Rentner, nachdem sie ihre Tennisschule verkauft haben. Mit dem Rentnerdasein hadern sie ein wenig, da ihr Beruf die größte Leidenschaft in ihrem Leben war. Ihre vier erwachsenen Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne, haben seit über einer Woche nichts mehr von ihrer Mutter Joy gehört und fangen an, sich Sorgen zu machen. Joys letztes Lebenszeichen war eine kryptische Nachricht an die Handys ihrer Kinder und auch ihr Vater benimmt sich irgendwie sehr seltsam. Ob das mit der fremden jungen Frau zusammenhängt, die ihre Eltern bei sich aufgenommen haben und die den Geschwistern nicht geheuer ist? Kurze Zeit später melden die vier ihre Mutter als vermisst und plötzlich gilt ihr Vater als Verdächtiger in einer laufenden Ermittlung.

Es war eine Freude, dieses Buch zu lesen. Aus verschiedenen Perspektiven, sei es die Familie, die im Mittelpunkt steht, seien es Nachbarn, Ermittler oder die Friseurin von Joy, setzt sich die Geschichte der Familie zusammen und nach und nach wird klar, was passiert ist. Die Auflösung lässt sehr lange auf sich warten, aber das macht nichts, denn die Lebensläufe der Eltern und der Geschwister sind so interessant, dass keine Langeweile aufkommt. Gegenwart und Vergangenheit wechseln sich ab und es ist wirklich erstaunlich, wie unterschiedlich sich die Personen an vergangene Episoden erinnern. Das Gedächtnis spielt so manchem einen Streich, was mir beim lesen unglaublichen Spaß gemacht hat. Dazwischen gibt es zwar einige Längen, nicht jeder wird das Leben der Familie so spannend finden wie ich es tat, mir aber haben die Feinheiten und Kleinigkeiten sehr gefallen und unterhaltend war es sowieso.

Der feine Humor, der mir bereits in anderen Büchern der Autorin aufgefallen ist, fehlt auch hier nicht, oft habe ich geschmunzelt, manchmal sogar laut aufgelacht. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, ich lese einen Krimi, so aufregend und spannend wurde es. Die Auflösung war stimmig, alle Fragen wurden beantwortet und nun fehlt mir lediglich eine Verfilmung zum Glück. Ein tolles, wendungsreiches und lesenswertes Buch, das volle Punktzahl verdient.

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